Studie zur Ökonomie der Migration Europäer begrüßen europäische Zuwanderer

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Ändern Daten die Einstellung?

Dass die Behauptung von Fratzscher - Einwanderung wirke auf lange Sicht grundsätzlich ökonomisch positiv - dennoch stimme, wollen Darvas und Kolleginnen aufgrund einer Übersicht über andere Studien tendenziell bejahen. Es gebe „keine Evidenz, dass Migranten den Einheimischen Jobs wegnehmen“: Die meisten Studien zeigten, dass Immigranten eher neue Jobs schufen. Auch zeigten viele Studien, dass Zuwanderung nur geringe fiskalische Auswirkungen habe. Wobei die Belastung allerdings steige, wenn ganze Familien einwanderten.

Diese Studien beziehen sich allerdings meist auf Arbeitsmigration. Eine Schätzung der Kosten der Flucht- und Asylmigration der jüngeren Vergangenheit durch die Europäische Kommission komme, so Darvas, auf fiskalische Kosten von etwa 0,5 Prozent des jährlichen Bruttoinlandsprodukts für Deutschland - das wären also etwa 15,7 Milliarden Euro. Die Spanne solcher Schätzungen allerdings, was Darvas und Kollegen nicht erwähnen, ist enorm. Einer der höchsten Werte kommt hier vom Kieler Institut für Wirtschaftsforschung mit bis zu 55 Milliarden Euro pro Jahr.

In der abschließenden Podiumsdiskussion stellte die Weltbank-Ökonomin Manjula Luthria mit erfrischender Offenheit fest, dass ökonomische Daten die Einstellung der Menschen (gemeint sind natürlich die Einheimischen) zur Einwanderung überhaupt nicht änderten. Aber diese Einstellungen seien „das größte Hindernis“.

Da hätte endlich eine interessante Diskussion beginnen können. Zum Beispiel mit dem Hinweis, dass diese Daten, wie die Bruegel-Studie selbst zeigt, ja auch gar nicht so eindeutig für den Erfolg der bisherigen Integrationsleistungen sprechen. Dass ausgerechnet Schweden in der Bruegel-Studie zum Integrationsvorbild erklärt wird, könnte der Werbungswirkung für eine bessere Akzeptanz von Einwanderung eher abträglich sein. Schweden, ein Land in dem mittlerweile der Einsatz von Militär im Kampf gegen die Kriminalität erwogen wird, gilt unter Einwanderungskritikern von Nordamerika bis Osteuropa geradezu als Chiffre für das Scheitern der Offenheit.

Man hätte auch zumindest den Versuch einer Erklärung dafür hören wollen, worauf denn die signifikanten Unterschiede im Integrationserfolg zwischen europäischen und außereuropäischen Migranten zurückzuführen seien. Hat Integrationserfolg möglicherweise eben doch auch etwas mit statistisch schwer fassbaren kulturellen Diversitäten, etwa der Religion, zu tun? Die Untersuchungen zum Beispiel des Soziologen Ruud Koopmans legen das sehr nahe.

Den auf dem Podium sitzenden Ökonomen fiel auf eine entsprechende Frage aus dem Publikum aber ebenso wenig ein, wie den Autoren der Bruegel-Studie. Merke: Erhellende Antworten über die Wirklichkeit der Einwanderung und der Integration sind kaum von Ökonomen im Alleingang zu erwarten.  

Übrigens: Die Studie wurde vom „MasterCard Center for Inclusive Growth“ finanziert. Ein Kapitel widmet sich möglicherweise nicht ganz zufällig dem Thema „Finanzielle Inklusion von Flüchtlingen“ und kommt zu dem Schluss, dass hierzu „neue Initiativen“ notwendig seien. Eine der Empfehlungen der Autoren an die Politik lautet dementsprechend, die Regulierung zu lockern. Denn: „Die fortgesetzte Straffung der Finanzregulierung und Aufsicht über den Finanzsektor (...) arbeiten gegen die ökonomische Integration der Flüchtlinge.“

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