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Ukrainischer Wirtschaftsminister Aivaras Abromavicius "Wir werden nicht endlos Geld brauchen"

Die Ukraine taumelt dem Bankrott entgegen – und steht zugleich unter Reformdruck. Ihr neuer Wirtschaftsminister Aivaras Abromavicius erzählt am Rande seines Berlin-Besuchs, wie er sein Land zur Wettbewerbsfähigkeit trimmen will.

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Ukraine Aivaras Abromavicius Quelle: REUTERS

Der wichtigste Mann für die Reformen in der Ukraine ist das Anti-Modell jener Sowjet-Beamten, die im Kiewer Kabinett sonst das Sagen haben: Wirtschaftsminister Aivaras Abromavicius ist von Haus aus Investmentbanker. Er stammt aus Litauen und wurde just zur Amtseinführung Anfang Dezember eilig eingebürgert.

Der 38-Jährige lebt seit sechs Jahren in Kiew und weiß, dass die Ukraine zu den korruptesten Ländern in Europa gehören - ein überregulierter Staat mit verkrusteten Verwaltungsstrukturen. Im Exklusiv-Interview gibt er eine klare Marschrichtung mit einer Drohung an sein eigenes Kabinett vor: „Wenn die Reformen ausbleiben, wird diese Regierung sehr schnell aus dem Amt gejagt.“

Zweifellos braucht die Ukraine zuallererst Geld. Und so ging es bei Gesprächen des Kiewer Ministerpräsidenten Arseni Jazenjuk mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel um Finanzhilfen, die der makroökonomischen Stabilisierung der Ukraine dienen sollen. „Unsere Regierung ist bemüht, so schnell wie möglich zusätzliche Finanzhilfen zu erhalten“, sagt der politisch unerfahrene Abromavicius, der ein Freund der leisen Töne ist und eher zurückhaltend wirkt.

Das vergangene Jahr sei auch wegen des Kriegs das „schlimmste in der Geschichte“ des Landes gewesen, sagt der Minister. Dennoch sei das Bild falsch, wonach die Ukraine ein Netto-Empfänger westlicher Finanzhilfen sei.

„In 2014 wurden uns Kredite im Umfang von neun Milliarden Dollar bereitgestellt“, rechnet Abromavicius kühl vor, „umgekehrt haben wir insgesamt rund 14 Milliarden Dollar an internationale Gläubiger zurückgezahlt.“ Etwa aus den Jahren der Finanzkrise nach 2008, als das Land vom Internationalen Währungsfonds (IWF) ein Darlehen über 16,5 Milliarden Dollar erhielt.

Im Frühjahr 2015 schnürten die Financiers aus Washington ein neues Kreditpaket über 17 Milliarden Dollar, das mangels Reformen aber bislang nur zu einem Bruchteil ausgezahlt wurde. Ab heute führen IWF-Vertreter in Kiew neue Gespräche, an deren Ende eine neue Tranche freigegeben werden könnte.

Die wirtschaftliche Bedeutung der Ukraine

Grundsätzlich verspricht der Wirtschaftsminister: „Wir werden nicht endlos Geld vom Westen verlangen.“ Vielmehr gehe es ab sofort darum, Investoren für die wirtschaftliche Entwicklung seines Landes anzuziehen. Bei Gesprächen mit Vertretern der deutschen Wirtschaft, darunter Unternehmen wie Bayer und Claas, habe er vor allem das Interesse an Investitionen im Agrarsektor gespürt. Der habe in 2014 trotz des russischen Embargos auf einzelne ukrainische Produkte einen leichten Zuwachs erzielt.

Vorher setzt der 38-Jährige auf Deregulierung der Wirtschaft und den Abbau der Bürokratie: Schon seien Preiskontrollen in Supermärkten eingestellt, die Inspektionen in Agrarbetrieben abgeschafft worden. Beim Kampf gegen Korruption setzt Abromavicius auf die Digitalisierung in der Verwaltung, denn: „Überall wo Staat und Unternehmen in Kontakt kommen, besteht das Risiko der Korruption“, so der Minister zur WirtschaftsWoche.

Eine weitere Baustelle für den Neu-Ukrainer ist die Entstaatlichung: In der Regierung diskutiere man, ob und wie die Staatsbetriebe privatisiert werden könnte. „Es gibt Stimmen, die alle staatlichen Unternehmen loswerden wollen, einfach weil der Staat ein schlechter Eigentümer ist.“ Letzteres sehe er genauso, so der Investmentbanker, aber man sollte die Unternehmen erst restrukturieren – und dann verkaufen. „Ich denke, dass die ersten Privatisierungen im dritten oder vierten Quartal dieses Jahres beginnen können.“

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