Tschechiens Wahlsieger Andrej Babiš "Ich will die Regierung wie eine Firma führen"

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Was wird sich in Europa ändern?

Was wird sich in Europa durch einen Premier Babiš ändern? Werden Sie sich mit Orban und Kurz zusammentun?
Warum sprechen Sie über Orban? Das ist immer das gleiche. Ich bin nicht Orban, ich bin Babiš. Ich habe die Wahlen gewonnen, die tschechische Republik gehört an die Spitze von Europa, dort wo wir früher wirtschaftlich waren. Leider haben wir sehr viel Zeit verloren. 32 Jahre hat es alleine gedauert, um die Autobahn zwischen Prag und Dresden zu bauen. Viereinhalb Stunden braucht der Zug von Prag nach Berlin. Warum haben wir keine Schnellzüge?

Hat Herr Kurz die richtige Strategie? Sie haben ihm ja sehr herzlich zu seinem Wahlsieg gratuliert. Er hat ihnen auch gratuliert, allerdings nicht ganz so herzlich. Waren Sie enttäuscht?
(lacht) Ob herzlich oder nicht, ist egal. Wir haben eine ähnliche Meinung über Migration und natürlich hat er damit gewonnen. Er ist jung, er ist sehr talentiert, er ist ein Politiker, das ist sein Beruf. Ich bin kein Politiker.

Sondern?
Politiker ist nicht mein Beruf. Ich bin Politiker per Irrtum, wenn Sie so wollen. In meinem Buch habe ich es ja geschrieben: Warum bin ich in die Politik gegangen? Weil ich dumm bin. Ich habe das tausendmal bedauert. Aber andererseits musste ich es machen für das Land. Und Kurz hat eben die gleiche Meinung über Migration wie etwa Orban.

Migration war Ihr herausragendes Thema im Wahlkampf. Sie haben in Tschechien im vergangenen Jahr aber nicht einmal 1000 Flüchtlinge aufgenommen. Im Vergleich zu Deutschland ist das lächerlich wenig.
Warum sollten wir Leute aufnehmen? Warum?

Schulden Sie das nicht der Solidarität innerhalb der EU?
Nein, das ist Quatsch. Wir sind solidarisch. Aber wir bestimmen, mit wem wir solidarisch sind, und nicht die Europäische Kommission oder andere. Wir nehmen zum Beispiel Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine auf. Wir haben in Tschechien eben eine andere Tradition der Migration. Wir haben hier zweihunderttausend Ukrainer, wir haben Russen, Slowaken, Bulgaren, Leute aus Rumänien. Wir haben auch 2500 Syrer aufgenommen. Wir haben aber nicht die gleiche Position wie Sie in Deutschland. Sie hatten nach dem zweiten Weltkrieg Gastarbeiter, Sie haben 3 Millionen Türken, in Frankreich lebt die dritte Generation von Magrebinern in den Banlieus von Paris. Sie haben dieses multikulturelle Modell, wir haben eine andere Geschichte und ein anderes Modell. Warum soll uns jemand sagen, wer in Tschechien leben und arbeiten soll? Das ist nicht Ihr Problem, das ist unser Problem. Wenn Sie die Migranten wollen, nehmen Sie die!

Mit dieser Politik müssen sich aber schon den Vorwurf gefallen lassen, einerseits die Milliarden an Subventionen aus Brüssel zu kassieren, andererseits zeigen Sie keine Solidarität in der Aufnahme von Flüchtlingen, die Länder wie Deutschland oder Frankreich stemmen müssen.
Sprechen wir lieber einmal über die Investoren aus Frankreich, Deutschland und anderen EU-Ländern. Wie viel bekommen die Dividende im Jahr? Zehn Milliarden Euro, mindestens. Notieren Sie das bitte. Wir haben hier 6000 Firmen aus Deutschland in Tschechien.

Ranking der fünf reichsten Tschechen nach Vermögen im Jahr 2017

Aber Sie profitieren doch von diesen Investments.
Ja, aber die Firmen profitieren auch. Sie bezahlen unseren Leuten ein Drittel von dem, was sie in Deutschland zahlen. Und die Gelder aus Brüssel können wir nicht beeinflussen. Da kommt etwa Geld für Schulungen, die die Leute nicht brauchen. Es ist also alles ein Deal. Und wenn man uns sagt, ihr bekommt Geld, also müsst Ihr die Flüchtlinge nehmen. Was ist das? Erpressung? Noch einmal: Wir haben eine andere Kultur. Ich habe auch fünf Jahre in Marokko gelebt. Ich habe dort kein Schweinefleisch gegessen. Und meine Frau konnte im Ramadan nicht mit T-Shirt hinausgehen. Die haben ihre Kultur, und wir in Europa haben unsere Kultur. Und wenn Sie die historische Kultur in Belgien oder in Frankreich oder in Deutschland ändern wollen, dann ist das Ihr Problem. Aber wir in Tschechien wollen das nicht.

Ändert sich für deutsche Investoren etwas in Tschechien unter Ihnen als Premier?
Nein, wir sind froh, dass die Investoren hier sind. Vielleicht könnten die Firmen mehr spenden für Sport, Kultur und karitative Zwecke. Das wäre natürlich gut für uns.

Wird das auch gesetzlich verankert?
Nein.

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