
Die EU-Staaten haben eine vorläufige Einigung über die Verlängerung der Wirtschaftssanktionen gegen Russland um sechs Monate erzielt. Die Botschafter der 28 Mitgliedsländer verständigten sich am Dienstag laut Diplomaten darauf, die Strafmaßnahmen mindestens bis Ende Januar 2017 aufrechtzuerhalten. Dem Beschluss der Botschafter müssen die Mitgliedsländer noch auf Ebene des EU-Rates zustimmen, was voraussichtlich am Freitag geschehen soll. Die britische und die französische Regierung benötigen den Angaben der Diplomaten zufolge noch die Zustimmung ihrer Parlamente, auch wenn diese die Entscheidung nicht blockieren können. Sollten die Abgeordneten diese Woche kein grünes Licht geben, könnte das Thema beim EU-Gipfel am Dienstag und Mittwoch nächster Woche auf dem Tisch der Staats- und Regierungschefs landen
Die Strafmaßnahmen waren im Sommer 2014 wegen der russischen Unterstützung von Separatisten in der Ostukraine verhängt worden. Von den Sanktionen sind der russische Finanz-, Energie- und Rüstungssektor betroffen. Die EU macht eine Lockerung von der Umsetzung der Friedensvereinbarungen von Minsk abhängig. Der darin ausgehandelte Waffenstillstand für die Ostukraine ist zuletzt aber immer wieder gebrochen worden. Auch andere Vereinbarungen wie der Abzug schwerer Waffen aus der Region sind noch nicht umgesetzt. Die Regierung in Kiew soll zudem Regionalwahlen zulassen, während Russland der ukrainischen Seite helfen soll, die Kontrolle über die Grenze zurückzuerlangen. In dem Konflikt in der Ostukraine sind mehr als 9000 Menschen gestorben.
Die Auswirkungen der Russland-Sanktionen auf deutsche Branchen
Der wichtige Industriezweig leidet besonders stark unter dem Einbruch des Russland-Geschäfts - denn die Branche ist für mehr als ein Fünftel (2014: 22 Prozent) aller deutschen Ausfuhren in das Riesenreich verantwortlich. 2014 brachen sie um 17 Prozent ein. Damit ging Geschäft im Volumen von 1,3 Milliarden Euro verloren. Russland fiel damit in der Rangliste der wichtigsten Abnehmerländer auf Rang zehn zurück. 2013 war das Land noch der viertgrößte Absatzmarkt für den deutschen Maschinenbau. In diesem Jahr setzt sich der Trend fort: Allein bis Mai gingen die Exporte um 30 Prozent zurück.
Die deutsche Elektroindustrie hat 2014 soviel Waren ins Ausland geliefert wie nie. Insgesamt kletterten die Exporte um 4,9 Prozent auf den Rekordwert von 165,5 Milliarden Euro. Und das, obwohl das Russland-Geschäft um 1,2 Milliarden Euro geringer ausfiel als 2013 - und damit die mit Abstand größte Belastung des Exportwachstums der Branche war.
Der russische Automarkt brach im vergangenen Jahr um zehn Prozent ein. Das trifft nicht alle deutschen Hersteller gleichermaßen. Für Daimler ist Russland nur ein vergleichsweise kleiner Markt. Europas größter Autobauer Volkswagen muss dagegen spürbare finanzielle Einschnitte in Kauf nehmen. Der Autobauer Opel stellt wegen der Absatzkrise sein Geschäft auf dem einstigen Hoffnungsmarkt bis zum Jahresende komplett ein.
Gelitten hat auch die deutsche Textilindustrie. Der Gesamtverband Textil und Mode spricht von einem Exportminus von zwölf Prozent. Für den Hemdenhersteller Olymp ist Russland inzwischen nur noch der zweitgrößte Markt. Dem Hemdenhersteller macht unter anderem der schwache Rubel zu schaffen, der seine Produkte vergleichsweise teurer macht.
Russland galt lange als wichtigster Absatzmarkt für deutsche Agrar- und Lebensmittelexporteure außerhalb der EU. Schon vor den Sanktionen erschwerten nach Angaben des Verbandes BVE aufwendige Einfuhrvorschriften sowie Handelshemmnisse und Betriebssperrungen das Exportgeschäft. 2013 seien die Agrarausfuhren um 14,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesunken, Lebensmittelexporte um 16 Prozent. 2014 habe sich der Rückgang wegen des russischen Importverbotes verschärft. Die Agrarexporte brachen 2014 um 28 Prozent ein, die Lebensmittelexporte um 32 Prozent.
In der EU gibt es immer wieder Diskussionen über die Sanktionen, die neben dem niedrigen Ölpreis zu einer Schwächung der russischen Wirtschaft beigetragen haben. Während Großbritannien, Polen und die baltischen Staaten eine harte Haltung gegenüber der Regierung in Moskau vertreten, wollen Ungarn, die Slowakei und Italien eher auf Russland zugehen. Auch in der Bundesregierung gibt es zwischen Union und SPD dazu unterschiedliche Meinungen. Das französische Parlament stimmte im April in einer nicht-bindenden Resolution dafür, die Sanktionen aufzuheben und stellte sich damit gegen die eigene Regierung. EU-Ratspräsident Donald Tusk will beim EU-Gipfel im Oktober eine eingehende Diskussion über die Beziehungen zu Russland anstoßen.
Strafmaßnahmen in Form von Einreiseverboten und Kontensperrungen wegen der russischen Annexion der Krim hatte die EU bereits vorige Woche verlängert..