
Salvatore Picardi ist ein guter Mensch, mindestens einmal am Tag, wenn morgens Gigi in seinem Fleischerladen steht. Gigi ist um die sechzig und ein bisschen besonders, behindert hätte man ihn früher genannt, aber er gehört einfach dazu, deshalb darf er sich bei Signore Picardi immer etwas aussuchen – ein Brötchen oder ein Stück Pizza. Bezahlen muss er nicht.
Doch nun soll der Wurstverkäufer für seine guten Taten 150 Euro Buße zahlen. Warum? Eine Polizeistreife hat Gigi nach einem Kassenbon gefragt, den muss in Italien jeder vorzeigen können, ob er ein Auto gekauft oder bloß in der Bar einen Espresso getrunken hat. In Gigis Tüte war aber keiner, warum auch, er hatte ja nichts gekauft.
Jährliche Einnahmen der öffentlichen Hand aus Steuern, Abgaben und Sozialversicherungsbeiträgen
1.090.424 Millionen Euro
Quellen: BMF, BDEW, BMAS, Destatis, GEZ-Geschäftsbericht, Deutsche Bischofskonferenz
Umsatzsteuer: 198.200 Millionen Euro
Tabaksteuer: 13.900 Millionen Euro
Rundfunkbeitrag: 7500 Millionen Euro
Branntweinsteuer: 2100 Millionen Euro
Rennwett- und Lotteriesteuer: 1600 Millionen Euro
Kaffeesteuer: 1000 Millionen Euro
Biersteuer: 665 Millionen Euro
Vergnügungsteuer: 617 Millionen Euro
Schaumweinsteuer: 460 Millionen Euro
Hundesteuer: 288 Millionen Euro
Zweckgebundene Kommunalabgaben: 216 Millionen Euro
Spielbankenabgabe: 22 Millionen Euro
Zwischenerzeugnissteuer: 14 Millionen Euro
Jagd- und Fischereisteuer: 13 Millionen Euro
Fremdenverkehrsabgabe: 8 Millionen Euro
Alkopopsteuer: 1 Million Euro
Schankerlaubnissteuer*: 0,35 Millionen Euro
Getränkesteuer**: 0,016 Millionen Euro
* in Hessen und Rheinland-Pfalz
** in Hessen; alle Zahlen gerundet; jeweils aktuellster verfügbarer Wert; hinzu kommen noch diverse sonstige Steuern in einzelnen Kommunen wie etwa die „Hotelbettensteuer“ oder die „Rotlichtsteuer“;
Grundsteuer: 12.200 Millionen Euro
Grunderwerbsteuer: 8300 Millionen Euro
Feuerschutzsteuer: 382 Millionen Euro
Zweitwohnungsteuer: 108 Millionen Euro
Lohn- undEinkommensteuer: 213.400 Millionen Euro
Gewerbesteuer:43.200 Millionen Euro
Körperschaftsteuer:18.900 Millionen Euro
Solidaritätszuschlag:14.000 Millionen Euro
Kirchensteuer: 10.000Millionen Euro
Versicherungsteuer: 11.400 Millionen Euro
Abgeltungsteuer: 8400 Millionen Euro
Erbschaftsteuer: 4200 Millionen Euro
Beiträge Rentenversicherung: 192.000 Millionen Euro
Beiträge Krankenversicherung: 176.000 Millionen Euro
Beiträge Arbeitslosenversicherung: 26.600 Millionen Euro
Beiträge Pflegeversicherung: 23.000 Millionen Euro
Energiesteuer: 39.500 Millionen Euro
EEG-Umlage: 20.400 Millionen Euro
Kfz-Steuer: 8500 Millionen Euro
Stromsteuer: 7000 Millionen Euro
Konzessionsabgabe: 2200 Millionen Euro
Kernbrennstoffsteuer: 1400 Millionen Euro
Luftverkehrsteuer: 960 Millionen Euro
Offshore-Haftungsumlage: 850 Millionen Euro
Netzumlage (Strom): 810 Millionen Euro
Aufschlag Kraft-Wärme-Kopplung: 410 Millionen Euro
Die Geschichte geht mir seit Tagen im Kopf herum. Man kann sich darüber so schön aufregen, über absurde Vorschriften und übereifrige Polizisten. Man kann natürlich auch lobend hervorheben, dass man sich in Italien bis zur Schmerzgrenze um Steuerehrlichkeit bemüht, ein Leuchtturm geradezu im Vergleich zum Schlendrian in anderen Ländern, man denke nur an Griechenland! Allerdings legt der Vorfall auch den Gedanken nahe, dass es nicht Steuern allein sind, die ein Gemeinwesen am Leben halten.
Denn er zeigt ja vor allem, dass der italienische Staat selbst Akte persönlicher Hilfeleistung für eine Sache zu halten scheint, bei der er im Spiel sein muss, fiskalisch gesehen. Individuelle Milde, nennen wir sie das Prinzip Gigi, wird kriminalisiert, denn Fürsorge gilt als eine Angelegenheit des Staates, für die er seinen Bürgern Steuern abknöpft.
FAQ - Instrumente zum Kampf gegen Steuerbetrug
Seit 2005 informieren sich fast alle EU-Länder gegenseitig über Zinseinkünfte von Anlegern aus anderen Mitgliedstaaten, damit diese am Wohnsitz des Betroffenen versteuert werden können. Österreich und Luxemburg nahmen aus Sorge um ihr Bankgeheimnis, das sie als Standortvorteil pflegen, eine Ausnahme in Anspruch und führten stattdessen anonym eine Quellensteuer ab. Beide Länder wollen sich dem automatischen Informationsaustausch nach der EU-Zinsbesteuerungsrichtlinie anschließen, sobald die EU neue Zinssteuer-Abkommen mit europäischen Nicht-EU-Staaten, allen voran die Schweiz, ausgehandelt hat. Das Mandat an die EU-Kommission dazu wurde mit Zustimmung Luxemburgs und Österreichs vergangene Woche erteilt.
Die neuen Abkommen mit der Schweiz, Liechtenstein, Andorra, Monaco und San Marino sind notwendig, um bestehende Vereinbarungen der schon seit 2008 geplanten Reform der Zinsbesteuerungsrichtlinie anzupassen. Die EU-Kommission hatte damals vorgeschlagen, Schlupflöcher zu schließen. Erfasst werden sollen Zinseinkünfte künftig nicht nur bei Banken, sondern auch bei Investment- und Pensionsfonds, anderen Finanzinstrumenten sowie Zinszahlungen von Stiftungen. Die EU-Staaten nehmen sich jetzt vor, die Reform bis Jahresende zu beschließen.
Der Datenaustausch über andere Einkünfte von EU-Ausländern ist in der EU-Richtlinie zur Verwaltungszusammenarbeit geregelt. Danach müssen sich die Staaten ab 2015 über Arbeitseinkommen, Vorstandsgehälter, Lebensversicherungen, Pensionen und Immobilieneinkünfte informieren. Diese Vorschriften sollen jetzt auf Dividenden und andere Kapitaleinkünfte ausgeweitet werden. Dazu will die Kommission im Juni einen Vorschlag machen. Damit kommt sie auch der Forderung Deutschlands und vier anderer EU-Staaten entgegen, die den automatischen Informationsaustausch nach dem Vorbild der jüngst von den USA eingeführten Regeln entsprechend ausdehnen wollen.
Wenig tut sich bisher auf EU-Ebene, um legale Steuervermeidung von Unternehmen einzudämmen. Die EU-Kommission arbeitet an Empfehlungen für die Mitgliedstaaten dazu. Geplant ist bis Jahresende ein Vorschlag zur Änderung der Mutter-Tochter-Gesellschaften-Richtlinie, die bisher die Steuerbefreiung von Tochterfirmen regelt. Auch ein Verhaltenskodex zur Unternehmensbesteuerung soll verschärft werden. Das EU-Parlament fordert außerdem, eine einheitliche Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer einzuführen und die Konzerne zu verpflichten, ihre Steuerzahlungen in einzelnen Ländern offenzulegen. Dadurch würde unfairer Steuerwettbewerb unter den EU-Staaten deutlicher zutage treten. Bisher gilt die Transparenzpflicht nur für Banken und im Energiesektor.
Weit verbreitet in der EU ist der Umsatzsteuerbetrug bei grenzüberschreitenden Geschäften. Das Instrument dagegen ist die "Umkehrung der Steuerschuldnerschaft". Die Mehrwertsteuer muss dabei vom Käufer und nicht vom Verkäufer an den Fiskus abgeführt werden. Damit soll verhindert werden, dass Firmen die Steuer in Rechnung stellen, sie dann aber unterschlagen. Das Verfahren gilt bisher nur für die Mehrwertsteuer im Emissionshandel, nachdem dort massiver Betrug aufgedeckt worden war. Nach dem Vorschlag der Kommission sollte es auch bei kleinen teuren Gegenständen angewendet werden, bei denen der Mehrwertsteuerbetrug besonders verbreitet ist: Computerchips, Mobiltelefone, Edelmetalle und Parfüms.
Über einen "Schnellreaktionsmechanismus" soll einem Mitgliedstaat im Fall von umfangreichem Mehrwertsteuerbetrug als Notfallmaßnahme erlaubt werden, binnen eines Monats die Steuerschuldnerschaft auch bei anderen Waren oder Diensten umzukehren. Beide Gesetze sollen im Juni beschlossen werden.
Ja klar, wo kämen wir hin, wenn jeder selbst entscheiden würde, wie er seine Solidarität mit den Arme und Minderbemittelten auszudrücken beliebt? Der Sozialstaat, wie er sich in Ländern wie Deutschland oder Schweden entwickelt hat, strebt nicht nur nach der Lufthoheit über Kinderbetten, er versteht unter Solidarität vor allem das, was durch seine Hände geschieht. Appelle an die Solidarität der Bürger gelten daher ihrer Eigenschaft als Steuerbürger, nicht den Privatmenschen, die ihre Kinder selbst erziehen oder allein bestimmen möchten, wem sie ihre Hilfsbereitschaft zugutekommen lassen.