Die EZB will trotz der lauter werdenden Kritik aus Deutschland von ihrer ultra-lockeren Geldpolitik nicht abrücken. "Ein sehr erhebliches Ausmaß an geldpolitischer Unterstützung wird immer noch benötigt", sagte EZB-Präsident Mario Draghi am Donnerstag in Frankfurt. Zwar legten Stimmungsbarometer nahe, dass die wirtschaftliche Erholung der Euro-Zone an Schwung gewinne. Schleppende Reformen bremsten jedoch. Und die Kerninflation sei noch immer zu niedrig. In dieser werden die schwankungsanfälligen Öl- und Lebensmittelpreise ausgeklammert.
Die Leitzinsen wurden von der Notenbank nicht angetastet. Der Schlüsselsatz für die Versorgung der Geschäftsbanken mit Geld liegt damit weiterhin auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent. Auch an den insbesondere in Deutschland umstrittenen Anleihenkäufen machten die Euro-Wächter keine Abstriche. Sie sollen bis mindestens Ende 2017 laufen und dann ein Volumen von 2,28 Billionen Euro erreichen.
Die EZB bekräftigte zudem, die Schlüsselsätze würden weit über die Zeit des Anleihen-Kaufprogramms hinaus auf dem aktuellen Niveau oder sogar noch niedriger liegen. Draghi wiederholte in seinen Eingangsbemerkungen auf der Pressekonferenz allerdings nicht mehr den Satz, dass die EZB notfalls alle verfügbaren Instrumente nutzen werde. Dies schob den Euro an.
Geldpolitik der EZB
Die EZB setzt ihre ultralockere Geldpolitik unverändert fort: Der Leitzins bleibt bei null Prozent. Monatlich kauft die Notenbank weiter Staatsanleihen und andere Wertpapiere im Milliardenumfang. Basierend auf den aktuellen Daten halte der EZB-Rat die expansive Geldpolitik nach wie vor für angemessen, begründete Draghi. Immerhin sagt Europas oberster Währungshüter, dass die Notenbank derzeit keine Notwendigkeit sehe, noch mehr Geld in die Hand zu nehmen - etwa über neue Langfristkredite für Banken.
Die EZB strebt für den Euroraum eine Inflationsrate von knapp unter 2,0 Prozent an - weit genug von der Nulllinie entfernt. Im vergangenen Jahr wuchs die Wirtschaft im gemeinsamen Währungsraum robust um 1,7 Prozent. Im Februar 2017 dann knackte die Teuerung erstmals seit vier Jahren wieder die Marke von zwei Prozent - die von den Währungshütern angepeilten Ziele scheinen erreicht. Allerdings sind die Unterschiede zwischen den 19 Ländern des gemeinsamen Währungsraumes groß. „Die EZB hat einen Auftrag für den Euroraum insgesamt, und darauf muss sie ihre Geldpolitik ausrichten“, sagte der frühere EZB-Chefvolkswirt Otmar Issing dem „Handelsblatt“.
Hauptgrund für den Anstieg der Inflation ist ein kräftiger Sprung der Energiepreise. Ökonomen rechnen damit, dass der Höhepunkt zunächst erreicht ist. „In den nächsten Monaten dürfte die Inflationshysterie wieder etwas nachlassen“, erklärt die Commerzbank. Wichtig ist für die Währungshüter eine nachhaltige Entwicklung der Verbraucherpreise. Dabei haben sie auch die Kerninflation im Blick - also die Teuerung ohne stark schwankende Energie- und Nahrungsmittelpreise. Im Februar verharrte diese Rate bei vergleichsweise niedrigen 0,9 Prozent.
„Der große Belastungstest steht vermutlich am 7. Mai an, wenn die Stichwahl darüber entscheidet, ob mit Marine Le Pen eine erklärte Euro-Feindin französische Präsidentin wird“, erläutern Ökonomen der Landesbank Helaba. Solange dies nicht geklärt sei, dürfte EZB-Präsident Draghi keine geldpolitische Kursänderung zulassen. Ähnlich sieht das ING-Diba-Chefvolkswirt Carsten Brzeski. Sollte sich die politische Unsicherheit nach den Wahlen in den Niederlanden und in Frankreich legen, könnte die Notenbank im Sommer Hinweise auf einen Ausstieg im Jahr 2018 geben. „Dieses Timing könnte helfen, das EZB-Bashing im beginnenden Wahlkampf in Deutschland zu dämpfen“, sagt Brzeski.
Das dürfte noch eine Weile dauern. Draghi bekräftigte erneut, dass die Zinsen auf absehbare Zeit niedrig bleiben werden - mindestens bis zum Auslaufen der Anleihekäufe Ende 2017. Für Sparer ist das Zinstief bei steigender Inflation bitter. Sparbuch und Co. werfen ohnehin kaum noch etwas ab. Solange die Teuerungsrate nahe der Nulllinie dümpelte, glich sich das in etwa aus. Bei steigenden Verbraucherpreisen bleibt Sparern unter dem Strich aber weniger Geld.
Alle, die Kredite aufnehmen, zum Beispiel Immobilienkäufer. Auch wenn die Zinsen wieder leicht steigen, sind Hypothekenkredite immer noch günstig. Die ultralockere Geldpolitik kommt auch dem deutschen Fiskus zugute, weil er sich günstig verschulden kann. „Wären die Zinsen auf dem Niveau des Jahres 2007 geblieben, hätte der deutsche Staat über die Zeit um rund 250 Milliarden Euro höhere Zinsausgaben stemmen müssen“, rechnete Bundesbank-Präsident Jens Weidmann jüngst in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ vor.
Die EZB kann nicht von heute auf morgen einfach den Geldhahn zudrehen. Das würde zu schweren Turbulenzen an den Finanzmärkten führen. Um den Markt vorzubereiten, müssten die Währungshüter das Auslaufen der Wertpapierkäufe einige Monate vorher ankündigen, erläutert Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Friedrich Heinemann, Experte am Wirtschaftsforschungsinstitut ZEW, mahnt: „Dringend nötig wäre eine klare Perspektive für 2018 mit einer realistischen Strategie zum Auslaufen der Anleihekäufe. Wie bei jedem Ausstieg aus einer Droge ist mit Entzugserscheinungen an den Anleihemärkten zu rechnen, auch Panikattacken sind denkbar.“
Aus Deutschland kamen dennoch kritische Stimmen. "Die EZB hat erneut die Chance verpasst, den Ausstieg aus der ultra-expansiven Geldpolitik einzuleiten", kommentierte die Wirtschaftsweise Isabel Schnabel. Aus Sicht des Ifo-Präsidenten Clemens Fuest wäre es besser gewesen, die Anleihenkäufe ab Mai weiter zu senken. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hatte sich vor dem Zinsbeschluss bereits für einen Ausstieg aus der ultra-lockeren Geldpolitik ausgesprochen: "Je länger die Niedrigzinsphase andauert, umso größer werden die Belastungen."
Die Inflation im Währungsraum war im Februar auf 2,0 Prozent nach oben geschnellt und hatte leicht das EZB-Ziel übertroffen. In Deutschland zogen die Preise um 2,2 Prozent an, in Spanien verteuerten sich Waren und Dienstleistungen sogar um 3,0 Prozent.