Der französische Staatschef wird den US-Präsidenten zudem zu überzeugen versuchen, dass eine verstärkte europäische Zusammenarbeit bei Verteidigungsthemen nicht in Konkurrenz zur Nato-Bündnistreue steht. „Das ist kein Widerspruch, sondern kann die Nato im Gegenteil zusätzlich stützen,“ heißt es dazu aus Macrons Umfeld. „Dieses Thema wird in den nächsten Monaten eine große Rolle spielen.“
Zu den politischen Differenzen zwischen den USA und Frankreich kamen in der Vergangenheit häufig kulturelle und wirtschaftliche. Die Franzosen waren nie Freunde des geplanten EU-Freihandelsabkommens mit den USA und nicht wirklich traurig, dass unter Obama daraus nichts mehr wurde.
Als der US-Streamingdienst Netflix im Spätsommer 2014 nach Frankreich kam, wähnten die französischen Kulturschaffenden den Untergang des Abendlandes. Der ist ausgeblieben, aber kaum ein anderes europäisches Land verwendet - bisher nahezu erfolglos - so viel Energie darauf, in Europa tätige US-Unternehmen wie Google, Amazon, Microsoft oder Facebook als Steuertrickser zu verfolgen.
Französische Banken wiederum zahlten Milliardenstrafen für Beziehungen zu von den USA so bezeichneten Schurkenstaaten wie den Iran beziehungsweise verhandeln noch darüber. Dass Trump den Iran weiter als Unterstützer des Islamischen Staats brandmarkt, dürfte Frankreichs Unternehmer beunruhigen, die auf den Markt große Hoffnungen setzen.
Dass die Trump-Regierung bisher ein klares Bekenntnis zum freien Handel und gegen Markt-abschottung verweigert, ist nicht nur für Frankreichs Unternehmer ein Ärgernis. Es stellt das Treffen der G7-Gruppe der führenden westlichen Industrieländer am Freitag und Samstag auf Sizilien vor eine riesige Hürde. Macron wird sich deshalb nach Informationen aus seinem Umfeld zum Für-sprecher des Welthandels machen und das Mittagessen auch dazu nutzen, dem US-Präsidenten die Vorteile der Reziprozität schmackhaft zu machen. Womöglich aber gehen die Staats- und Regierungschefs an diesem Wochenende trotzdem auseinander wie bereits unlängst die Finanzminister und Notenbankchefs der G7-Länder: mit einem Minimalkonsens, dem zu Folge am Beitrag des Handels für die Volkswirtschaften „gearbeitet“ wird.
Wirtschaftspolitische Pläne von Emmanuel Macron
Die Unternehmenssteuer soll von derzeit 33 auf 25 Prozent gesenkt werden. Die Steuergutschrift für Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung (CICE) soll umgewandelt werden in eine dauerhafte Entlastung für Arbeitnehmer mit niedrigen Löhnen.
An der 35-Stunden-Woche soll festgehalten werden. Allerdings könnte sie flexibler geregelt werden, indem Betriebe über die tatsächliche Arbeitszeit mit ihren Beschäftigten verhandeln.
Sie sollen von bestimmten Sozialabgaben befreit werden. Dadurch könnten Niedriglohnempfänger einen zusätzlichen Monatslohn pro Jahr in ihren Taschen haben.
Binnen fünf Jahren sollen 50 Milliarden Euro an öffentlichen Geldern investiert werden. 15 Milliarden Euro davon sollen in bessere Aus- und Weiterbildung gesteckt werden, um die Einstellungschancen von Jobsuchenden zu verbessern. Ebenfalls 15 Milliarden Euro sind geplant, um erneuerbare Energien zu fördern. Weitere Milliarden sind für die Landwirtschaft, die Modernisierung der öffentlichen Verwaltung, für Infrastruktur und Gesundheitswesen geplant.
60 Milliarden Euro an Einsparungen sind bei den Staatsausgaben vorgesehen, die in Frankreich traditionell hoch sind. Zehn Milliarden Euro soll der erwartete Rückgang der Arbeitslosenquote von derzeit etwa zehn auf sieben Prozent bringen, indem die Ausgaben für Arbeitslosengeld sinken. Durch eine verbesserte Effizienz soll das Gesundheitswesen zehn Milliarden einsparen, weitere 25 Milliarden Euro die Modernisierung des Staatsapparates.
In Gegenden mit niedrigem Einkommen soll die Schülerzahl auf zwölf pro Klasse begrenzt werden. Lehrer sollen als Anreiz für eine Arbeit in solchen Regionen einen Bonus von 3000 Euro pro Jahr bekommen. Mobiltelefone in Schulen sollen für Kinder bis 15 Jahren verboten werden. Alle 18-Jährigen sollen einen Kulturpass im Wert von 500 Euro erhalten, den sie beispielsweise für Kino-, Theater- und Konzertbesuche ausgeben können.
Kippen könnten die Stimmung zwischen Macron und Trump dann ausgerechnet beim Thema Klimawandel. „Dieses Thema spaltet weit mehr als die Ansichten über die Handelsbeziehungen,“ räumt man in Paris ein. „Jeder kennt die besondere Verbundenheit Frankreichs zum Klimaabkommen von Paris,“ sagen Macrons Berater. Das bei der UN-Konferenz im Dezember 2015 in Paris getroffene Abkommen zur Begrenzung der Erderwärmung auf „deutlich unter 2 Grad“ im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter gilt als Meilenstein im Kampf gegen den weltweiten Klimawandel. Doch Trump hatte es bereits im US-Wahlkampf deutlich kritisiert und sich zu Gunsten seiner America-First-Pläne für mehr Kohle ausgesprochen. „Wir wollen nicht, dass die USA von diesem Ab-kommen zurücktreten. Das wäre wirklich eine schlechte Nachricht,“ betonen Macrons Berater. „Wir hoffen, dass wir das größtmögliche Engagement der USA erreichen können.“
Doch dass die USA während der Ministerrunden zur Vorbereitung des G7-Treffens ihre Position nicht formuliert haben, gilt unter Beobachtern als schlechtes Zeichen. Trump hat die Entscheidung darüber bis nach dem Gipfel hinaus geschoben. Es gibt auch aus diesem Grund ganz gegen die Gepflogenheiten keinen Entwurf für eine gemeinsame Erklärung der Staats- und Regierungschefs. „Normalerweise steht so ein Entwurf zehn Tage vor einem Event,“ bedauert man in Paris. „Wir sind hoffen, dass wir darauf noch Einfluss nehmen können.“
Womöglich sind also 1 Stunde und 15 Minuten in Wahrheit doch recht wenig Zeit, um gegensätzlich Positionen wenigstens einander anzunähern. Macron ist dafür bekannt, mit seinem Charme und seiner Überzeugungskraft beinahe Berge versetzen zu können. Sein Wahlsieg in Frankreich als parteiloser Polit-Neuling sind ein Beweis dafür. Nun steht er vor seiner ersten internationalen Feuer-probe. Nicht auszuschließen, dass darüber das Essen kalt wird.