Steuersenkungen Großbritanniens Wirtschaftsboom durch Trickle down?

Liz Truss, Premierministerin von Großbritannien, und Kwasi Kwarteng, der neue Finanzminister. Quelle: dpa

Großbritanniens neuer Schatzkanzler hat die weitreichendsten Steuersenkungen seit 50 Jahren angekündigt. Davon profitieren werden aber nur Reiche und Unternehmen. Am Londoner Finanzmarkt brach Freitag das Chaos aus.

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Als Liz Truss im Lauf des Sommers eine überdreht klingende wirtschaftspolitische Ankündigung nach der anderen abgab, waren sich viele Beobachter einig: alles nur Wahlkampfgetöse. Schließlich stand Truss im Finale der Abstimmung um die Nachfolge von Boris Johnson. Die rund 172.000 Mitglieder starke Tory-Basis hatte bis Anfang September Zeit, zu bestimmen, wer Johnson an der Parteispitze ablösen und damit den Posten des Premiers übernehmen sollte.

Diese Basis ist Studien zufolge überwiegend im vorgerückten Alter, männlich, weiß, gut situiert, extrem konservativ und zutiefst EU-kritisch eingestellt. Entsprechend plakativ fielen die Wahlkampfslogans aus: Die astronomischen Zufallsgewinne im Energiesektor? Würde sie nicht anrühren, ließ die ehemalige Shell-Mitarbeiterin Truss wissen. Den Fracking-Stopp aus dem Jahr 2019? Sofort aufheben. Über Solaranlagen äußerte sie sich bei einer Wahlkampfveranstaltung abfällig, zu großem Applaus. Und Truss stellte umfangreiche Steuersenkungen in Aussicht, von denen bewusst vor allem Vermögende profitieren sollten. Finanzieren würde sie das durch Kredite, die der Staat an den Finanzmärkten aufnehmen würde. Der anschließende Boom würde die geleerte Staatskasse wieder füllen. Alles kein Problem.

Selbst eingefleischte Polit-Profis waren sich sicher, dass Truss zurückrudern und nach ihrem Amtsantritt ausgewogenere Pläne vorstellen würde. Schließlich steckt das Land aus Sicht der Bank of England schon jetzt in einer Rezession. Die Inflation liegt bei etwa zehn Prozent. Millionen von Haushalten wissen nicht, wie sie über den Winter kommen sollen. Eigentlich nicht die Zeit für radikale wirtschaftspolitische Experimente.

Doch als der neue Schatzkanzler Kwasi Kwarteng am Freitag die tatsächlichen Pläne der Regierung vorstellte, kamen viele Beobachter aus dem Staunen nicht mehr heraus. Kwarteng stellte mit seiner Ankündigung Truss“ extreme Rhetorik aus dem Sommer in den Schatten.

Die Regierung habe „das größte Paket an Steuersenkungen in Generationen“ geschnürt, erklärte Kwarteng, als er am Freitag im Unterhaus des Parlaments ans Rednerpult trat. Damit solle „das klare Signal“ ausgesandt werden, dass Wachstum die Priorität der Regierung sei, fügte er hinzu.
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Der Minister kündigte die Abschaffung des Spitzensteuersatzes bei der Einkommenssteuer in Höhe von 45 Prozent an. Dieser Steuersatz wird nur auf Einkommen über 150.000 Pfund im Jahr fällig. Spitzenverdiener müssen ab dem Frühjahr nur noch die 40 Prozent entrichten, die ab 50.000 Pfund abzuführen sind. Für die unteren Einkommen fällt die Steuersenkung bescheidener aus: Auf Einkommen bis 50.270 Pfund werden ab dem kommenden Frühjahr nur noch 19 Prozent Steuern erhoben anstatt bislang 20 Prozent. Der Schatzkanzler nahm zudem mehrere geplante Steuererhöhungen zurück, die Johnsons Regierung in Gang gesetzt hat, um für die Kosten der Pandemie aufzukommen.

Kwarteng erklärte, die Regierung werde sich nicht dafür „entschuldigen“, dass sie sich auf ein größeres Wachstum konzentriere. „Zu lange haben wir uns in diesem Land einem Umverteilungskampf hingegeben. Jetzt müssen wir uns auf das Wachstum konzentrieren, und nicht nur darauf, wie wir Steuern erheben und Geld ausgeben.“

Was er damit meinte, wurde umgehend klar: Kwarteng bestätigte Gerüchte, wonach die Regierung das Limit bei den Boni für Banker zurücknehmen wird. Diese Zusatzzahlungen durften nach der Finanzkrise 2008 nur noch das Doppelte des regulären Einkommens betragen. So sollte der Anreiz für jene Exzesse gemindert werden, die zu der Finanzkrise beigetragen haben. Großbritannien wolle so seinen Status als „führendes Finanzzentrum bestätigen“, sagte Kwarteng den Abgeordneten.

Kwarteng nahm auch die geplante Erhöhung der Körperschaftssteuer, die Unternehmen auf ihre Gewinne zahlen müssen, von 19 auf 25 Prozent zurück. Großbritannien bleibt somit weit unter dem Durchschnitt bei den G7-Nationen, der derzeit bei 26,7 Prozent liegt.

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