
Die Richter verpassten der Bundesrepublik das Kürzel DmbH – Deutschland mit beschränkter Haftung. Die Verträge können nur mit völkerrechtlich bindenden Vorbehalten ratifiziert werden: Die Haftungssumme Deutschlands (derzeit 190 Milliarden Euro) darf nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Bundestages steigen; die Geheimhaltungspflicht der ESM-Gremien darf nicht bedeuten, dass die Parlamentarier keine Informationen erhalten.





Spannender sind die Konsequenzen, die ein kleiner Zusatz im Urteil andeutet: dass die Bundesrepublik „an den ESM-Vertrag insgesamt nicht gebunden sein kann, falls sich die von ihr geltend zu machenden Vorbehalte als unwirksam erweisen sollten“. Deutschland kann also immer noch die Notbremse ziehen. Der Streit um die Euro-Rettung ist mit dem Urteil nicht beendet.
Wie geht es weiter mit dem ESM?
Der Nachfolger des „Rettungsschirms“ EFSF soll mit einem Stammkapital von 700 Milliarden Euro Mitgliedstaaten der Eurozone unterstützen, die in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Eigentlich sollte er schon zum 1. Juli starten.
Der ESM tritt in Kraft, sobald ihn so viele Mitgliedstaaten ratifiziert haben, dass sie mit ihren Anteilen gemeinsam 90 Prozent des Stammkapitals stellen.
Bisher haben 13 der 17 Euro-Länder den ESM ratifiziert: Griechenland, Portugal, Slowenien, Frankreich, Spanien, Zypern, Finnland, Belgien, die Slowakei, Irland, Luxemburg und zuletzt in der
vergangenen Woche die Niederlande und Österreich. In Estland prüft den Vertrag das Verfassungsgericht, das am 12. Juli entscheidet. In Italien und Malta muss der ESM noch durch die Parlamente.
Warnung an die Euro-Partner
Herta Däubler-Gmelin, ehemalige Bundesjustizministerin und Prozessbevollmächtigte einer Gruppe von Klägern vor dem Bundesverfassungsgericht, fordert wasserdichte Formulierungen: „Im nächsten Schritt muss man nun sehr genau darauf achten, wie Regierung und Bundestag die Umsetzung dieser völkerrechtlichen Vorbehalte formulieren.“ Denn das verpflichte beide in ihren weiteren Schritten. Ohnehin wäre Deutschland nicht an den ESM-Vertrag gebunden, sofern er gebrochen wird. Die Wiener Vertragskonvention regelt, dass ein Staat aus einem völkerrechtlichen Vertrag aussteigen kann, wenn – so würden es Kaufleute sagen – die Geschäftsgrundlage entfallen ist. „Dasselbe gilt auch für den Maastricht-Vertrag oder für den ESM-Vertrag“, betont der Verfassungsrechtler Rupert Scholz, einer der führenden Grundgesetzkommentatoren.
Der vom Verfassungsgericht beschriebene Notausgang sei deshalb nicht rechtlich bedeutsam, sondern eine öffentliche Warnung an die Euro-Partner: Hier muss Deutschland hart bleiben, und es könnte im Notfall auch aussteigen. Rein rechtlich könnten Kanzleramt, Außen- und Finanzministerium die Textergänzung ohne die Beteiligung des Parlaments verfassen. Scholz empfiehlt aber: „Die Bundesregierung wäre schlecht beraten, das nicht mit dem Bundestag abzustimmen. Das wird noch etwas dauern.“