Spediteure kritisieren Brenner-Gipfel "Lkw-Blockabfertigung am Brenner kostet 150.000 Euro am Tag"

Lastwagen stauen sich auf der Brennerautobahn A13 neben der Raststätte an der Europabrücke bei Schönberg (Österreich). Quelle: dpa

Der Brenner-Gipfel hat Tirols prekäre Transitlage nicht entschärft. Sabine Lehmann vom Landesverband Bayerischer Spediteure beklagt mangelnde Angebote der Bahn und wirft Tirol Willkür in seiner Verkehrspolitik vor.

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WirtschaftsWoche: Wie bewerten Sie die Ergebnisse des Brenner-Gipfels zwischen Deutschland, Österreich und Italien zur Lösung des Transit-Problems?
Sabine Lehmann: Prinzipiell ist es zu begrüßen, dass ein Dialog begonnen hat und eine Arbeitsgruppe eingesetzt wird. Allerdings müssen hier die Eisenbahnverkehrsunternehmen, Operateure und die Speditions- und Logistikunternehmen ebenfalls vertreten sein. Die Lösungen müssen praxistauglich sein. Gerade bei den Schienenangeboten sehen wir aber, dass Verlässlichkeit und Qualität noch nicht stimmen.

Zur Person

Der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter will auch nach dem Gipfel an der Blockabfertigung für Lkw festhalten und 2018 zwischen 20 und 30 Blockabfertigungstage anordnen. Wie groß ist der Schaden für die Spediteure?
Die Blockabfertigung ist eine absolut willkürliche Maßnahme und leider ist dem Tiroler Landeshauptmann in dieser Frage nicht mehr zu trauen.

Ursprünglich sollte es Blockabfertigungen für Lkw nur nach Feiertagen geben, an denen ein besonders hohes Verkehrsaufkommen zu erwarten wäre. So viele Feiertage hat Österreich aber gar nicht. Ein großes Problem der Blockabfertigung ist die kurzfristige Ankündigung. Meist wird das erst zwei bis drei Tage vorher bekannt gegeben. Die Fuhren sind aber viel länger geplant, wodurch natürlich ein erheblicher Schaden entsteht. Insgesamt beläuft sich der Schaden durch die Blockabfertigung nach Aussagen der Wirtschaftskammer Österreich auf circa 150.000 Euro pro Tag.

Was ist Blockabfertigung?

Herr Platter argumentiert, dass ohne Blockabfertigung die Verkehrssicherheit nicht mehr gewährleistet sei. So würden Einsatzfahrzeuge auf der Inntalautobahn etwa nicht mehr rechtzeitig zu Unfällen gelangen.
Dass Einsatzkräfte nicht zur Unfallstelle kommen, liegt an Autofahrern, die keine Rettungsgasse bilden. Dieses Problem gibt es auch in Bayern. Natürlich ist die Verkehrslage auf der Inntalautobahn angespannt. Aber durch einseitige und willkürliche Maßnahmen wie die Blockabfertigung oder ein sektorales Fahrverbot kann das nicht gelöst werden.

Sie sprechen das sektorale Fahrverbot an. Welche Probleme erwachsen den Spediteuren dadurch?
Man muss die ganzen Maßnahmen Tirols im Zusammenhang sehen – Nachtfahrverbote, die Blockabfertigung, das sektorale Fahrverbot: Mal abgesehen davon, dass diese Maßnahme unseres Erachtens im Ergebnis dem Grundsatz des freien Warenverkehrs in Europa zuwiderläuft, entstehen dadurch teils absurde Situationen. So wird bei dieser Regelung auf das zu befördernde Gut abgestellt, anstatt vollumfänglich auf die Schadstoffklasse.

Deshalb dürfen durch das Fahrverbot bestimmte Waren nicht auf der Tiroler Inntalautobahn transportiert werden. Und dann raten Sie mal, welche Autobahnen die Holztransporte von Vorarlberg nach Salzburg benutzen? Die fahren dann eben über München! Durch das sektorale Fahrverbot wird der Verkehr nach Deutschland verlagert.

Ziel des Gipfels sollte es sein, den Lkw-Verkehr möglichst bald auf die Schiene zu verlagern. Bayern hat aber noch nicht einmal die Zulaufstrecke zum Brenner Basis-Tunnel gebaut. Ist Deutschland nicht auch selbst schuld an den Problemen?
Die Zulaufstrecke reicht für das zu erwartende Verkehrsaufkommen nicht aus. Tatsächlich wird noch nicht gebaut, vielmehr stockt derzeit sogar der Bürgerdialog für das Trassenverfahren. Deutschland ist hier nicht so weit, wie es sein sollte und müsste. Auch sonst muss dringend in die Bahn-Infrastruktur investiert werden. Deutschland muss hier seine Aufgaben erfüllen. Derzeit gibt es etwa noch viel zu wenig Terminals zur Verladung der Lkw auf die Schiene. Ohne diese Angebote wird die Bahn nicht attraktiv für Spediteure.

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