Ungarn Viktor Orbán wendet sich Russland zu

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Lebensstandard gesunken

Der streitbare Premier hat die Parlamentswahlen deutlich gewonnen. Das Ausland rätselt, wie das passieren konnte, was die Folgen sind und wie es mit Viktor Orbán umgehen soll. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
von Tim Rahmann

Dabei ist der Lebensstandard der Ungarn objektiv betrachtet seit Orbáns Amtsantritt 2010 gesunken. Aber hat die Fidesz-Regierung nicht wenigstens die Arbeitslosigkeit kleingehalten? Vier Millionen Beschäftigte habe Ungarn; mit dieser Rekordzahl hatte sich Orbán im Wahlkampf gebrüstet. Gewerkschaftschef Balogh indes akzeptiert das nicht: Denn zu den vier Millionen gehörten 200.000 Menschen, die in einem sinnlosen öffentlichen Beschäftigungsprogramm stecken – und außerdem 400.000 Ungarn, die im Ausland arbeiten.

Diese Zahl steigt rasant. Arbeiteten 2012 beispielsweise 107.000 Ungarn in Deutschland, waren es im vergangenen Jahr schon 135.000. Auch Baloghs Bruder und Nichte leben in Deutschland. „Die würden eigentlich lieber hier in der Heimat arbeiten“, sagt er, „aber die Bedingungen sind halt schlecht.“ Fast jeder dritte junge Ungar hat zu Hause keinen Arbeitsplatz.

Ähnlich ist es mit dem Wirtschaftswachstum. Vergangenes Jahr stieg das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 1,1 Prozent, 2014 dürften es sogar zwei Prozent sein. Doch Zoltán Török, Chefanalyst der Raiffeisen Bank in Budapest, weist auf eine besorgniserregende Entwicklung hin: Das Wachstum basiert im Wesentlichen auf öffentlichen Investitionen und staatlichen Beschäftigungsmaßnahmen. Aus dem privaten Sektor kommen so gut wie keine Impulse, weder beim Konsum noch bei den Investitionen.

Bei der Erschließung neuer Geldquellen ist Orbán aber kreativ. Die private Rentenkasse verstaatlichte er im vergangenen Jahr kurzerhand – das Geld ist verbraten. Jetzt bedient er sich für seine Strohfeuer-Investitionen hauptsächlich in Brüssel. Ungarn gehört zu den größten Empfängern von EU-Hilfen. In den kommenden sieben Jahren sollen weitere rund 20 Milliarden Euro fließen.

Die nimmt Orbán bei aller Polemik gegen Brüssel gerne mit.

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