Deshalb ist es auch wenig verwunderlich, dass viele Ungarn in Viktor Orbán einen Glückfall für ihre Politik sehen. Ihm gelingt es weniger durch Misswirtschaft und Korruption aufzufallen, wie es die sozialistische-liberale Koalitionsregierung vor ihm getan hat. Er kann vielmehr auch wirtschafts- und sozialpolitische Verbesserungen vorzeigen: „Der Erfolg von Orban hat etwas mit der massiven Diskreditierung der postsozialistischen oder postkommunistischen Regierung zu tun. Es gelingt ihm aber auch ganz deutlich alle jene anzusprechen, die unter der Europäischen Union und unter einer schwierigen wirtschaftlichen Entwicklung leiden“, sagt Joachim von Puttkamer, Professor für Osteuropäische Geschichte der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Seit 2010 leitet er das Imre Kertész Kolleg ‚Europas Osten im 20. Jahrhundert. Historische Erfahrungen im Vergleich‘.
„Bis zu den vorletzten Wahlen war Ungarn ein Land, dem es relativ schnell gelungen ist, eine gewisse demokratische Stabilität zu entwickeln mit zwei sich gegenüberstehenden Parteiblöcken, die sich alle vier Jahre abgewechselt haben. Ein Garant für politische Stabilität,“ sagt der Wissenschaftler.
Aber trotzdem hat Orbán die Demokratie in Ungarn nicht kaputt gemacht. „Die Verfassung kann als problematisch angesehen werden, die sich aber noch im Spektrum einer parlamentarischen Demokratie bewegt.“ Auch die linke Opposition wäre keine gute Alternative, weil sie auch eine defizitäre Demokratieauffassung hat. Der Nationalismus des Landes ist eine ungarische Wirklichkeit.
Es gelingt Viktor Orbán diese Karte besonders geschickt zu spielen: Mittlerweile hat dieser auch seinen Weg in die Verfassung gefunden hat. Diese beginnt in der Präambel mit einem "Nationalen Glaubensbekenntnis". Der Name "Republik Ungarn" wurde ersetzt durch die "Der Name unserer Heimat ist Ungarn". Das mag sich für manche Beobachter befremdlich anhören, für die Ungarn ist es in Zeiten von wirtschaftlichen und sozialen Problemen aber ein Signal.
Das ist etwas, was er geschafft hat - und wofür er von den meisten Menschen in Ungarn mindestens respektiert wird. Die Mittel, die er dazu nutzt, und vor allem seine nationalistische Rhetorik sind allerdings falsch: Denn seine Politik hetzt gegen ethnische und sexuelle Minderheiten. Der Westen irrt deshalb nicht, wenn es in Orbán einen Menschen sieht, der seinem auf einem gefährlichem Nationalismus begründet- und es liegt in der Verantwortung der Europäische Union diesem Handeln Einhalt zu bieten - und die Opposition zu stärken. Ungarn sollte sich dabei auch ins Bewusstsein rufen, dass das Land - wie es sich heute zeigt - nicht Teil der Staatengemeinschaft geworden wäre und seit seinem Beitritt 2004 auch von der Europäischen Union profitiert hat.