Umfrage Südeuropäer halten Deutsche für arrogante Kontrollfreaks

Je weiter südlich in Europa man die Menschen zu ihrer Meinung über die Deutschen befragt, umso schlechter wird diese. In einer Umfrage mehrerer großer Zeitungen bekommt auch Kanzlerin Merkel ihr Fett weg.

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Ein Protestplakat gegen deutsche Politiker ist vor dem EZB-Gebäude in Frankfurt zu sehen. Quelle: REUTERS

Eine Online-Umfrage unter mehr als 7000 Lesern der Zeitungen "Le Monde" (Frankreich), "The Guardian" (Großbritannien), "El País" (Spanien) und "La Stampa" (Italien) zeigt, wie gespalten Europa in seiner Meinung zu Deutschland und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sind. Während einige davon überzeugt sind, dass ohne Deutschland die Eurozone schon längst auseinander gebrochen wäre, glauben andere, dass es Millionen von Südeuropäern besser ginge, wenn es die Eurozone nicht mehr gäbe. Es zeigt sich die deutliche Tendenz: Je weiter südlich ein Land liegt, desto harscher wird die Meinung über Deutschland, berichtet die "Süddeutsche Zeitung".

In der Umfrage wurde gefragt, wie die Leser zu der deutschen Führungsrolle in der Eurokrise und der Bundestagswahl stehen. Der Ton in den spanischen Antworten sei überwiegend negativ gewesen. Sie zeigten deutlich, dass sich die Menschen gegängelt und ausgenutzt fühlen. So schrieb etwa ein Leser: "Deutschland versucht, seine Macht auszubauen und anderen Lösungen aufzuzwingen, die in Deutschland gut funktionieren. Es versucht, die Länder im Süden zu einem Reservoir billiger Arbeitskräfte zu machen, die keine Rechte oder Arbeitsplatzsicherheit haben."

Eine andere Leserin wirft den Deutschen sogar vor, die Krise durch das Beharren auf einer strengen Sparpolitik nur noch schlimmer gemacht und davon auch noch profitiert zu haben. Deutschland habe "die Dinge lieber notdürftig zu flicken als die Probleme, die Ländern wie Spanien nun die Luft zum Atmen nehmen, wirklich an der Wurzel zu lösen. Dies könnte sich noch rächen."

Bei den Italienern gab es gemischte Gefühle. "Wir sollten den Deutschen dankbar für den Strukturwandel sein, den wir in Europa gesehen haben", schrieb einer. Ein anderer Leser forderte die Italiener auf, Deutschland als "wirtschaftliches und politisches Vorbild" zu sehen, dass man "lieber kopieren sollte, als es zu hassen."

Merkel als "Maschine" gesehen

Die Nordeuropäer waren dem Bericht nach eher geneigt, das Verhalten der Deutschen zu ihren Gunsten auszulegen. Eine Leserin schrieb etwa, Merkel stehe fest hinter ihren Partnern in Europa. "Dabei wird der Pfad, den Deutschland in der Krise geht, nicht dazu führen, dass sie überall bejubelt werden oder dass es ihnen sogar selbst etwas nutzt. Führungsstärke zu zeigen, heißt ja nicht, zu 100 Prozent recht zu haben, sondern es ist die Kunst, als stark angesehen zu werden und in der vordersten Reihe zu stehen. Deutschland hat diese Führungsstärke bewiesen."

Das Thema Führungsstärke ist jedoch auch ein Zankapfel. Einige Leser sind der Meinung, dass Deutschland zu arrogant aufgetreten sei.

Von der anstehenden Bundestagswahl erwarten sich die wenigsten der Befragten eine Veränderung des politischen Kurses, die meisten erwarten eine Wiederwahl Merkels. Das bedeutet jedoch nicht, dass damit Sympathien für die Kanzlerin einher gehen. Im Gegenteil. Einige beurteilen sie als "dickköpfigen Kontrollfreak" oder als emotionslosen Roboter: ""Wenn es eine Maschine gäbe, die Führungskräfte für Krisenzeiten herstellt, dann wäre Frau Merkel wahrscheinlich eine Politikerin, die da herauskommen könnte", schrieb eine Leserin.

Ein spanischer Teilnehmer der Umfrage unterstellt der Kanzlerin gar Selbstsucht, die keine Idee für Europa sondern nur "das eigene Land im Blick gehabt" hätte. "Merkels Rezept ist 'Ich will heute Brot essen, und die Anderen sollen morgen hungern".

Die Eurokrise ist derweil alles andere als ausgestanden. Griechische Gewerkschaften etwa erwarten, dass die Arbeitsmarktkrise das Land noch bis 2020 beuteln wird. Und in Deutschland steht es mit der Geduld mit den Krisenländern nicht zum Besten. So forderten etwa der Euro-Kritiker Frank Schäffler (FDP) und der Vermögensverwalter Max Otte kürzlich im Interview mit der Wirtschaftswoche den Euro-Austritt Griechenlands sowie ein Ende der Rettungspolitik zu Lasten der Sparer. Und eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov ergab, dass fast jeder vierte Bundesbürger (23 Prozent) der Meinung ist, dass Deutschland in erster Linie an sich selbst denken müsse und in Krisenzeiten die knappen Mittel nicht für andere ausgeben sollte.

Das Deutschland-Bashing ist somit wohl noch lange nicht am Ende.

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