Thronrede der Queen Für Theresa May beginnt die schwierigste Phase

Premierministerin Theresa May legt ihr Zwei-Jahres-Programm vor. Ob ihre Minderheitsregierung gegen lauter werdende Kritik am Brexit-Kurs so lange durchhält, ist zweifelhaft.

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Die britische Königin Queen Elizabeth II eröffnet am 21.06.2017 die Sitzungsperiode des Parlaments. Quelle: dpa

In knapp 15 Minuten war alles vorbei: Königin Elisabeth verlas im House of Lords mit leiser Stimme das auf zwei Jahre angelegte Regierungsprogramm der konservativen Minderheitsregierung von Premierministerin Theresa May. Wie erwartet stand der Ausstieg aus der EU und die damit verbundenen Gesetzesreformen im Mittelpunkt. Im Rahmen des „Great Repeal Bill“ – eines Gesetzespakets, das annähernd als Großes Aufhebungsgesetz bezeichnet werden kann – sollen rund 20.000 EU-Regeln und Bestimmungen in britisches Recht übertragen werden.

Danach will die Regierung dann von Fall zu Fall entscheiden, welche Gesetze bleiben, welche abgeschafft und welche abgeändert werden sollen, sobald sich Großbritannien Anfang April 2019 aus der EU verabschiedet hat. Darüber hinaus nannte die Königin bei der Verlesung der insgesamt 27 Gesetzesvorhaben für die neue und auf zwei Jahre verlängerte Sitzungsperiode auch noch einige andere geplante Reformen: so soll das Einwanderungsgesetz geändert, neue Regelungen für Handel,  Zoll und Fischerei verabschiedet werden. Alles in allem ein umfangreiches Mammut-Projekt, das den Oppositionsparteien reichlich Gelegenheit bieten wird, die Minderheitsregierung May immer wieder in höchste Bedrängnis zu bringen.

Für May beginnt nun die schwierigste Phase ihrer politischen Karriere: denn schon nächste Woche – am 28. Oder 29. Juni - wird das Parlament über das Regierungsprogramm abstimmen. Gibt es dafür keine Mehrheit, dann fällt die Regierung. Denn de facto ist dieses Votum eine Vertrauensabstimmung für May. Scheitert sie so könnte Labour-Chef Jeremy Corbyn den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten.

Da es der Premierministerin bisher nicht gelang, sich mit der nordirischen Protestantenpartei DUP auf die Eckpunkte eines Tolierungsbündnisses zu einigen, könnte es schon dann zum abrupten Ende der Tory-Minderheitsregierung kommen. May verfügt seit den Wahlen am 8. Juni nur noch über 318 Mandate und ist dringend auf die Unterstützung der 10 DUP-Abgeordneten angewiesen. Ideologisch stehen sich die Konservativen und die DUP allerdings nah, weswegen der Sturz der Regierung immer noch als recht unwahrscheinlich gilt. Dennoch läßt die Einigung zwischen dem beiden Parteien länger auf sich warten als gedacht und sie soll auch nicht in Kürze bevorstehen. Die DUP scheint also höher zu pokern als erwartet – die politische Lage in einem verunsicherten Großbritannien, das ohnehin von Terroranschlägen und der großen Brandkatastrophe in einem Londoner Hochhaus gebeutelt wird, ist äußerst heikel.

May sei eine „verwundete Antilope“ so hört man – wenig schmeichelhaft – aus dem Umfeld ihrer eigenen Tory-Abgeordneten. Sie hat in ihrer eigenen Partei in den letzten zwei Wochen weiter an Unterstützung einbüßt, soll allerdings die unangenehmen Brexit-Verhandlungen mit der EU durchziehen, die am Montag begannen. Am Donnerstag wird May persönlich zum EU-Gipfel nach Brüssel reisen und will dort angeblich einen Vorschlag für die künftigen Rechte der EU-Bürger in Großbritannien vorstellen.

Unternehmen, Wirtschaftsvertreter und der City-freundliche Finanzminister Philip Hammond wittern nun Morgenluft und wollen die Chance, den Brexit möglichst wirtschaftsfreundlich zu gestalten nun nach Kräften nutzen. Hammond, der während des Wahlkampfes kaltgestellt worden war, meldete sich am Dienstag lautstark mit einer Rede in der Londoner City zu Wort und erklärte, die Gesundheit der britischen Wirtschaft und die Sicherung der Arbeitsplätze hätten höhere Priorität als die von May stets favorisierte Einschränkung der Freizügigkeit.

Zollvereinbarungen, Freihandelsabkommen, Übergangsfristen

Hammond warb zudem für längere Übergangsregelungen, um Verwerfungen zu vermeiden und forderte, Großbritannien sollte – zumindest vorübergehend – weiterhin ein Arrangement anstreben, das der Zollunion ähnle. „Wir brauchen unbedingt eine Übergangsphase - außerhalb der Zollunion, aber mit den derzeitigen Regelungen - bis eine dauerhafte Lösung umgesetzt ist“, forderte er.  Die Einwanderung nach Großbritannien müsse zwar in irgendeiner Weise kontrolliert aber keineswegs gestoppt werden, so der Minister, der sich damit auf direkten Konfrontationskurs mit seiner Premierministerin begab.

Er nannte ferner drei Ziele für den Brexit: ein umfassendes Freihandelsabkommen für Waren und Dienstleistungen, Übergangsfristen, um eine gefährliche Klippe zu vermeiden, bei der die britischen Unternehmen von einem Tag zum anderen mit neuen Regeln konfrontiert wären, sowie reibungslosen Zollvereinbarungen für den grenzüberschreitenden Handel und zur Wahrung der offenen Grenze zwischen der Republik Irland und der britischen Region Nordirland.

Auch beim britischen Verband der Automobilhersteller und –Händler (SMMT) schöpft man angesichts der Schwäche Mays nun die Hoffnung auf einen weicheren Brexit. Dort waren bei einer Konferenz, die ganz im Zeichen des bevorstehenden EU-Austritts stand, deutliche Forderungen und robuste Warnungen zu hören. „Unsere größte Sorge ist, dass wir in zwei Jahren von der Klippe fallen - ohne Abkommen, außerhalb des EU-Binnenmarktes und der Zollunion und unter den schlechteren Bedingungen der Welthandelsorganisation“ so SMMT-Chef Mike Hawes. Es sei nun an der Zeit für „brutale Ehrlichkeit“, erklärte er. „Wir haben uns Klarheit und Planungssicherheit gewünscht, doch das war nicht das Resultat der Wahlen. Sie haben vielmehr zur Verwirrung und Verunsicherung beigetragen“.

Der Brexit-Fahrplan

Unmissverständlich machte er deutlich, dass dem SMMT am liebsten wäre, wenn alles so bliebe wie bisher. Ein Rückfall auf die Regelungen der Welthandelsorganisation mit neuen Ein- und Ausfuhrzöllen für Komponenten und für die fertigen Autos hätte dagegen verheerende Folgen und könnte die Kosten für die Branche um 2,7 Milliarden Pfund im Jahr in die Höhe schießen lassen. Das werde dann auch die Autopreise für die Endverbraucher verteuern. Hawes erklärte, die anhaltende Unsicherheit könne Investitionen verhindern und die Wettbewerbsfähigkeit der britischen Automobilindustrie beeinträchtigen.

Mit vagen und schönen Worten über Übergangsfristen sei es aber keineswegs getan, so der Cheflobbyist, der sich eine fünfjährige Übergangsphase für den Brexit wünscht und vor einem dauerhaften Schaden für die Branche warnte, falls man keine zufriedenstellende Regelung vereinbaren könne. 80 Prozent der in Großbritannien zusammengeschraubten Autos gehen in den Export, die  EU ist der größte Absatzmarkt für britische Autobauer.

Auch der britische Industrieverband CBI hat sich entschlossen, in Sachen Brexit weniger diplomatisch zu agieren als bisher. „Es ist erfreulich, dass die jüngste Hitzewelle, die Haltung der Regierung im Hinblick auf die Wirtschaft und ihren Beitrag zum Wohlbefinden der Briten erwärmt hat“, so  CBI-Chefin Carolyn Fairbairn. „Doch diese willkommene Wende und dieser neue Ton muss jetzt von klarem Handeln flankiert werden. Die Unternehmen erwarten von allen Politikern, dass Pragmatismus künftig wichtiger wird als reine Politik und das muss mit dem Brexit beginnen.“

Übrigens: Königin Elisabeth, die diesmal im klimatisierten Auto und nicht mit der traditionellen Pferdekutsche ins House of Lords kam, eilte nach der kurzen offiziellen Parlamentseröffnung gleich weiter. Noch während die Abgeordneten im Unterhaus und die Lords im Oberhaus begannen, über die Regierungserklärung zu debattieren war die 91jährige bereits auf dem Weg zum Pferderennen in Ascot. Denn diesen traditionellen Höhepunkt der englischen Sommersaison wollte sich die Pferdenärrin trotz hochsommerlicher Temperaturen keinesfalls entgehen lassen.

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