Urheberrecht EU-Kommission plant Frontalangriff auf Google

Europäische Verleger sollen stärkere Rechte bekommen, damit der US-Gigant nicht mehr frei auf Presseerzeugnisse zugreifen kann. Die EU-Kommission sieht andernfalls die Medienpluralität in Gefahr.

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Günther Oettinger. Quelle: dpa

Am 21. September will EU-Digitalkommissar Günther Oettinger die Reform des Urheberrechts vorstellen, eines der wichtigsten Projekte seiner Amtszeit. Die Folgenabschätzung des Gesetzesvorhabens, die der WirtschaftsWoche vorliegt, zeigt, dass die EU-Kommission dabei einen Frontalangriff auf Google plant. Sie will einen europäischen Leistungsschutz für Online-Printerzeugnisse schaffen.

Google reißt bisher in seinem Dienst "Google News" Nachrichten an, ohne dafür zu bezahlen. Deutschland hatte 2013 das Leistungsschutzrecht eingeführt, um Google genau dazu zu bringen. Das deutsche Gesetz hat bisher jedoch seine Wirkung verfehlt, weil sich die Verleger darauf verständigt haben, Google gratis eine Lizenz zu erteilen, um Nachrichten aufzulisten. Verlage, die sich bei Google News nicht haben listen lassen, verzeichneten einen Einbruch bei den Zugriffszahlen und ruderten daraufhin zurück.

Die EU-Kommission will nun auf europäischer Ebene handeln. "Ohne Intervention auf EU-Ebene", so heißt es in der Folgenabschätzung, würde "die Rechtsunsicherheit wachsen und die Position der Verleger geschwächt, was ihre Einnahmenverluste verschärfen würde". Die EU-Kommission sieht ohne einen Eingriff auf europäischer Ebene den "Pluralismus der Medien" und die "hohe Qualität von Information" in Gefahr.

Die EU-Kommission weist darauf hin, dass sich die Verhandlungsmacht der europäischen Verleger ohne ein EU-Gesetz weiter schwächen würde und zitiert eine Studie wonach die Auflage von Tageszeitungen in Europa zwischen 2014 und 2019 um 19 Prozent sinken soll.

Die EU-Kommission will den Verlegern den Status von Urhebern verleihen, wie ihn bisher schon Musik- und Filmproduzenten genießen. Dadurch soll ihre Verhandlungsmacht gegenüber Service-Anbietern wie Google steigen. Die EU-Kommission argumentiert, dass eine solche europäische Lösung die Verleger sehr viel mehr stärken würde als nationale Maßnahmen wie der deutsche Leistungsschutz oder die Regelung in Spanien. Dort hatte ein Gesetz Google gezwungen, die Übernahme von Kurz-Meldungen zu zahlen. Google hatte sich darauf hin aus dem spanischen Markt zurückgezogen.

Der US-Konzern hat bereits angedeutet, dass er bei einem europäischen Leistungsschutzrecht den Dienst "Google-News" in der gesamten EU dicht machen würde. Manche Verleger halten das für eine leere Drohung.

Die neue Macht der Verleger

Nach den EU-Regeln würden die Verleger künftig selbst entscheiden können, welche Art von Lizenz- und Bezahlmodelle sie mit Suchmaschinen wie Google abschließen würden. Die EU-Kommission zitiert Angaben von Verlegern aus Deutschland, Belgien, Frankreich, Finnland, Polen, Italien, Spanien und Großbritannien, wonach die Einführung eines europäischen Leistungsschutzrechts den Umsatz der Verleger um zehn Prozent und den Gewinn sogar um zehn bis 15 Prozent steigern könnte.

Die EU-Kommission geht davon aus, dass mittel- bis langfristig mehr Lizenz-Abkommen zwischen Verlegern und Service-Anbietern wie Google geschlossen würden. Sie argumentiert, dass einheitliche Regeln für Europa solche Vereinbarungen vereinfachen würden, weil sich Service-Anbieter nicht mehr mit unterschiedlicher nationaler Gesetzgebung auseinandersetzen müssten.

Die Wissenschaft steht einer Ausweitung des Urheberrechts auf Verleger, so wie Brüssel sie plant, sehr skeptisch gegenüber. Das Max Planck Institut für Innovation und Wettbewerb betont in einer Stellungnahme zur EU-Konsultation im Frühjahr, dass es kein Marktversagen gebe, das einen solchen Eingriff rechtfertigen würde. Verleger hätten technische Möglichkeiten, um den Zugriff auf ihre Texte zu verhindern.

Das Landgericht Berlin hatte in einem Urteil Anfang des Jahres darauf hingewiesen, dass Dienste wie Google News eine “Win-Win-Situation” herstellen, weil sie den Verlegern Traffic zuführen. “Dieses ausbalancierte System wird durch das Leistungsschutzgesetz aus dem Gleichgewicht gebracht”, hieß es damals mit Blick auf die deutsche Lage.

Die EU-Mitgliedsstaaten und das Europäische Parlament müssen über die Vorschläge der EU-Kommission zu einem europäischen Leistungsschutz mitentscheiden. Aus dem Europäischen Parlament ist erheblicher Gegenwind zu erwarten. “Wir haben uns in der Vergangenheit mehrfach mehrheitlich gegen Leistungsschutz ausgesprochen”, sagt Julia Reda von der Piratenpartei. “Es geht gegen die Absicht der EU-Kommission, das Urheberrecht zu vereinfachen.”

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