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Streitgespräch Rückkehr zur D-Mark? "Au weia"

Im Kampf um den Euro lässt die Sparpolitik der Staaten das Wachstum sinken und eine neue Bankenkrise bedroht die Realwirtschaft. Vier renommierte Ökonomen im Disput über Konjunktur, Krisenintervention und Europa.

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Michael Hüther Quelle: Oliver Rüther für WirtschaftsWoche

WirtschaftsWoche: Herr Bofinger, Herr Hüther, Herr Schilbe, Herr Voth, Europas Staats- und Regierungschefs unternehmen alles, um den Euro zu retten. Werden sie es schaffen?

Schilbe: Was die Politik beschlossen hat, geht zwar in die richtige Richtung, ich bezweifle aber, dass die geplanten nationalen Schuldenbremsen und Sanktionsmechanismen gegen Schuldensünder ohne politische Tricksereien umgesetzt werden. Zudem ist das Reformpaket eher langfristig angelegt. Die Finanzmärkte haben aber – leider – eine sehr kurzfristige Sicht auf die Dinge. Deshalb gibt es am Anleihemarkt weiter massenhaft Verkäufer, aber kaum noch Käufer; Banken und Versicherungen halten sich schon aus eigenem Interesse zurück. Meine Prognose ist, dass die Anleiherenditen vorerst auf hohem Niveau bleiben und es zu weiteren Herabstufungen durch die Ratingagenturen kommt.

Bofinger: Ich bin ähnlich skeptisch. Wir müssen zwei zentrale Aufgaben lösen: erstens die Finanzmärkte stabilisieren, zweitens eine konjunkturelle Abwärtsspirale verhindern. Bei beiden Zielen hilft das Maßnahmenpaket der Politik nicht weiter. Es wird frühestens in ein bis zwei Jahren in Kraft treten können. Die Zukunft der Währungsunion entscheidet sich aber in den nächsten sechs Monaten.

Zu den Personen

Hüther: Ich sehe das optimistischer als Sie. Die Spanier hatten zuletzt keine Probleme, ihre Anleihen zu platzieren – zu günstigeren Zinsen als vor dem jüngsten EU-Gipfel. Das kommt doch nicht von ungefähr! Die Brüsseler Beschlüsse sind ein starkes Signal. Dass die Staatshaushalte künftig von Brüssel überwacht werden, ist im Vergleich zur bisherigen Qualität der europäischen Fiskalintegration ein qualitativer Sprung. Wir sollten auch nicht so tun, als ließen sich die massiven Probleme von heute auf morgen lösen. Die Haushaltskonsolidierung und die Restrukturierung ganzer Volkswirtschaften brauchen nun mal Zeit.

Voth: Glauben Sie ernsthaft, die Franzosen würden jemals eine von der EU verhängte Sanktionszahlung akzeptieren? Niemals! Wenn wir etwas in dieser Krise gelernt haben, dann dies: Europäisches Papier ist unendlich geduldig. Die Regierungen haben nahezu jedes Stabilitätsversprechen gebrochen, sobald es ihnen opportun erschien. Es war im vergangenen Jahrzehnt eine Todsünde der Politik zu glauben, man könne einen juristisch-formalen Prozess an die Stelle einer politischen Union setzen.

Schilbe: Mir ist auch nicht klar, wie die Politik ihre Glaubwürdigkeit wiedererlangen will. Die Finanzmärkte haben die Aufweichung des Stabilitätspakts aufmerksam registriert. Und auch jetzt, bei den neuen Plänen, dürfte es mannigfaltige Schlupflöcher geben, Sanktionen zu umgehen, etwa durch Umbuchungen von Schulden in Schattenhaushalte. Ob die jüngsten Beschlüsse wasserdicht sind, wird sich erst im Ernstfall zeigen.

Voth: Mich stört auch die politische Fokussierung aufs Sparen. Diese Krise zeigt wie in einem ökonomischen Großexperiment, dass massive Ausgabenkürzungen die Volkswirtschaften schrumpfen lassen. Ob ein bestimmtes Land 2015 einen Primärüberschuss von drei Prozent erreicht, ist den Märkten heute ziemlich wurscht, viel wichtiger ist die Frage, ob eine Staatsanleihe noch Käufer findet und wie sich die Banken refinanzieren können.

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