Theresa Mays Führungsstil Kann der „Maybot“ das Ruder noch herumreißen?

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Zieht May die roten Linien nach?

Auch im Hinblick auf den EU-Ausstieg verschanzte sie sich lange Zeit hinter der inhaltslosen Formel „Brexit heißt Brexit“. Im persönlichen Umgang wird May als gehemmt und steif beschrieben, sie hat wenig enge Freunde, es mangelt ihr an jenem kommunikativen Gen, das die Vorrausetzung dafür ist, mit dem politischen Gegner Kompromisse zu schließen. Anders als der frühere US-Präsident Bill Clinton verfügt May nicht über einen Funken politischer Empathie und sie hat weder Humor noch Esprit. Kontakte zu Labour-Politikern beschränkte sie in den zweieinhalb Jahren ihrer Amtszeit auf das absolute Minimum und bezog die Opposition und die Gewerkschaften niemals in ihre Brexit-Gespräche ein.

Ihre unflexible, unnahbaren Persönlichkeit und ihr autoritärer Führungsstil sind das eine große Hindernis, das zweite liegt in ihren politischen Prinzipien, den sogenannten „roten Linien“, an denen sie glaubt, unbedingt festhalten zu müssen. Schließlich sei es ihre Pflicht, Großbritannien aus der Europäischen Union zu führen, bekräftigte sie am Mittwochabend.

Hier zeigt sich das zweite Problem: die roten Linien, Mays nicht verhandelbare Grundsätze, schränken die Spielräume für einen künftigen Kompromiss enorm ein. Denn sie legen fest, dass Großbritannien den Binnenmarkt und die Zollunion verlassen muss, die Freizügigkeit abschafft und die Jurisdiktion des Europäischen Gerichtshofes nicht mehr länger anerkennt. Verhandlungen bestehen aber nun mal aus Geben und Nehmen, eine solche Festlegung ist also kontraproduktiv.

Schließlich betonte Chefunterhändler Michel Barnier erst am Dienstag vor dem Europaparlament, „falls das Vereinigte Königreich künftig eine Änderung seiner roten Linien zulässt, wäre die EU sofort bereit zu einer positiven Antwort“. Allerdings nur dann. Barnier machte gleichzeitig deutlich, wo seine eigene rote Linie verläuft: eine harte Grenze zwischen Irland und Nordirland dürfe es nicht geben.

Mays Prinzipien sind zudem weder mit Labours Forderung nach einem dauerhaften Verbleib in der Zollunion noch mit den Wünschen anderer Oppositionsparteien und den Ansichten der Pro-Europäer in der Tory-Partei vereinbar, sondern entsprechen vor allem der kompromisslosen Haltung der konservativen Brexit-Hardliner, die im Parlament eine Minderheit sind. Ein konsensfähiger Kompromiss wird letztlich nur möglich sein, wenn die Premierministerin ihre roten Linien aufgibt und einen weicheren Brexit-Kurs ansteuert.

Dann allerdings muss sie mindestens 100 oppositionelle Abgeordnete auf ihre Seite ziehen, um einen solchen soften Brexit über die parlamentarischen Hürden zu bringen. Am Mittwochabend appellierte sie an alle Abgeordneten ihre Eigeninteressen hintenanzustellen, um im Interesse der Nation die Hängepartie zu überwinden. Das aber muss auch für May selbst gelten, die bisher mit ihrer inflexiblen Haltung vor allem eine Spaltung ihrer eigenen Partei zu verhindern suchte und dabei die eigentlichen Interessen Großbritanniens außer Acht ließ.

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