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Ukraine Energiekrise im Herbst, Staatspleite im Winter

Die Lage in der Ukraine eskaliert – nicht nur politisch. In Europa sollte man vorsorglich mit deutlich höheren Energiepreisen rechnen.

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Erdgas Quelle: dpa

Nachdem der ukrainische Präsident Petro Poroschenko die Waffenruhe aufkündigte, wird das Land seinen industriestarken Osten wohl endgültig an die Separatisten verlieren. Die Ukraine wird deshalb kaum mehr in der Lage sein, ihre Schulden zu bedienen. Russland ist einer der größten Gläubiger des Landes. Ohne ein Entgegenkommen des russischen Präsidenten Wladimir Putin bei den Verhandlungen zur Schuldenrestrukturierung ist ein Staatsbankrott kaum mehr zu vermeiden. Der Westen, der eine Staatspleite der Ukraine um jeden Preis vermeiden will, wird dadurch zunehmend erpressbar.

Die Blaupause liefert gerade Argentinien. Hedge Funds, die in argentinische Staatsanleihen investiert und eine Umschuldung abgelehnt hatten, haben vor einem US-Gericht erfolgreich auf die volle Rückzahlung des Nominalwertes einschließlich aufgelaufener Zinsen geklagt. Der argentinischen Regierung bleiben jetzt noch knapp 30 Tage, um den fälligen Betrag zu überweisen und so den Staatsbankrott abzuwenden.

Ukraine in Zahlen

Der jüngste EU-Gipfel am 26. und 27. Juni hat maßgeblich zur erneuten Eskalation der Situation beigetragen. Auf dem Gipfel wurden genau jene Verabredungen mit der Ukraine formell beschlossen, auf die die Regierung des ehemaligen ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowytsch nicht eingehen wollte. Die Proteste auf dem Maidan und der Bürgerkrieg in der Ostukraine waren die Folgen. Auf dem EU-Gipfel wurde nun der zweite Teil des Assoziierungsabkommens unterzeichnet, das der Ukraine Zugang zum EU-Binnenmarkt verschaffen soll. Der stellvertretende russische Außenminister Grigori Karasin drohte unmittelbar nach der Unterzeichnung mit „schwerwiegenden Konsequenzen“, zumal auf dem Gipfel vergleichbare Abkommen auch mit Georgien und Moldawien geschlossen wurden. Garniert wurde der Gipfel einmal mehr mit der Androhung von weitreichende Wirtschaftssanktionen gegenüber Russland, sollte der Kreml nicht zur Deeskalation der Situation in der Ukraine beitragen.
Ein paar Tage später sinnierte Alexei Miller, der Chef des staatlichen russischen Erdgasriesen Gazprom, öffentlich über einen kompletten Stopp von russischen Gaslieferungen über die Ukraine. Die EU bezieht etwa 40 Prozent ihrer Erdgaslieferungen über die Ukraine, ein Drittel davon aus Russland. Aus diesem Grund bemüht sich EU-Energiekommissar Günther Oettinger in trilateralen Gesprächen fieberhaft darum, die russischen Gaslieferungen trotz der Zahlungsprobleme der Ukraine sicherzustellen. Nun warnte auch der russische Ministerpräsident Dimitri Medwedew vor einer Gaskrise im Herbst, sollte die Ukraine ihre Gasschulden beim Kreml nicht begleichen. Zudem beschuldigte Medwedew die Ukraine, heimlich Gas aus unterirdischen Depots zu entnehmen.

Verschärft der Westen die Wirtschaftssanktionen gegen Russland, wäre Deutschland der größte Verlierer. Deutsche Unternehmen haben 30 Milliarden Dollar in Russland investiert, etwa 300.000 Arbeitsplätze stünden nach Einschätzung der dänischen Saxo Bank direkt auf dem Spiel. Aber es könnte gar noch schlimmer kommen. Ein Viertel des Energiebedarfes deckt Deutschland aus russischen Quellen.

Die Ukraine kann den eigenen Erdgasbedarf noch etwa bis September aus heimischer Produktion decken. Doch von da an, wenn sich zudem die Tagestemperaturen im Land spürbar abkühlen, wird es eng und das Land ist auf russisches Erdgas angewiesen. So gesehen arbeitet die Zeit für Russland.
In Europa sollte man vorsorglich mit deutlich höheren Energiepreisen rechnen.

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