TTIP-Gegner Stefan Krug "TTIP ist gefährlich und undemokratisch"

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"Es ist gut, dass dieses System keine Zukunft hat"

Die Meinungsforscher von Ipsos haben für die WirtschaftsWoche gefragt, wie die Deutschen zum Freihandelsabkommen CETA stehen. Das Ergebnis ist für Freunde der Globalisierung niederschmetternd. Die Umfrage zum Download.

Wirtschaftsvertreter halten dagegen: Unternehmen würden es sich dreimal überlegen, bevor sie einen Staat verklagen, weil Staaten oft doch am längeren Hebel sitzen.
Ist das wirklich so? Warum verklagt Vattenfall dann die Bundesrepublik auf 4,7 Milliarden Euro Schadensersatz wegen des Atomausstiegs? Oder nehmen sie das Kraftwerk Moorburg in Hamburg. Vattenfall hat damals gegen das Land Hamburg geklagt, weil sie die hohen Gewässerstandards nicht einhalten wollten. Begründung: Diese Standards schädigen unser Geschäft. Die Stadt Hamburg hat sich dann außergerichtlich mit Vattenfall geeinigt und Sonderregeln zugelassen. Wenn Umweltstandards plötzlich als Gewinnbremse verstanden werden, schadet uns das. Und ich fürchte, dass es künftig viele Klagen geben könnte.

Was schlagen Sie stattdessen vor?
Öffentliche Gerichte sollen diese Fälle verhandeln. Warum sollte es eine Paralleljustiz außerhalb demokratischer Kontrolle geben, bei der ausländische Unternehmen besser als inländische gestellt werden?

Investorenschutzklauseln gehören zu Handelsabkommen seit Jahrzehnten dazu. Bislang hatte das nie jemanden gestört.
Das macht es ja nicht besser. Investorenschutz mag sinnvoll sein in Ländern mit unsicheren Rechts- und Verwaltungsstrukturen, aber nicht zwischen hoch entwickelten Industrienationen. Die breite Öffentlichkeit wusste bisher nicht, was wirklich unter dem Stichwort Investorenschutz läuft. Es ist gut, dass dieses System keine Zukunft hat.

Sigmar Gabriel kämpft für das CETA-Abkommen, hat TTIP aber für gescheitert erklärt. Müssten Sie das nicht gut finden - Kanada statt Amerika?
Das ist ein Trick. Zum einen sind viele US-Unternehmen auch in Kanada aktiv und könnten die EU über diesen Umweg verklagen. Zum anderen ist der SPD-Chef recht sprunghaft. Vor einem halben Jahr war er noch für TTIP, jetzt erklärt er Ceta für den besten Deal überhaupt. Er hat nicht den Mut, Fehler einzugestehen und einen Neustart zu wagen.

Wenn der SPD-Parteikonvent CETA am Montag stoppt, könnte die Partei damit ihren Vorsitzenden zum Rücktritt zwingen. Spielt das in ihren Überlegungen eine Rolle?
Das ist eine Frage, die die SPD klären muss. Wir finden diese starke Personalisierung eher hinderlich. Denn uns geht es um die Sache. Ich kann jedenfalls viele in der SPD verstehen, die TTIP und CETA ablehnen. Der Widerstand in der Sozialdemokratie ist groß - und das völlig zurecht.

Und wenn TTIP und CETA tatsächlich scheitern sollten - was dann?
Wie gesagt: Wir sind nicht gegen Handelsabkommen. Wir brauchen einen Neustart und eine öffentliche Debatte über das Verhandlungsmandat der Kommission. Wir sollten rote Linien definieren, bei denen wir den USA und Kanada einfach nicht entgegenkommen können. Und dann verhandeln wir einen neuen Vertrag, der demokratische Grundrechte sowie soziale und ökologische Standards achtet. Ein solcher Vertrag hätte Modellcharakter.

Fürchten Sie nicht, dass dann andere Player die internationalen Standards und Regeln setzen, wenn TTIP tatsächlich scheitert?
Das Argument kommt oft: Wenn wir die Standards nicht setzen, machen es die Chinesen. Das glaube ich nicht. Die Chinesen müssen ja heute schon für ihre Exporte die strengeren europäischen Produktstandards akzeptieren. Aber das hält sie weder heute noch künftig davon ab, mit anderen Staaten Abkommen mit deutlich niedrigeren Standards zu schließen, TTIP hin, CETA her. Deshalb ist das nur ein vorgeschobenes Argument.

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