Umgang mit der Pandemie Corona in Belgien: Hohe Inzidenzen und eine gute Portion Gelassenheit

Auch in Belgien sind die Menschen müde nach bald zwei Jahren mit dem Coronavirus. Und doch geht das Land wesentlich gelassener durch die Pandemie als Deutschland. Quelle: imago images

Deutschlands westlichen Nachbarn starren nicht auf Kennwerte. Dank gut organisierter Kampagnen ist die Impfquote hoch. Trotz der unterschiedlichen Gefälle innerhalb des Landes, hat die Impf-Aufklärung geholfen, berichtet WiWo-Brüssel-Korrespondentin Silke Wettach.

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Mein Apotheker hat jetzt Safran strategisch auf der Theke platziert, zwölf Euro das Döschen. Das edle Gewürz soll die Laune aufhellen und Energie bringen. Auch in Belgien sind die Menschen müde nach bald zwei Jahren mit dem Coronavirus. Und doch geht das Land wesentlich gelassener durch die Pandemie als Deutschland. Schrille Diskussionen über eine Impfpflicht? Fehlanzeige. Die aktuelle Inzidenz? Kümmert im Alltag niemanden. Medien berichten, wenn überhaupt, die Fallzahlen.

Ende November lag die Inzidenz auf ihrem Höhepunkt bei über 1200. Und trotzdem geht das Leben relativ normal weiter. Restaurants müssen in Brüssel um 23 Uhr schließen. Die Expertenempfehlung, sie ganz dicht zu machen, hat die Regierung bei der letzten Beratungsrunde ignoriert. Gutes Essen hebt die Stimmung, wissen die Politiker.

Natürlich gibt es auch in Belgien Corona-Leugner, Impfgegner und Extremisten, die vor Gewalt nicht zurückschrecken. Der Virologe Marc Van Rast, das flämische Pendant zu Christian Drosten, wurde im Frühjahr mit seiner Familie wegen Morddrohungen in ein sicheres Haus gebracht. Mitte November eskalierte eine Anfangs friedliche Demonstration gegen Corona-Beschränkungen. Das ergab spektakuläre Fernsehbilder, war nach ein paar Tagen aber wieder vergessen.

Annähernd 76 Prozent der Belgier sind mittlerweile zwei Mal geimpft, in der EU liegt das Land damit auf Platz fünf. Mehr als 20 Prozent der Bewohner haben bereits zum dritten Mal eine Corona-Impfung bekommen. Und gerade hat die Regierung beschlossen, den Booster schon nach vier Monaten statt den bisher geplanten sechs Monaten zu verabreichen.

Die Impfkampagnen verliefen vorbildlich. In jedem der drei Landesteile können sich die Bürger über ein zentrales Online-Portal anmelden. Die Boosterkampagne wollte die Regierung zunächst erst im März 2022 beginnen, steuerte dann aber schnell um. Am letzten Montag im November ging die Webseite live, am folgenden Samstag hatte ich die dritte Dosis im Arm.

Die Regierung führt die hohe Impfquote auf die Hausärzte zurück, die ihre Patienten kennen und wissen, wen sie wie ansprechen müssen. Nun zahlt sich das aus, was ich seit Jahren in Belgien schätze: Mein Hausarzt nimmt sich Zeit für mich, hört genau zu, geht in Notfällen auch spätabends ans Handy. Ein „médecin de familie“, wie sie hier heißen, ist Vertrauensperson wie es ein Hausarzt in Deutschland für mich als Kassenpatientin nie war.



Im Land gibt es bei den Impfquoten freilich ein hohes Gefälle. In Flandern sind annähernd 81 Prozent der Bürger zwei Mal geimpft, in der französischsprachigen Wallonie dagegen nur 71 Prozent und in Brüssel gar nur knapp 58 Prozent. Es handele sich dabei um ein „ethnisches Problem“, sagte mir ein Regierungsberater schon vor Monaten. Die Gemeinden haben versucht, in Stadtteilen mit hohem Ausländeranteil wie Molenbeek Aufklärungskampagnen zu fahren.

Anders als in Deutschland wissen die Gemeinden genau, wie viele ihrer Einwohner geimpft sind, die Daten sind öffentlich abrufbar. Meine Impfungen sind auf meinem belgischen elektronischen Ausweis verzeichnet. Fachärzte sehen sie mit einem Blick. Insgesamt ist die Digitalisierung im Gesundheitswesen weiter fortgeschritten als in Deutschland. Ärzte können mir Rezepte ausstellen, die ich mit meinem Ausweis in der Apotheke abhole.

Wie in Deutschland gehen die Inzidenzen in Belgien gerade nach unten. Die Omikron-Variante wird sich aber auch hier schnell ausbreiten. Als Verkehrsknotenpunkt mit Schnellzugverbindungen nach London, Amsterdam, Paris und Frankfurt kann sich Brüssel nicht abschotten.

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Aber auch diese Welle sieht Belgien mit Gelassenheit entgegen. Gut lüften und keine 30 Leute zu Weihnachten einladen, riet kurz vom dritten Adventswochenende der Chef der belgischen Covid-Strategiegruppe.

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