Theresa May Der Kontrollverlust

Theresa May verliert immer mehr die Kontrolle. Quelle: rtr, Montage

Die Abgeordneten in London stimmten überraschend dafür, einen No-Deal-Brexit ganz auszuschließen. Die Lage scheint so verfahren, dass fraglich ist, was eine Verlängerung überhaupt bringen soll.

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Es waren erstaunliche Szenen, die sich am Mittwochabend im Parlament in London abspielten: Kurz vor einer Abstimmung drängte die Regierung ihre Abgeordneten überhastet dazu, gegen ihren eigenen Antrag zu stimmen. Die „Einpeitscher“ der Tories, die bei solchen Abstimmungen für Fraktionsdisziplin sorgen sollen, gerieten offenbar in Panik. Sie versuchten, konservative Abgeordnete in Richtung des Vorraumes zu drängen, in dem die „Nein“-Stimmen aufgezeichnet werden. Ohne Erfolg. Der Antrag setzte sich durch.

Deutlicher könnte man den Kontrollverlust kaum versinnbildlichen, den Premierministerin Theresa May gerade erlebt.

Eigentlich wollte sie den Abgeordneten lediglich die Abstimmungsmöglichkeit geben, ob sie dagegen sind, dass es zum offiziellen Termin in zwei Wochen zu einem No-Deal-Brexit kommt – also zu einem ungeregelten EU-Austritt ohne Abkommen. Doch dann ergriff eine parteiübergreifende Gruppe von Abgeordneten die Initiative und reichte einen Änderungsantrag ein, in dem ein No-Deal-Brexit grundsätzlich ausgeschlossen wird. Dieser Änderungsantrag, über den zuerst abgestimmt wurde, setzt sich überraschend mit knapper Mehrheit durch. Die Regierung reagierte geschockt und wies ihre Abgeordneten eilig an, gegen ihren eigenen Hauptantrag zu stimmen.

Dabei unterlag sie nicht nur. Rund ein Dutzend Regierungsmitglieder enthielt sich der Stimme, unter ihnen vier hochrangige Minister. Sarah Newton, Juniorministerin im Ministerium für Arbeit und Rente, widersetzte sich der Weisung ganz und trat von ihrem Posten zurück. Eigentlich müsste May jetzt alle Minister entlassen, die ihrer Weisung nicht gefolgt sind. Doch sie ist so geschwächt, dass sie sich so etwas derzeit nicht leisten kann. Auch das spricht Bände über Theresa Mays Autoritätsverlust.

Damit ist das Risiko, dass Großbritannien Ende des Monats ohne ein Abkommen aus der EU stürzen könnte, jedoch noch nicht gebannt. Denn der Brexit-Termin bleibt sowohl gemäß britischem als auch EU-Recht der 29. März. Aber mit ihrer Entscheidung haben es die Abgeordneten für die Regierung so gut wie unmöglich gemacht, aktiv auf einen No-Deal-Brexit hinzuarbeiten.

Eine sichtlich angeschlagen wirkende Theresa May rief die Abgeordneten nach den Abstimmungen dazu auf, sich schnell auf einen gemeinsamen Kurs gegenüber der EU zu verständigen. Sollte das bis zum EU-Gipfel kommende Woche gelingen, werde sie um eine kurze Verschiebung des Brexit-Termins bitten. Ansonsten drohe eine lange Verschiebung – oder ein Scheitern des Brexits, warnte May. Viele Abgeordnete quittierten diese Äußerung mit lautem Johlen.

Die Abgeordneten sollen nun am Donnerstagabend darüber entscheiden, ob May die EU um eine Verschiebung bitten soll. Es könnte erneut zu überraschenden Wendungen kommen.

Die Abstimmung am Mittwoch war notwendig geworden, weil die Abgeordneten am Dienstag bereits zum zweiten Mal mit einer haushohen Mehrheit gegen den Brexit-Deal stimmten, den Theresa May aus Brüssel mit nach Hause gebracht hat. Mitte Januar haben sie das Abkommen schon einmal abgelehnt – und das mit einer historischen Mehrheit.

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