Streit um Airbus und Boeing EU, USA und pausierende Strafzölle: Kalter Frieden

Die Präsidentin der EU-Kommission Ursula von der Leyen und US-Präsident Joe Biden beim Treffen in Brüssel: Entspannung, aber keine Lösung der Handelskonflikte. Quelle: AP

Das Einfrieren des Dauerkonflikts um Airbus/Boeing entspannt das transatlantische Verhältnis. Doch der Weg aus den zahlreichen Handelskonflikten ist immer noch weit.

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Dass gute Nachrichten in der Luft lagen, deutete Joe Biden bereits vor seinem Treffen mit den Staats- und Regierungschefs der EU an. Ob es eine Einigung im Streit um die Subventionierung der Flugzeugbauer Airbus und Boeing gebe, rief ein Reporter dem US-Präsidenten zu. Biden schwieg, doch er kreuzte die Finger. Das Signal war deutlich: Heute steht ein Durchbruch an.

Kurz darauf verkündeten die Europäische Union und die Vereinigten Staaten dann tatsächlich ein Ergebnis: Der Konflikt wird für fünf Jahre eingefroren. Beide Seiten nehmen für diesen Zeitraum die gegenseitigen Strafzölle zurück, mit denen sie sich in den vergangenen Jahren überzogen hatten. Insgesamt geht es um Waren im Wert von 11,5 Milliarden Dollar. Allein von 2019 bis 2020 hatten die Zölle Unternehmen auf beiden Seiten des Atlantiks rund 3,3 Milliarden Dollar gekostet.

Für die betroffenen Firmen ist die Verschnaufpause damit ein Grund zum Aufatmen. Allerdings legt das nun verkündete Abkommen den Konflikt nicht bei. Der längste Handelsstreit der WTO-Geschichte tritt damit zwar für den Moment in den Hintergrund, dort muss er jedoch nicht bleiben. So teilte Katherine Tai, die US-Handelsbeauftragte, bereits mit, dass die amerikanischen Strafzölle jederzeit wieder in Kraft gesetzt werden könnten, sollte die EU gegen die Auflagen der Einigung verstoßen.

Dass sich die USA bemüßigt sehen, eine solche Selbstverständlichkeit am Tag des Abkommens explizit zu betonen, zeigt allerdings auch, unter welchem innenpolitischen Druck die Biden-Administration in Handelsfragen steht. Die andauernden Handelskonflikte, die Ex-Präsident Donald Trump in den vier Jahren seiner Amtszeit auslöste, haben der US-Wirtschaft zwar geschadet, in Teilen der Öffentlichkeit waren sie allerdings populär. Sein Nachfolger kann sich auf diesem Gebiet deshalb kaum Schwäche erlauben. Dass Biden sich mit den Europäern nun auf eine bessere Zusammenarbeit im Umgang mit China einigen konnte, dürfte ihm an dieser Front zwar ein bisschen Luft verschaffen, doch viel Spielraum hat das amerikanische Staatsoberhaupt nicht.

Entsprechend vorsichtig geht Biden die Handelspolitik an. Die Airbus-Boeing-Einigung lobte er als „bedeutenden Durchbruch“, im gleichen Statement betonte er jedoch die Bedeutung fairer Handelspraktiken für amerikanische Unternehmen und ihre Mitarbeiter sowie die Zusammenarbeit gegen China. Die „Außenpolitik für die Mittelschicht“, die er den Amerikanern versprochen hat, bleibt in Zollfragen also zurückhaltend. Das ist nicht mehr Trumps „America First“, aber eine volle Rückkehr zur Freihandelsdoktrin der Vergangenheit ist es auch nicht.

Für die weiteren Handelskonflikte zwischen Washington und Brüssel ist das keine gute Aussicht. Wenn schon im Boeing/Airbus-Streit keine dauerhafte Lösung möglich war – und damit in einem Konflikt, den beide Seiten längst nicht mehr wollen und der angesichts der absehbaren Konkurrenz durch chinesische Flugzeugbauer längst ein enormes Risiko für beide Akteure darstellt – wie soll es dann bei umstritteneren Themen Fortschritte geben?

Biden scheint darauf im Moment keine Antwort zu haben. Als der Präsident am Rande des G7-Gipfels über die Zukunft der amerikanischen Strafzölle auf Aluminium und Stahl gefragt wurde, reagierte er leicht patzig. „120 Tage“, raunzte er ins Mikrofon. „Brauche Zeit“. Dann verließ er abrupt die Pressekonferenz. Doch Zeit allein löst keinen Handelskrieg. Der Boeing/Airbus-Konflikt zog sich bis zur heutigen Einigung immerhin über 17 Jahre hin. Und beigelegt ist er immer noch nicht.

Mehr zum Thema: Vor dem Europa-Besuch von US-Präsident Joe Biden stehen die Zeichen auf Entspannung. Doch Stahlzölle und neue Spionagevorwürfe belasten den transatlantischen Neuanfang. Honeymoon? Von wegen!

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