Eier werden knapp, in vielen Wohnungen schimmelt es und die Preise für fast alles schießen durch die Decke: Die Britinnen und Briten müssen derzeit mit etlichen Ärgernissen klar kommen. Ein Überblick über das, was auf der Insel nicht recht funktioniert – ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
Explodierende Preise in Großbritannien
Die wirtschaftliche Lage ist mies wie lange nicht mehr: Die Rezession hat offiziell begonnen, die Inflation liegt bei mehr als elf Prozent, die Reallöhne sinken. Finanzminister Jeremy Hunt will mit rund 55 Milliarden Pfund (63 Mrd Euro) Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen die leere Kasse auffüllen.
Schneller schlau: Inflation
Wenn die Preise für Dienstleistungen und Waren allgemein steigen – und nicht nur einzelne Produktpreise – so bezeichnet man dies als Inflation. Es bedeutet, dass Verbraucher sich heute für zehn Euro nur noch weniger kaufen können als gestern noch. Kurz gesagt: Der Wert des Geldes sinkt mit der Zeit.
Die Inflationsrate, auch Teuerungsrate genannt, gibt Auskunft darüber, wie hoch oder niedrig die Inflation derzeit ist.
Um die Inflationsrate zu bestimmen, werden sämtliche Waren und Dienstleistungen herangezogen, die von privaten Haushalten konsumiert bzw. genutzt werden. Die Europäische Zentralbank (EZB) beschreibt das wie folgt: „Zur Berechnung der Inflation wird ein fiktiver Warenkorb zusammengestellt. Dieser Warenkorb enthält alle Waren und Dienstleistungen, die private Haushalte während eines Jahres konsumieren bzw. in Anspruch nehmen. Jedes Produkt in diesem Warenkorb hat einen Preis. Dieser kann sich mit der Zeit ändern. Die jährliche Inflationsrate ist der Preis des gesamten Warenkorbs in einem bestimmten Monat im Vergleich zum Preis des Warenkorbs im selben Monat des Vorjahrs.“
Eine Inflationsrate von unter zwei Prozent gilt vielen Experten als „schlecht“, da sie ein Zeichen für schwaches Wirtschaftswachstum sein kann. Auch für Sparer sind diese niedrigen Zinsen ein Problem. Die EZB strebt mittelfristig eine Inflation von zwei Prozent an.
Deutlich gestiegene Preise belasten Verbraucherinnen und Verbraucher. Sie können sich für ihr Geld weniger leisten. Der Privatkonsum ist jedoch eine wichtige Stütze der Konjunktur. Sinken die Konsumausgaben, schwächelt auch die Konjunkturentwicklung.
Von Disinflation spricht man, wenn die Geschwindigkeit der Preissteigerungen abnimmt – gemeint ist also eine Verminderung der Inflation, nicht aber ein sinkendes Preis-Niveau.
Über den Winter federt die Regierung immerhin die besonders explodierten Verbraucherpreise für Strom und Gas ab - ab April müssen die Briten jedoch wohl selbst deutlich tiefer in die Tasche greifen.
Ohne Strom im Winter?
Während man in Deutschland im Sommer über kaum etwas so hitzig diskutierte wie den Füllstand der Gasspeicher, war Großbritannien mit dem regelmäßigen Sturz seiner Premierminister abgelenkt. Dann warnte plötzlich der britische Stromnetzbetreiber auf einmal: Sollte nicht genug Gas vorhanden sein, müsse im schlimmsten Fall der Strom vorübergehend abgestellt werden.
In einem „unwahrscheinlichen Szenario” könnten Haushalte und Unternehmen teilweise mit geplanten dreistündigen Stromausfälle konfrontiert sein, um die Stabilität des Netzes gewährleisten zu können, hieß es vom National Grid Electricity System Operator (ESO).
Züge stehen still
Vor einigen Monaten schrieben britische Medien von einem „Sommer der Streiks”. Nun ist dieser längst vorbei, doch gestreikt wird noch immer. Regelmäßig stehen etliche Züge still, weil sich die Beschäftigten der weitgehend privatisierten Bahnunternehmen nicht mit den Arbeitgebern einig werden. Auch die Beschäftigten der Royal Mail sind im Arbeitskampf, so dass Post oft auf sich warten lässt.
Fehlende Fachkräfte
Wirtschaftlicher Aufschwung geht nicht ohne Fachkräfte: Gerade in Dienstleistungsbranchen - etwa in der Gastronomie oder Logistik - fehlen Großbritannien jedoch Arbeitskräfte, auch weil es für sie keine einfachen Visa gibt, die den Weg auf den britischen Arbeitsmarkt ebnen.
Vor dem Brexit arbeiteten oft EU-Bürger in diesen Jobs, viele von ihnen haben mittlerweile aber die Insel verlassen. „Was wir brauchen, sind Menschen, die die Jobs machen, die die Bevölkerung nicht machen will”, sagte der Ökonom Charles Goodhart kürzlich der „Financial Times”.
Die nächste Seuche
Die Corona-Pandemie haben die Briten - unabhängig von der Infektionslage - weitgehend für beendet erklärt, nun macht die nächste Seuche dem Land zu schaffen. Mit mehr als 200 bestätigten Fällen erleidet Großbritannien nach Angaben des Umweltministeriums den bisher größten Ausbruch von Vogelgrippe. Das Virus trifft unter anderem Truthähne - und damit eine traditionelle Weihnachtsmahlzeit.
Fast ein Drittel der jährlichen Truthahnproduktion von 11 Millionen Tieren sei gekeult worden, berichtete die Zeitung „Daily Mail” bereits Ende Oktober. Außerdem sind seit Anfang Oktober nach Angaben des Verbands British Free Range Egg Producers Association (BFREPA) mehr als 750.000 Hennen getötet worden, weshalb die Eier knapp werden. Supermärkte rationieren daher bereits den Verkauf.
Abwasser an der Küste
Wer an die britische Küste reist, muss sich hier und dort auf eine unangenehme Erfahrung gefasst machen, die in den vergangenen Wochen und Monaten immer wieder für Entrüstung sorgte:
Überschüssiges Abwasser darf, wenn nach starken Regenfällen die Rohre zu den Kläranlagen zu voll sind, direkt in das Meer und die Flüsse geleitet werden - diese Option nutzten zuletzt etliche Kläranlagen. Dutzende Strände wurden daraufhin wegen Verschmutzung gesperrt.
Baufällige Wohnungen
Während die Mietpreise insbesondere in der Hauptstadt London in ungekannte Höhen schießen, tut sich bei der Instandhaltung und Isolierung der Immobilien wenig: „Mindestens” Zehntausende Wohnungen im Land seien wegen Feuchtigkeit und Schimmel nicht sicher, gab Bauminister Michael Gove in einem BBC-Interview zu.
„Wir wissen, dass es eine beträchtliche Anzahl von Immobilien gibt, von denen einige in den 1960er und 1970er Jahren gebaut wurden und sich in einem schlechten Zustand befinden”, sagte der konservative Politiker. Sie müssten dringend renoviert oder repariert werden.
Das Problem mit Brexit
Dass der Handel mit der EU eingebrochen ist und Post-Brexit-Handelsdeals wie jene mit Japan oder Australien bislang nicht halten, was man sich von ihnen versprochen hat, macht klar: Der Brexit lähmt das Königreich. Die unabhängige Wirtschaftsaufsicht OBR betont, der Brexit habe „erhebliche nachteilige Auswirkungen auf den Handel” mit der EU gehabt und schädige die Wirtschaft nachhaltig.
Die öffentliche Unterstützung ist einer Umfrage zufolge auf ein Rekordtief gesunken. 56 Prozent der Menschen in Großbritannien halten den Brexit mittlerweile für einen Fehler, wie das Meinungsforschungsinstituts Yougov herausfand. Von denjenigen, die selbst für den Austritt gestimmt haben, halten nur noch 70 Prozent an ihrer damaligen Meinung fest - so wenige wie noch nie.
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