In Griechenland stinkt und ätzt ein großer Teil der gefährlichen Industrieabfälle an Orten vor sich hin, wo sie die Natur verschmutzen und unmittelbare Gesundheitsschäden für Menschen bedeuten können. Angemessene Anlagen zur Entsorgung von Lösungsmitteln, Säuren, Laugen, Lacken, Pestiziden und anderen Abfällen gibt es nicht in ausreichender Zahl - zumindest nicht nach europäischen Vorgaben.
Die „Hellenische Republik“, besser bekannt als Griechenland, muss deswegen nun ein „Zwangsgeld“ zahlen. Das hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) entschieden. Und zwar einen „Pauschalbetrag“ von 10 Millionen Euro und zusätzlich „30.000 Euro für jeden Tag des Verzugs“ bei der Umsetzung eines früheren Urteils von 2009.
Schon damals hatte der EuGH festgestellt, dass das Land mehreren EU-Richtlinien seit Jahren nicht nachgekommen war. Und da sich daran auch seither offenbar nichts wesentlich änderte – drei geforderte Sondermüllanlagen sind immer noch nicht gebaut –, hat die Europäische Kommission im Dezember 2014 erneut Klage eingereicht. Und nun Recht bekommen.
Die Verurteilung zu einem „Zwangsgeld“ trifft eine Privatperson oder ein Unternehmen üblicherweise hart. Jeder Tagessatz bedeutet für den Verurteilten den Zwang zum Konsumverzicht, für ein Unternehmen bedeutet es weniger Gewinn oder gar Verlust, sinkenden Aktienkurs. Alle Stakeholder der verurteilten Firma spüren das Urteil jedenfalls schmerzlich.
Das interne Sanktionsregime der EU ist absurd
Doch wer spürt im Fall des Urteils Schmerzen? Wird in Griechenland irgendjemand den Gürtel enger schnallen müssen? Im Urteil ist von einer „abschreckenden Maßnahme“ die Rede. Aber wird das Urteil wirklich griechische Regierungspolitiker und Ministerialbeamte dazu veranlassen, künftig die Umsetzung Brüsseler Richtlinien besser zu planen?
Die wichtigsten Antworten im Poker um neue Griechenlandhilfen
Die Ressortchefs wollen griechische Spar- und Reformschritte bewerten. Wenn die - seit Monaten verzögerte - Überprüfung des im vergangenen Jahr gestarteten Hilfsprogrammes abgeschlossen wird, ist der Weg für weitere Milliardenhilfen aus dem Euro-Rettungsschirm ESM geebnet.
Eher gut. Ein ganz wichtiger Punkt sind die griechischen Reformbemühungen, vor allem im Renten- und Sozialsystem. Am Sonntag verabschiedete das Parlament in Athen ein weiteres Sparpaket. Darin sind Steuererhöhungen vorgesehen, Tanken, Rauchen und Telefonieren etwa dürften in Zukunft deutlich teurer werden. Die Maßnahmen sollen rund 1,8 Milliarden Euro in die Staatskasse spülen.
Das Parlament beschloss außerdem eine insbesondere vom Internationalen Währungsfonds (IWF) geforderte Schuldenbremse. Diese soll greifen, falls Griechenland Sparziele nicht erfüllt. Sie ist notwendig, weil der Weltwährungsfonds die Budgetaussichten des Landes deutlich pessimistischer einschätzt als die europäischen Partner.
Er rechnet mit einer Einigung der Geldgeber über die Freigabe weiterer Griechenland-Hilfen. „Wir kriegen das hin, wir sind auf gutem Weg“, hatte der CDU-Politiker am Samstag in Japan gesagt. „Ob wir am Dienstag fertig werden, weiß ich nicht“, schränkte er jedoch ein.
Allein im Juli muss Griechenland zusammen 3,67 Milliarden Euro an den IWF, die Europäische Zentralbank (EZB) und andere Gläubiger zurückzahlen. Das Geld fehlt aber zur Zeit in den Staatskassen. In der Debatte ist ein hoher Auszahlungsbetrag in der Spanne von neun bis elf Milliarden Euro. Das dritte Rettungsprogramm hat insgesamt einen Umfang von bis zu 86 Milliarden Euro.
Ja. Selbst nach einer Einigung zwischen den Eurostaaten und Griechenland dürften noch einige Wochen vergehen, bevor Geld nach Athen fließen kann. In einigen Ländern des gemeinsamen Währungsraums, unter anderem in Deutschland, müssen nationale Parlamente vor einer endgültigen Entscheidung noch zustimmen.
Die Euro-Minister legten zum ersten Mal einen Zeitplan vor. Das reicht dem IWF aber offenkundig nicht aus. Es sickerte ein weitgehender Plan durch, wonach die Europäer Zinsen und Rückzahlungen bis 2040 aufschieben sollten. Das Thema ist politisch extrem kompliziert, zumal Schäuble mehrfach sagte, Schuldenmaßnahmen seien für die nächsten Jahre gar nicht nötig.
Bisher nicht. Vor allem Deutschland pocht auf eine Beteiligung des Fonds. Ob es rasche Bewegung geben wird, ist offen. Die eloquente IWF-Chefin Christine Lagarde ist verhindert und wird bei der Eurogruppe gar nicht am Tisch sitzen.
Der jahrelange Streit vor dem EuGH und das verhängte Zwangsgeld illustrieren bei näherer Betrachtung die Absurdität des internen Sanktionsregimes der Europäischen Union. Ein Mitgliedsstaat, der aus eigener Kraft längst zahlungsunfähig ist, aber aus politischen Gründen von den anderen weiter mitfinanziert wird, soll von dem Geld, das er von diesen bekommen hat, eine Strafe an den gemeinsamen EU-Haushalt zahlen. Es wird also das große Loch in der griechischen Staatskasse noch ein klein wenig größer, das von den Finanziers der „Griechenlandrettung“ ohnehin gestopft wird. Und unterm Strich werden im Wesentlichen die „Retter“ Griechenlands das vorgebliche Zwangsgeld an sich selbst zahlen.
Eine „Abschreckungswirkung“, wie sie der EuGH zur Begründung des Urteils behauptet, dürfte also wohl kaum von dem Zwangsgeld ausgehen. Im besten Fall wird das Luxemburger Urteil den Stolz der griechischen Regierung und der Bürokratie verletzen und sie dazu veranlassen, nun doch alles zu tun, um die Sondermüll-Infrastruktur des Landes auf Vordermann zu bringen. Das Urteil von 2009 hätte das allerdings auch schon bewirken können. Tat es aber offensichtlich nicht.