Zwischen Brexit-Chaos und dem Ringen um einen Rechtsstaatsmechanismus in der EU ging eine gute Nachricht aus Brüssel unter: Vertreter von Europäischem Parlament, Mitgliedsstaaten und EU-Kommission haben sich auf ein verbessertes Transparenzregister für Lobbyisten geeinigt. Katarina Barley (SPD), die für das Europäische Parlament verhandelt hat, spricht von einer „Blaupause“ für die Mitgliedsstaaten.
Besonders angesprochen sollte sich Deutschland fühlen. Berlin hinkt im internationalen Vergleich bei Lobbytransparenz hinterher. „Ich vermisse eine saubere Aufarbeitung der Affäre um den CDU-Bundestagsabgeordneten Philip Amthor“, sagt der grüne Europa-Abgeordnete Daniel Freund.
In Brüssel werden die bestehenden Regeln nun verschärft. Erstmals sollen auch Vertreter des Rats, der Institution der Mitgliedsstaaten, ihre Kontakte mit Lobbyisten offen legen. Das gilt zwar nur für die beiden Botschafter des Landes, das die Ratspräsidentschaft innehat. Aber ein Anfang ist gemacht. Jahrelang hat der Rat sich vor dem Lobby-Register gedrückt. „Dass der Rat mit einbezogen wird, ist ein wichtiger Schritt“, sagt Freund, früher für die Nicht-Regierungsorganisation Transparency International tätig. Erste Länder haben zudem schon begonnen, die Lobbykontakte ihrer EU-Botschafter freiwillig zu veröffentlichen, etwa die Niederlande und Finnland.
In Brüssel gilt nun die Regel, dass nur Lobbyisten, die sich ins Register eingetragen haben, Zugang zu Entscheidern bekommen. Ein eigenes Sekretariat soll darüber wachen, dass Unternehmen sich korrekt in das Lobby-Register eintragen. Der EU-Abgeordnete hofft auf eine „gute personelle Ausstattung“ des Sekretariats. Bisher leistet sich die EU zu diesem Thema drei Vollzeitstellen bei 12.000 eingetragenen Lobbyorganisationen. Zum Vergleich: In Kanada sind es bei 4000 Lobby-Organisationen 28 Vollzeitmitarbeiter.
Schon bisher lässt sich in Brüssel bei den EU-Kommissaren nachvollziehen, mit wem sie sich getroffen haben. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat etwa am 18. November die Vorsitzenden von Hertie-Stiftung und der Denkfabrik Institut Montaigne empfangen, wie ihrer Website zu entnehmen ist. Der für den Green Deal zuständige Vize-Kommissionspräsident Frans Timmermans schaltete sich am Tag danach mit der Umweltorganisation Greenpeace zusammen, um über eine Regelung zu sprechen, die die Einfuhr von Produkten beschränkt, die zur Abholzung von Wäldern führen. Und Vize Margrethe Vestager, zuständig für Digitales, hat sich kürzlich mit dem finnischen Mobilfunkbetreiber Nokia ausgetauscht.
In Deutschland kommt das Thema Lobbyregister dagegen nur schleppend voran. Die Union hat nach den Skandalen um Amthor und den früheren Minister Karl Theodor zu Guttenberg, der bei Bundeskanzlerin Angela Merkel zu Gunsten von Wirecard interveniert hatte, immerhin ihren grundsätzlichen Widerstand gegen ein Lobbyregister aufgegeben. Vor vier Jahren noch argumentierte der erste parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU Michael Große Brömer: „Ich möchte als Abgeordneter nicht staatlich überwacht werden.“
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Eine Anhörung im Bundestag Anfang Oktober zeigte, dass mittlerweile alle Fraktionen ein Lobbyregister im Prinzip befürworten und dafür eigene Gesetzesentwürfe vorgelegt haben. Union und SPD haben angekündigt, beim ursprünglichen Entwurf nachzubessern und auch die Regierung und die Ministerien einzubeziehen. Bisher war nur geplant, dass Bundestagsabgeordnete ihre Lobbykontakte offenlegen sollen. Doch die Abstimmung im Bundestag wurde bisher verschoben. Die Nichtregierungsorganisation Lobbycontrol sieht die Union „auf der Bremse“ und betont, dass ein Lobbyregister vor der Bundestagswahl 2021 ein wichtiges Signal für die Bürger sein könnte. Der Europaabgeordnete Freund beobachtet seit Jahren, dass sich Deutschland schwer tut mit Transparenz: „Es war das letzte Land der Welt, das Abgeordnetenbestechung unter Strafe stellte.“
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