Streiks verursachen Schäden in Milliardenhöhe Wie die EU die Macht der Fluglotsen brechen will

Fluglotsen sollen künftig den Verkehr an Europas Himmel nicht mehr lahmlegen können. Die EU-Kommission reagiert mit einem Vorschlag auf Klagen der Luftlinien - und könnte am Ende zu extremen Mitteln greifen.

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Eine Anzeigetafel am Flughafen Berlin-Tegel. Quelle: REUTERS

Es ist eine kleine Gruppe mit großer Macht, die Passagiere regelmäßig behindert. Wenn Fluglotsen in Europa die Arbeit niederlegen, dann geht am Himmel nichts mehr. Als französische Fluglotsen etwa Anfang März für fünf Tage streikten, mussten Fluglinien 1.500 Flüge absagen. Eine Million Passagiere waren nach Angaben des europäischen Luftfahrtverbands A4E gestrandet. Der Protest hatte weit über Frankreich hinaus Auswirkungen. Passagiere aus Deutschland kamen nicht mehr nach Spanien und Portugal, weil der französische Luftraum dicht war.

Der Streik im März war einer von vielen. Zwischen 2005 und 2016 mussten in Europa 243.660 Flüge gestrichen werden, weil Fluglotsen die Arbeit niederlegen. Als besonders streikfreudig erwiesen sich dabei die Franzosen.

Die EU-Kommission will die Eigenmächtigkeiten der kleinen Gruppe von Staatsbediensteten nicht mehr hinnehmen. An diesem Donnerstag wird sie Vorschläge vorlegen, damit die Fluglotsen Europas Flugverkehr nicht mehr zum Erliegen bringen. Die Papiere liegen WirtschaftsWoche Online bereits vor.

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Die EU-Kommission geht mit ihrem Vorstoß auf die Klagen der Branche ein. Michael O´Leary, der eigenwillige Chef des Billigfliegers Ryanair, kritisiert seit Jahren, dass Brüssel den Streiks „untätig“ zusehe. Der Ire fordert weit lauter als seine Kollegen von anderen Fluggesellschaften, dass die Politik gegen die „hochbezahlten Bürokraten“ vorgehen müsse.

In der Sache ist sich die Branche allerdings einig, die Streiks belasten alle Fluglinien. Für den Zeitraum 2005 bis 2016 beziffert die EU-Kommission den Schaden für die Airlines auf eine Milliarde Euro, was als konservativer Wert gilt.

Berlin hat zwei der schlechtesten Flughäfen der Welt
Flop 5: London Luton Airport Quelle: imago images
Flop 5: Berlin-Schönefeld Quelle: dpa
Flop 3: Berlin-Tegel (TXL)Tegel löst Schönefeld als unbeliebtesten Flughafen Berlins und auch bundesweit ab. Mit nur 3,3 Sternen bewerten ihn die Kunden noch knapp schlechter als den kleinen Bruder. Die Autoren liefern auch gleich einen Grund für das schlechte Abschneiden der Hauptstadtflughäfen mit: Die Fertigstellung des Flughafens Berlin Brandenburg (BER) verzögert sich seit Jahren immer wieder. Da er die beiden älteren Flughäfen ersetzen soll, werde sie nicht mehr modernisiert. Das macht sich inzwischen wohl bemerkbar. Quelle: imago images
Flop 2: Flughafen Rom-Ciampino (CIA)Viele Billigfluglinien nutzen den kleineren der beiden römischen internationalen Flughäfen im Südosten der Stadt. Das scheint auch seine Gründe zu haben: Mit 3,21 Sternen liegt er nur ganz knapp hinter dem unbeliebtesten Flughafen der Welt. Quelle: imago images
Flop 1: Mohamed V International Airport Casablanca (CMN) Quelle: imago images
Top 5: Flughafen München Quelle: dpa
Top 4: Flughafen Kopenhagen-Kastrup (CPH) Quelle: imago images

Die Fluglinien stören sich vor allem dran, dass sie auf den Folgekosten der Streiks sitzen bleiben. Streiks wirbeln die knapp kalkulierten Flugpläne durcheinander, so dass nach dem Ende des Ausstands Verspätung unvermeidbar sind. Bei Verspätungen sichert eine EU-Verordnung den Passagieren aber umfangreiche Rechte zu, bei einer Verspätung von drei Stunden zwischen 250 und 600 Euro, je nach Länge der Flugstrecke.

Die Fluglinien sehen die bisherige Situation als unausgeglichen. Einerseits bürdet ihnen die Politik Kosten auf, weil Passagiere entschädigt werden müssen. Andererseits sorgt die Politik bisher nicht dafür, dass der Verkehr fließt.

EU droht mit extremeren Maßnahmen

Nun reagiert die EU-Kommission, die das grundsätzliche Recht auf Streiks nicht antasten will. In einem ersten Schritt schlägt sie den Mitgliedsstaaten in ihrer Empfehlung vor, für einen besseren Dialog zwischen den Sozialpartnern im Bereich Flugverkehr zu sorgen, damit die Wahrscheinlichkeit von Streiks sinkt. Gewerkschaften sollen Streiks künftig rechtzeitig ankündigen, genannt werden 14 Tage Vorlauf. Einzelne Fluglotsen sollen den Streik 72 Stunden vorher noch absagen können.

Wichtig ist aber der Gedanke, dass künftig ein Streik der nationalen Fluglotsen den Überflug eines Landes nicht mehr behindern soll. Die EU-Kommission fordert 100 Prozent Kontinuität der Überflüge bei Streiks. Außerdem fordert sie, dass Streiks zu Spitzenreisezeiten, also etwa morgens oder abends oder während der Ferien vermieden werden sollen.

Das sind Deutschlands unpünktlichste Airports
Platz 13: Hannover-Langenhagen Quelle: dpa Picture-Alliance
Platz 12: Stuttgart Quelle: dpa
Platz 11: Leipzig/Halle Quelle: dpa
Platz 10: Köln/Bonn Quelle: dpa
Platz 9: Bremen Quelle: dpa Picture-Alliance
Platz 8: Nürnberg Quelle: dpa Picture-Alliance
Platz 7: Berlin-Schönefeld Quelle: dpa Picture-Alliance

Es handelt sich um eine erste Eskalationsstufe. Nun ist es an den Mitgliedsstaaten, die Empfehlungen umzusetzen. Passiert dies nicht, dann will die EU zu extremeren Mitteln greifen. Sie beruft sich dabei auf die Grundfreiheiten, wonach Personen und Waren im Binnenmarkt ungestört verkehren sollen.

Die Kommission droht damit, dass im Extremfall Fluglotsen aus anderen Ländern sogar die Kontrolle über einen anderen Luftraum übernehmen könnten. Das würde Blockaden künftig ausschließen, wäre aber ein Eingriff in die Souveränität eines Landes. Die EU-Kommission argumentiert, dass es im öffentlichen Interesse ist, den Flugverkehr aufrecht zu halten. In manchen Mitgliedsstaaten der EU gibt es Gesetzgebung, die sicherstellt, dass bei öffentlichen Verkehrsmitteln auch bei Streik ein Mindestmaß an Service aufrechterhalten werden muss.

Mit welchen Airlines Sie pünktlich landen – und mit welchen nicht
Platz 10: Qantas: (Australien)Aus über 500 Quellen haben die Experten von Flightstats ausgewertet, wie viele Flüge der internationalen Airlines im Jahr 2016 mit Verspätung gelandet sind. In der Rangliste der großen Fluggesellschaften kommt die australische Qantas mit 15,7 Prozent unpünktlichen Flügen auf Platz zehn.Quelle: Flightstats/Bloomberg Quelle: REUTERS
Platz 9: TAM Linhas Aéreas (Brasilien):Die Airline ist die brasilianische Tochter des südamerikanischen Luftfahrtkonzerns Latam. 2016 waren 14,93 Prozent der Landungen verspätet. Quelle: REUTERS
Platz 8: Delta Air Lines (USA)Die größte Airline der USA fliegt von ihrem Knotenpunkt Atlanta aus Ziele weltweit an. Das Unternehmen führte 2016 rund 1,9 Millionen Flüge an – nur 14,83 Prozent davon kamen verspätet an. Quelle: AP
Platz 7: Singapore Airlines (Singapur)Die Fluglinie aus dem ostasiatischen Stadtstaat fliegt Ziele auf der ganzen Welt an. Von den gut 85.000 Flügen im Jahr 2016 kamen 14,55 Prozent unpünktlich an. Quelle: dpa
Platz 6: ANA (Japan)All Nippon Airways ist die größte japanische Airline. Im vergangenen Jahr landeten 14,46 Prozent der Flüge mit Verspätung. Quelle: REUTERS
Platz 5: Austrian (Österreich)Die Lufthansa-Tochter aus Österreich hat es mit ihrer Pünktlichkeitsbilanz auf den fünften Platz geschafft. 14,26 Prozent der Ankünfte waren 2016 verspätet. Quelle: dapd
Platz 4: Qatar Airways (Katar)Von den angriffslustigen Airlines vom persischen Golf hat es nur die Fluggesellschaft aus dem Emirat Katar in die Spitze geschafft. Hier kamen vergangenes Jahr 13,66 Prozent der Flüge zu spät an. Quelle: AP

Auch wenn die EU-Kommission schrittweise vorgeht und nicht gleich das schärfste Instrument hervorholt, sind die Carrier zufrieden, dass ihr Problem erkannt wurde.

Für den Luftfahrtverband A4E ist es der erste große Erfolg seit seiner Gründung Anfang 2016. Weil Carrier ihre Interessen in Europa nicht ausreichend gut vertreten sahen, verließen die Lufthansa, Air France KLM und die British Airways Mutter IAG ihren damaligen Verband und taten sich in der A4E unter anderem mit den Billigfliegern Ryanair und Easyjet zusammen.
Das Kalkül der Airline-Oberen scheint sich in diesem Fall auszuzahlen.

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