Seitdem strategischen Schwenk eskaliert der Konflikt auf beiden Seiten.
Die Regierung wirft der HDP vor, sich nicht ausreichend von der Terrororganisation PKK zu distanzieren.
Die Lage verschärfte sich weiter, als Anfang November fast die gesamte Führungsspitze der HDP inhaftiert wurde, weil sie der Unterstützung terroristischer Organisationen verdächtig wurden. In wie weit die Vorwürfe gerechtfertigt sind, muss noch geklärt werden.
An der absteigenden Gewaltspirale wird sich vorerst nichts ändern. "Unsere dringlichste Aufgabe ist, Rache zu nehmen", sagte Innenminister Süleyman Soylu. Am heutigen Montag wurden abermals 118 Politiker festgenommen. Kampfjets flogen Angriffe gegen Stellungen der PKK im Südosten des Landes. Die PKK oder TAP wird aller Voraussicht nach mit Attentaten zurückschlagen.
Hinzu kommt noch die Gefahr durch den Islamischen Staat. Der IS hatte erst vergangene Woche die Türkei zum bevorzugten Anschlagsziel erklärt.
Schlüsselstaat Türkei
Die Republik Türkei ist laut der Verfassung von 1982 ein demokratischer, laizistischer und sozialer Rechtsstaat. Regiert wird das Land von Ministerpräsident Binali Yildirim und dem Kabinett. Staatsoberhaupt ist Recep Tayyip Erdogan, als erster Präsident wurde er 2014 direkt vom Volk gewählt. Im türkischen Parlament sind vier Parteien vertreten, darunter - mit absoluter Mehrheit - die islamisch-konservative AKP von Erdogan. Parteien müssen bei Wahlen mindestens 10 Prozent der Stimmen auf sich vereinen, um ins Parlament einziehen zu können. Die Türkei ist zentralistisch organisiert, der Regierungssitz ist Ankara. (dpa)
Die Türkei ist seit 1999 Kandidat für einen EU-Beitritt, seit 2005 wird darüber konkret verhandelt. Würde die Türkei beitreten, wäre sie zwar der ärmste, aber nach Einwohnern der zweitgrößte Mitgliedstaat, bei derzeitigem Wachstum in einigen Jahren wohl der größte.
Als Nachbarstaat von Griechenland und Bulgarien auf der einen Seite und Syrien sowie dem Irak auf der anderen Seite bildet die Türkei eine Brücke zwischen der EU-Außengrenze und den Konfliktgebieten des Nahen und Mittleren Ostens.
Seit Beginn des Syrien-Konflikts ist die Türkei als Nachbarstaat direkt involviert. Rund 2,7 Millionen syrische Flüchtlinge nahm das Land nach eigenen Angaben auf. Die türkische Luftwaffe bombardiert allerdings auch kurdische Stellungen in Syrien und heizt so den Kurdenkonflikt weiter an.
1952 trat die Türkei der Nato bei. Das türkische Militär - mit etwa 640 000 Soldaten und zivilen Mitarbeitern ohnehin eines der größten der Welt - wird bis heute durch Truppen weiterer Nato-Partner im Land verstärkt. Im Rahmen der sogenannten nuklearen Teilhabe sollen auch Atombomben auf dem Militärstützpunkt Incirlik stationiert sein.
Nicht nur politisch blickt das Land unruhigen Zeiten entgegen. Denn die Unsicherheit beginnt, sich mehr und mehr auf die Wirtschaft des Landes auszuwirken. Gerade veröffentlichte Zahlen belegen, dass die türkische Wirtschaft im dritten Quartal dieses Jahres um 1,8 Prozent geschrumpft ist - zum ersten Mal seit sieben Jahren. Die Gründe sind vor allem im schrumpfenden Konsum zu suchen. Aber beruhigt sich die politische Lage des Landes sich nicht nachhaltig bald wieder, wird das auch auf die Investitionen durchschlagen. Touristen bleiben schon jetzt aus. Die Lira hat seit der Wahl Trumps zum US-Präsidenten um zehn Prozent und seit Mai 2016 um 20 Prozent verloren.
Keine gute, aber leider momentan die bestmögliche Alternative für Stabilität scheint ausgerechnet in einer Ausweitung der Macht Erdoğans zu bestehen, sagen jetzt sogar Erdogan-Kritiker. Sollte die Verfassungsänderung unter Dach und Fach sein, könnte das Land endlich zur Ruhe kommen, und die einst begonnene Reform-Agenda fortsetzen, die das rasante Wachstum in den Nuller-Jahren ermöglichte und nebenbei Minderheitenrechte stärkte.