Streitgespräch "Bei Spanien müssen wir höllisch aufpassen"

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Spanien und Italien

Sahra Wagenknecht Quelle: Christof Mattes für WirtschaftsWoche

Das ist zumindest für Spanien zutreffend, das derzeit auf der Kippe steht. Experten sehen dort sogar die Gefahr einer Deflation. Die US-Bank Citigroup sieht in zwei, drei Jahren die Inflationsraten in Spanien und Italien bei 0,7 und 0,2 Prozent.

Sarrazin: Ich würde mich freuen, wenn wir eine Inflation verhindern könnten. Denn fallende Preise sind per se nicht schlimm. Gerade die südeuropäischen Staaten würden über einen Preisverfall jubeln. Das gäbe ihnen die Chance, mal durchzuatmen. Doch mittel- und langfristig ist die Inflationsgefahr in Europa gleichwohl groß – vor allem, wenn wir weiter eine falsche Politik betreiben.

Grafik Staatsanleihenkäufe

Was muss sich in Europa ändern?

Wagenknecht: Ursache der Staatsschuldenkrise ist die Bankenkrise. Man sollte nicht länger an den Symptomen herumdoktern und den Steuerzahler dafür büßen lassen. Wir brauchen endlich eine strikte Regulierung des Finanzsektors.

Sarrazin: Den Banken geht es nicht so gut, wie sie behaupten. Gehen wir mal die Banken in Deutschland durch: Wir haben nur noch eine wirklich kapitalistische Bank, das ist die Deutsche Bank. Deren Aktienkurs hat sich in den vergangenen sieben Jahren halbiert. Dann gibt es einige Staatsbanken, die Sparkassen, den öffentlich-rechtlichen Sektor. Das war’s.

Wagenknecht: Dafür, dass es den Banken so schlecht geht, schütten sie aber europaweit nach wie vor verdammt viele Boni und Dividenden aus.

Porträt eines Provokateurs
Thilo Sarrazin Quelle: dpa
Thilo Sarrazin Quelle: dpa
Thilo Sarrazin Quelle: dapd
Thilo Sarrazin Quelle: AP
Bahn Hartmut Mehdorn Quelle: AP
Zwischen 2002 und 2009 ist Sarrazin Finanzsenator in Berlin (hier im Bild mit dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit) und führt eine strenge Haushaltspolitik. Während dieser Zeit setzt er unter anderem Einsparungen von fast 600 Millionen Euro durch und verhängt 2003 eine Haushaltssperre. 2006 lehnt er eine Klage des Landes Berlin ab, das wegen "extremer Haushaltsnotlage" Sanierungshilfen vom Bund gefordert hatte. Quelle: dpa
Sarrazin Schatten Quelle: dpa

Frau Wagenknecht, was wollen Sie eigentlich konkret?

Wagenknecht: Wir brauchen europaweite Mindestlöhne, um das Dumping auf dem Arbeitsmarkt zu beenden. Wir müssen die Banken wieder zu Dienern der Realwirtschaft machen. Außerdem brauchen wir für Unternehmen und Vermögen europaweite Mindeststeuersätze, um den Steuersenkungswettlauf zu beenden. Denn der entlastet vor allem Reiche. Sinnvoll wäre eine europaweite Vermögensabgabe für Millionäre, um die Staatsschulden drastisch zu reduzieren. Letztere haben sich in den vergangenen 15 Jahren verdoppelt, die Millionärsvermögen auch.

Sarrazin: Ich verrate Ihnen eines, Frau Wagenknecht. Schon Ihr großes Vorbild Karl Marx wusste: Kapital ist ein scheues Reh. Sie müssten das Vermögen der Reichen einsperren.

Wagenknecht: Das spricht für Kapitalverkehrskontrollen, die sich in Europa jahrzehntelang bewährt haben. Das wäre auch in Griechenland sinnvoll gewesen.

Sie fordern damit schon den zweiten Vertragsbruch in Europa: Kapitalverkehrskontrollen sind in der EU ebenso verboten wie die Staatsfinanzierung durch die EZB.

Wagenknecht: Untaugliche Verträge sollte man ändern.

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