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Staatsanwältin belastet Ex-Premier Systematische Prostitution in Berlusconis Villa

Im Prozess gegen Silvio Berlusconi wegen Förderung der Prostitution Minderjähriger und Amtsmissbrauchs hat die Staatsanwältin Italiens Ex-Premier stark belastet. Das Land ist derweil auf der Suche nach einer Regierung.

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Der König von Italien
Silvio Berlusconi ist nicht nur berühmt und berüchtigt als Italiens Ministerpräsident. Der 75-Jährige ist mit einem von "Forbes" geschätzten Vermögen von 7,8 Milliarden Dollar (2010) auch einer der reichsten Mann im Land. Seine unternehmerischen Aktivitäten hat Berlusconi in der Familienholding Fininvest gebündelt. Ein Überblick über Berlusconis Milliardenimperium.
Noch vor dem Abschluss seines Jurastudiums 1959 wurde Berlusconi Geschäftsführer eines Mailänder Bauunternehmens. 1961 machte er sich mit der Firma Cantieri Riuniti Milanesi selbstständig. Berlusconi etablierte sich schnell als Investor zukunftsweisender Wohn- und Geschäftskomplexe um Mailand.
In den 70er Jahren richtete Berlusconi sein unternehmerisches Interesse zunehmend auf den Mediensektor. Fininvest, 1978 gegründet, erzielte im vergangenen Jahr einen Umsatz von 5,9 Milliarden Euro und fuhr einen Gewinn von 160 Millionen Euro ein. Unternehmensleiterin ist seine Tochter Marina Berlusconi. Das Unternehmen mit Sitz in Rom und Mailand, bei dem mehr als 20.000 Mitarbeiter beschäftigt sind, gehört nach Medienangaben zu 63,3 Prozent Silvio Berlusconi und zählt zu den größten Arbeitgebern des Landes. Der Wert der Unternehmen wird auf insgesamt rund sechs Milliarden Euro geschätzt.
Einen Anteil von jeweils 7,65 Prozent halten die Kinder Marina und Pier Silvio, die drei anderen Kinder Barbara (im Bild), Eleonora und Luigi teilen sich zusammen 21,4 Prozent. Zu Fininvest gehört das Film- und Fernsehunternehmen Mediaset, der Verlag Mondadori, die Finanzberatung Mediolanum, der Fußballverein AC Mailand und das Teatro Manzoni in Mailand.
Größter Umsatzbringer in Berlusconis Reich ist der Medienkonzern Mediaset (Umsatz 2010: 4,3 Milliarden Euro, Gewinn: 352,2 Millionen Euro), an dem Fininvest mit 39 Prozent beteiligt ist. Dazu gehören drei landesweite TV-Sender, die dem Ministerpräsidenten eine beachtliche mediale Präsenz sichern: Italia 1, Rete 4 und der Flagschiffsender Canale 5 - spezialisiert auf populäre Unterhaltungssendungen wie "C'è posta per te", "Amici", "Zelig" und "Big Brother". Mit einer durchschnittlichen Einschaltquote von 21,9 Prozent ist Canale 5 Italiens Marktführer.
Zum Mediaset-Konzern gehören neben der Werbeagentur Publitalia außerdem noch die spanischen Kanäle Cuatro und Telecinco und die Bezahlplattform Mediaset Plus. Zusätzlich betreibt das Unternehmen zahlreiche digitale Spartensender wie Boing, La 5, Iris und den Einkaufssender Mediashopping und hält Anteile an Produktionsfirmen und Werbeagenturen. Im November 2008 war Mediaset mit drei Prozent beim deutschen Bezahlsender Premiere - heute Sky (Bild) - eingestiegen.
Bücher, Zeitschriften (darunter das Magazin "Panorama") und Radiosender bündelt Berlusconi im Verlagshaus Mondadori, an dem Fininvest mit 50,1 Prozent beteiligt ist. Das Unternehmen mit seinen 3900 Mitarbeitern erzielte im vergangenen Jahr einen Gewinn von 97 Mio. Euro bei 1,82 Mrd. Euro Umsatz.

Für die wilden Privatpartys von Italiens Ex-Regierungschef Silvio Berlusconi ist nach Einschätzung der Anklage ein „umfassendes System der Prostitution“ organisiert worden. Dabei sei die seinerzeit noch minderjährige Marokkanerin Ruby ein „fester Bestandteil“ gewesen, führte Staatsanwalt Antonio Sangermano zu Beginn seines Plädoyers am Montag in Mailand aus. Der „Ruby“-Prozess gegen Berlusconi ist damit in der Schlussphase. Der Medienzar und Milliardär ist angeklagt, Sex mit minderjährigen Prostituierten gehabt und sein Amt missbraucht zu haben. Ein Urteil in erster Instanz wird am 18. März erwartet.

Es sei falsch, nur von Festessen in Berlusconis Villa Arcore bei Mailand auszugehen, angereichert durch ein paar „burleske Szenen“, sagte der Staatsanwalt. Dies hatte Berlusconis Seite immer behauptet. Vielmehr habe ein Kreis von Vertrauten und Freunden Berlusconis ein regelrechtes „System“ organisiert: Die jungen Frauen seien in bar bezahlt oder mit beruflichen Versprechungen honoriert worden.

Das Plädoyer sollte an diesem Freitag fortgesetzt werden. Es wird erwartet, dass Berlusconis Anwälte danach auf Freispruch plädieren. Berlusconi hatte immer seine Unschuld beteuert. Ihm drohen für die ihm zur Last gelegten Anklagepunkte jeweils mehrere Jahre Haft. Ein erstinstanzliches Urteil hat in Italien aber zwei Berufungsinstanzen.

Italien auf der Suche nach einer Regierung

Derweil will das italienische Parlament trotz des Patts verstärkt nach Wegen für eine rasche Regierungsbildung gesucht. Die Konstituierung des neuen Parlaments könnte nach Medienberichten vom 15. auf den 12. März vorgezogenen werden. Das solle vor allem auch den nervösen Finanzmärkten zeigen, dass das hoch verschuldete Land nach den Parlamentswahlen im Februar eine größere Krise vermeiden wolle.

Wer in Italien um die Macht ringt
In Höchstform: Silvio Berlusconi (Mitte-Rechts-Bündnis)Mit Speck fängt man Mäuse. Silvio Berlusconi lockt die Wähler damit, die Eigenheimsteuer abzuschaffen, die bereits bezahlte Steuer zurück zu zahlen und eine Generalamnestie für Steuer- und Bausünden zu erlassen. Auch der viermalige Ministerpräsident Berlusconi stand vergangenes Jahr wegen Steuerhinterziehung vor Gericht.  Hinzu kommen unter anderem Sex-Eskapaden mit der Marokkanerin Ruby im Jahr 2010. Trotzdem ist der Milliardär bei den Italienern beliebt, der aktuell in zahlreichen Talkshows seinen Charme spielen lässt. Der medienerprobte 76-Jährige ist zwar Gesicht und Initiator des Mitte-Rechts-Bündnisses, Kandidat für das Ministerpräsidentenamt ist jedoch Angelino Alfano. Chancen: Laut den letzten Umfragen vom 8. Februar liegt das mögliche Ergebnis des Mitte-Rechts-Bündnisses zwischen 27.8 und 29.5 Prozent. Damit wäre es zweitstärkste Kraft. Berlusconis Ziel ist daher eine möglichst instabile Regierungskoalition, um bei Gesetzesentwürfen mitreden zu können. Quelle: dpa
Berlusconis Marionette: Angelino Alfano (Mitte-Rechts-Bündnis)Sollte Berlusconis Mitte-Rechts-Bündnis die Wahl gewinnen, dann würde nicht Berlusconi, sondern sein ehemaliger Justizminister Angelino Alfano (rechts) Ministerpräsident werden. Da laut Umfragen das Bündnis ohnehin wohl nur zweitstärkste Kraft wird, kann Silvio Berlusconi dies egal sein. Denn er zielt darauf ab, die Regierungskoalition aus der Opposition heraus zu beeinflussen. Sein offizieller Kandidat war bereits wegen Verbindungen zur Mafia in der Presse. Quelle: dpa
Der moderate Mann: Pier Luigi Bersani („Italia. Bene Commune.“)Einen erfahrenen Wirtschaftsexperten schickt das Mitte-Links-Bündnis „Italia. Bene Commune.“ ins Rennen. Ihr Spitzenkandidat Per Luigi Bersani will gegen die Probleme Italiens mit einer gemäßigten Politik vorgehen: Eine moderate Sparpolitik und eine moderate Sozialpolitik stehen auf seinem Programm. Der Sprössling einer Handwerkerfamilie aus bescheidenen Verhältnissen kennt sich auf dem politischen Parkett bestens aus. Der ehemalige Lehrer war unter anderem Wirtschaftsminister unter Romano Prodi und Koalitionspartner von Mario Monti. Chancen: Die letzten Umfragen vom 8. Februar sagen dem Mitte-Links-Bündnis ein Ergebnis zwischen 33,2 und 35 Prozent voraus:  Damit liegt Bersani vorn. Quelle: AP/dpa
Italiens Anti-Politiker: Beppe GrilloEr sieht sich nicht als Politiker, sondern als Aktivist: Beppe Grillo mischt Italiens politische Landschaft mit seiner „MoVimento 5 Stelle“ (Bewegung 5 Sterne) auf. Während sich Berlusconi im Fernsehen inszeniert, sind Internet und öffentliche Plätze die Bühne von Beppe Grillo. TV-Auftritte meidet er, stattdessen spricht er in Italiens Städten. Dabei lockt er stets Menschenmassen an, so wie auf diesem Foto am 16. Februar in Turin. Sein Blog beppegrillo.it gehört zu den erfolgreichsten der Welt. Er selbst tritt jedoch nicht als Spitzenkandidat an – dies erlaubt sein Parteiprogramm nicht, das keine vorbestraften Politiker ins Parlament lassen will. Seine Bewegung tritt überhaupt ohne Spitzenkandidat an. Das gehört zu seinem Feldzug gegen die politischen Verhältnisse. Chancen: Obwohl er politischer Neuling ist, ist Grillos Bewegung laut Umfragen bereits drittstärkste Kraft. Die Prognosen vom 8. Februar gehen von einem Ergebnis zwischen 14,7 und 18,8 Prozent aus. Damit liegt der Aktivist vor dem 2012 abgetretenen Präsidenten Mario Monti. Quelle: dpa
Der gefallene Stern: Mario Monti (Agenda Monti per l'Italia)Der ehemalige italienische Ministerpräsident feierte Erfolge: Er brachte das Land auf Sparkurs und stellte das internationale Vertrauen in Italien wieder her. Doch die zahlreichen eingeführten Abgaben und Steuern machten ihn bei den Wählern wenig populär. Schließlich sprach ihm die Berlusconi-Partei „Popolo della Libertà“ Anfang Dezember 2012 nicht mehr ihr Vertrauen aus, Monti trat zurück. In der jetzigen Parlamentswahl tritt er mit seiner „Agenda Monti per l'Italia“ (Aagenda Monti für Italien) an, die sich aus Parteien der Mitte zusammen setzt. Bei den meisten Italienern wirkt der ehemalige EU-Wettbewerbskommissar und Mailänder Professor jedoch zu technisch, gestelzt und abgehoben. Chancen: Viertstärkste Kraft soll Mario Montis Bündnis werden, wenn man nach den Umfrageergebnissen vom 8. Februar geht. Demnach erlangt seine Agenda zwischen 12,9 und 16 Prozent der Stimmen. Quelle: dpa
Der Mafia-Schreck: Antonio Ingroia (Rivoluzione Civile)Als Staatsanwalt widmet sich der 53-Jährige Antonio Ingroia dem Kampf gegen die Mafia, mit der er auch in zahlreichen Publikationen auseinander setzt. Mit der neu gegründeten "Rivoluzione Civile", der "Bürgerlichen Revolution" ist er nun in den Wahlkampf gezogen, der vor allem Mitte-Links-Parteien angehören. Chancen: Antonio Ingroias Bündnis bildet laut Umfragen das Schlusslicht unter den aussichtsreichsten Kandidaten. Die Prognosen vom 8. Februar gehen von einem Ergebnis zwischen 3,7 und fünf Prozent aus. Quelle: Reuters

Staatspräsident Giorgio Napolitano wolle Pier Luigi Bersani von der Mitte-Links-Koalition zunächst ausloten lassen, ob er eine Regierung bilden könne, so der Mailänder „Corriere della Sera“ am Dienstag. Gelingt Bersani dies nicht, könnte es zu einer Art Expertenregierung kommen, die einige wichtige Reformen erlassen soll.

Die bei den Wahlen spektakulär erfolgreiche populistische Protestbewegung „Fünf Sterne“ (M5S) des Komikers Beppe Grillo hat deutlich gemacht, dass sie eine „Regierung ohne Parteien“ will und eine „technische Regierung“ möglicherweise stützen könnte.

Nach der Konstituierung des Parlaments kann Napolitano, der sich gegen baldige Neuwahlen als Weg aus dem Patt ausgesprochen hat, schnell beginnen, Bersani, Grillo und Berlusconi zu konsultieren.

Das Mitte-Links-Bündnis hatte bei den Wahlen im Abgeordnetenhaus zwar die Mehrheit der Sitze gewonnen, braucht aber wegen der fehlenden Mehrheit im Senat einen Koalitionspartner. Eine Minderheitsregierung, wie sie Bersani ins Spiel gebracht hatte, lehnt der Staatspräsident ab.

Der noch amtierende Regierungschef Mario Monti hat die drei Spitzenpolitiker Bersani, Berlusconi und Grillo getrennt zu einem Meinungsaustausch eingeladen. Er will sich vor dem EU-Gipfel am 14. März über Gemeinsamkeiten und „mögliche Divergenzen“ abstimmen.

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