
Jens Weidmann hat sich zur aktuellen Euro-Debatte gemeldet. Endlich, möchte man meinen. Denn insbesondere die euro-kritische Öffentlichkeit hat lange auf ein Statement der Bundesbank gewartet. Was hält die Instanz, die sich für die Geldstabilität einsetzt, davon, bei EZB-Abstimmungen künftig alle fünf Monate außen vor zu sein? Bisher gab es von Seiten der Bundesbank dazu nur rhetorische Beruhigungspillen.
Die Frage, ob alle Notenbank-Gouverneure abstimmen dürfen, sei in der Praxis nicht sonderlich relevant, sagte ein Sprecher: "Die Rotation spielt praktisch keine Rolle für die Entscheidungsfindung, weil jeder redeberechtigt bleibt und Kampfabstimmungen mit knappen Mehrheiten im EZB-Rat nicht üblich sind." Für die Euro-Kritiker, die Deutschland an den Rand gedrängt und das Ende der Stabilitätskultur in Europa sehen, war das zu wenig.
Nun also schreibt Jens Weidmann einen Gastbeitrag für die "Süddeutsche Zeitung". Dennoch meidet er die eigentliche Diskussion weiter und spricht stattdessen darüber, warum Europa den Stabilitätspakt nicht aufweichen darf.
Wo sich die Schuldensünder der Euro-Zone verbessert haben
Haushaltsdefizit (Anteil am Bruttoinlandsprodukt ohne Bankenhilfe)
Griechenland
2009: -15,7 % 2013: -2,1 %
Portugal
2009: -10,2 % 2013: -4,5 %
Spanien
2009: -11,1% 2013: -6,6 %
Irland
2009: -12,4 % 2013: -6,7 %
Eurozone
2009: -6,4 % 2013: -3,0 %
Leistungsbilanzdefizit*
Die Exporte von Portugal (+37 %) und Spanien (+35%) haben zwischen 2009 und 2013 schneller zugelegt als in Deutschland (+33%)
Griechenland
2009: -14,4 % 2013: -2,3 %
Portugal
2009: -10,8 % 2013: +0,4 %
Spanien
2009: -4,8 % 2013: +1,1 %
Irland
2009: -2,3 % 2013: +7,0 %
Eurozone
2009: +0,2 % 2013: +2,7 %
(*im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt)
Die Schuldenkrise bescherte Griechenland, Spanien, Portugal und Irland eine tiefe Rezession. In Spanien sank das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 7,5 Prozent, in Portugal um 8,5 Prozent und in Griechenland sogar um 20 Prozent. Für 2014 erwarten Analysten nach fünf Jahren endlich überall wieder Wachstum - wenn auch nur in vergleichsweise kleinem Umfang. Allerdings ist dabei auch der Abstand zwischen Peripherie und den Kernländern.
Wirtschaftsvertrauen der EU-Kommission.
Den Tiefpunkt erreichte die Stimmung 2009. Bei der Erhebung im April 2015 war der Wert nur noch in Griechenland leicht unterdurchschnittlich.
Griechenland
2009: 74,8* April 2014: 95,4
Portugal
2009: 75,4 April 2014: 100,6
Spanien
2009: 73,8 April 2014: 101,5
Eurozone
2009: 70,1 April 2014: 102,0
(100 Punkte = langfristiger Durchschnitt; keine Werte für Irland)
In den ersten Jahren nach der Euro-Einführung haben die Peripherieländer ihre Lohnstückkosten deutlich gesteigert. Seit 2010 gab es einen deutlichen Richtungswechsel. Nach den Berechnungen des Anleihenmanagers Bantleon ist der zuvor aufgebaute Wettbewerbsnachteil durch hohe Lohnstückkosten inzwischen verschwunden
Entwicklung der Lohnstückkosten seit Anfang 2009:
Griechenland -15,0 %
Portugal -6,6 %
Spanien -7,6 %
Irland -13,0 %
Eurozone +3,0 %
Auch wenn es in der Öffentlichkeit oft so ankommt, als würden würden die Krisenländer in der Euro-Peripherie sich mit der Umsteuerung schwertun, so wurden doch weitreichende Reformen am Arbeitsmarkt, in den Renten- und Steuersystemen sowie Verwaltungen vorgenommen. Das etwa der Arbeitsmarkt flexibler geworden ist, belegt der Employment Protection Index der OECD. Je niedriger sein Wert, um geringer die Regulierung am Arbeitsmarkt durch Kündigungsschutz, Abfindungszahlungen, Probezeiten, etc.) Bis auf Irland habe sich alle Krisenländer verbessert.
Griechenland
2008: 2,9 2013: 2,4
Portugal
2008: 3,5 2013: 2,7
Spanien
2008: 2,7 2013: 2,3
Irland
2008: 2,0 2013: 2,1
Eurozone
2008: 2,4 2013: 2,3
Es wäre fatal, die Schuldenlast, "trickreich zu verschleiern" und die Lehren aus der Schuldenkrise wieder zu vergessen, schreibt er. Dies könnte "massive Erschütterungen der Währungsunion auslösen". Weidmann fordert stattdessen, die Verschuldung noch entschiedener zu begrenzen. Es bedürfe "keiner Schwächung, sondern vielmehr einer Stärkung der Fiskalregeln". Er bemängelte in diesem Zusammenhang auch die Rentenreform der Bundesregierung. Dies habe "keinen Vorbildcharakter" in Europa.
Es sei ernüchternd, dass aus dem politischen Raum zahlreiche Forderungen nach Aufweichung der Regeln erhoben würden, kaum dass der Marktdruck spürbar nachgelassen habe, schreibt Weidmann. Er kritisierte in diesem Zusammenhang insbesondere Frankreich. Von dort kämen "besonders laute Rufe nach einer Aufweichung". Dabei habe in Frankreich die Defizitquote seit Gründung der Währungsunion in neun von 15 Jahren oberhalb der Grenze von drei Prozent der Wirtschaftsleistung gelegen. Das werde auch in diesem Jahr der Fall sein.