Stephans Spitzen

Frankreich ist nicht Paris

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Die Kluft zwischen Provinz und weltoffenen Metropolen wird größer

Allerdings gehört auch Macron nach Herkunft und Gehabe zur herrschenden Klasse. Er war einst Mitglied der sozialistischen Partei und Wirtschaftsminister unter Präsident Francois Hollande. Und er ist Absolvent der ENA – wie so viele der französischen Elite.

Le Pen will „Gift“ radikaler Islamisten „ausrotten“
Ihre Feindbilder sind „das System“ und „die Globalisierung“: Marine Le Pen ist eine der bekanntesten Figuren des Rechtspopulismus in Europa. Le Pen kam 1968 als jüngste Tochter des rechtsextremen Polit-Haudegens Jean-Marie Le Pen zur Welt. Im Alter von acht Jahren wurde sie von einer Bombenexplosion aus dem Schlaf gerissen - ein Anschlag auf ihren Vater, dessen Hintergründe nie geklärt wurden. Sie studierte Jura und arbeitete als Rechtsanwältin, bis sie 1998 die Justizabteilung des Front National (FN) übernahm. 2011 übernahm sie die Führung des FN von ihrem Vater. Die 48-Jährige hat der Partei ein gemäßigteres Auftreten verordnet, offenen Rassismus zurückgedrängt. Für diese Strategie ließ sie sogar ihren Vater aus der Partei ausschließen. Sie vertritt aber weiter radikale Positionen gegen die Europäische Union, den Euro und Einwanderung. Le Pen ist zudem Abgeordnete im EU-Parlament. Vorwürfe zur Verwendung von EU-Mitteln, wegen denen auch die französische Justiz ermittelt, lässt sie als Manöver ihrer politischen Gegner an sich abperlen.Nachfolgend einige ausgewählte Zitate Marine Le Pens. Quelle: dpa
Marine Le Pen Quelle: AP
Marine Le Pen Quelle: REUTERS
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Die französische Rechtspopulistin Marine Le Pen Quelle: dpa
Marine Le Pen Quelle: REUTERS
Marine Le Pen Quelle: AP

„Wirtschaftsliberal“ jedenfalls ist er nicht. Macron würde wahrscheinlich wenig an den lieb gewonnenen Gewohnheiten der Franzosen rütteln – obwohl das überfällig wäre. Die 35-Stundenwoche, der Mindestlohn und ein übertriebener Kündigungsschutz blieben schon in seinem „Loi Macron“ von 2015 unangetastet. Ein Jahr zuvor forderte er von Deutschland 50 Milliarden Euro zur Belebung der europäischen Wirtschaftszone. Auch das lässt nicht auf Aufbruch und Reformwillen schließen – und macht die Begeisterung des einstigen Wirtschafts- und jetzigen Außenministers Gabriel nicht recht verständlich.

Doch noch ist nichts entschieden. Sollte Macron tatsächlich im zweiten Wahlgang gewinnen, muss er die ungleich schwierigere Aufgabe bewältigen, das Parlament auf seine Seite zu bringen. Am 11. Juni findet der erste Wahlgang zur 15. Nationalversammlung statt, Macrons Bewegung „En marche“ muss dann Kandidaten für 557 Wahlkreise aufstellen, die Hälfte davon, so hat er es im Wahlkampf versprochen, dürfe nicht der herrschenden politischen Klasse entstammen. Ob das gelingt? Man kann, hoch gesprungen, noch immer als Bettvorleger landen.

Frankreichs Präsident - das mächtigste Staatsoberhaupt

Die Kluft zwischen Provinz und „weltoffenen“ Metropolen wird übrigens nicht nur in Frankreich immer größer. Ähnliches ist in Großbritannien, den Niederlanden, aber auch in Deutschland zu beobachten. Die Menschen, die nicht den Ehrgeiz haben, alle Flughäfen dieser Welt zu kennen, können und werden ihre Lebensweise nicht aufgeben wollen. Insbesondere im traditionsbewussten, „vaterländischen“ Frankreich, in la France profonde, glaubt niemand an die Vorzüge einer grenzenlosen EU. Und erst recht will man ihr nicht die nationalstaatliche Souveränität opfern.

Auch ein „EU-freundlicher“ Emmanuel Macron braucht Mehrheiten im Land. Man wird sehen.



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