Nach den jüngsten Terrorattacken von Paris mit 130 Toten will die französische Regierung das Recht für den seitdem geltenden Ausnahmezustand in der Verfassung verankern. Zudem soll verurteilten Terroristen mit zwei Nationalitäten die französische Staatsangehörigkeit entzogen werden können. Regierungschef Manuel Valls sprach am Mittwoch in Paris von einer „symbolischen Maßnahme“.
Frankreich rechnet weiter mit der Gefahr islamistischer Anschläge. Erst am Dienstag war bekannt geworden, dass Angriffe in Orléans auf Einrichtungen von Militär, Gendarmerie und Polizei vereitelt wurden. Zwei Franzosen im Alter von 20 und 24 Jahren seien festgenommen worden, die Kontakt zu einem Mann in Syrien gehabt hätten.
Frankreich und der Terror
Am französischen Nationalfeiertag am 14. Juli rast in der Hafenstadt Nizza ein Attentäter mit einem Lastwagen in eine Menschenmenge. Mindestens 84 Menschen werden getötet, mehr als 200 verletzt.
Am 26. Juli haben in Saint-Étienne-du-Rouvray in der Normandie zwei Geiselnehmer einen Priester getötet, ein weiteres Opfer schwebt in Lebensgefahr. Die mutmaßlichen Täter wurden getötet. Der IS reklamierte die Tat über sein Sprachrohr Amak für sich.
Ein Mann ersticht in Magnanville westlich von Paris einen Polizisten und dessen Lebensgefährtin. Die Polizei erschießt den Täter, der sich zuvor zum IS bekannt hatte.
Am Jahrestag der Anschläge auf „Charlie Hebdo“ schießen Polizisten vor einem Pariser Kommissariat einen Mann nieder. Er war mit einem Messer bewaffnet und trug die Attrappe einer Sprengstoffweste.
Bei einer koordinierten Anschlagsserie in Paris töten IS-Extremisten 130 Menschen. In der Konzerthalle „Bataclan“ richten sie ein Massaker an, Bars und Restaurants werden beschossen, am Stade de France sprengen sich während des Fußball-Länderspiels Frankreich-Deutschland drei Selbstmordattentäter in die Luft.
Ein 25-jähriger Islamist wird im Thalys-Schnellzug auf dem Weg von Brüssel nach Paris bei einem Anschlagversuch mit einem Schnellfeuergewehr von Fahrgästen überwältigt. Zwei Zuginsassen werden verletzt.
Bei einem Anschlag auf das Satiremagazin „Charlie Hebdo“ in Paris werden zwölf Menschen ermordet. Die beiden islamistischen Attentäter Chérif und Said Kouachi kommen zwei Tage später bei einer Polizeiaktion nordöstlich von Paris um. Der Islamist Amedy Coulibaly, der die Brüder Kouachi kannte, erschießt bei Paris eine Polizistin und nimmt mehrere Geiseln in einem jüdischen Supermarkt. Er tötet dort vier Menschen, bevor er von der Polizei erschossen wird.
Die Gruppe Jund al-Khilafa („Soldaten des Kalifats“), ein Ableger der Terrormiliz Islamischer Staat, enthauptet einen in Algerien entführten französischen Touristen.
In Mali werden zwei Mitarbeiter von Radio France Internationale (RFI) entführt und ermordet. Die Terrororganisation Al-Kaida im islamischen Maghreb bekennt sich zur Tat. Zuvor hatte sich die Gruppe dazu bekannt, eine andere französische Geisel getötet zu haben.
Ein Serien-Attentäter erschießt sieben Menschen, darunter drei Kinder und einen Lehrer einer jüdischen Schule. Er wird nach rund 32-stündiger Polizeibelagerung seiner Wohnung erschossen. Zuvor hatte er sich als Al-Kaida-Anhänger bezeichnet.
Vor der Küste Jemens rammt ein mit Sprengstoff beladenes Boot den französischen Tanker „Limburg“. Ein Matrose kommt ums Leben. Al-Kaida bekennt sich zu dem Anschlag.
Bei einem Anschlag mit einer Gasflaschen-Bombe im Pariser S-Bahnhof Port Royal kommen vier Menschen ums Leben. Bereits 1995 waren bei einer Serie von Terroranschlägen, die islamischen Fundamentalisten aus Algerien zugeschrieben werden, in Frankreich insgesamt acht Menschen getötet worden.
Bei einem Absturz eines französischen Flugzeugs in Folge einer Bombenexplosion an Bord über dem afrikanischen Staat Niger sterben 170 Menschen. Ein französisches Gericht verurteilt sechs Libyer in Abwesenheit zu lebenslanger Haft, unter ihnen einen Schwager des damaligen libyschen Staatschefs Muammar el Gaddafi.
Die Frage der Staatsbürgerschaft ist Teil der Änderungen im Kampf gegen den Terrorismus, die Präsident François Hollande vor dem aus beiden Parlamentskammern bestehenden Kongress angekündigt hatte. Widerstand dagegen gab es vor allem vom linken Flügel der regierenden Sozialisten bis hin zu Justizministerin Christiane Taubira. Sie wies am Mittwoch nach dem Kabinettsbeschluss darauf hin, das „letzte Wort“ habe der Staatschef gehabt.
Die Regierung verspricht sich vom Verfassungsrang für den Ausnahmezustand eine bessere Grundlage für rasche Entscheidungen. Seit den Anschlägen herrscht ein Ausnahmezustand bereits auf der bisherigen gesetzlichen Grundlage.
1000 Franzosen haben sich IS angeschlossen
Auf Grundlage des Ausnahmezustands können Innenministerium, Polizei oder Präfekturen zum Beispiel die Bewegungsfreiheit von Personen einschränken oder sogar Hausarreste verhängen. Auch Durchsuchungen ohne richterlichen Beschluss sind möglich. Nach jüngsten Angaben des Innenministeriums gab es seit November 2898 solcher Durchsuchungen.
„Die Bedrohung ist niemals so groß gewesen“, sagte Valls. Frankreich sei konfrontiert mit einem „Krieg gegen den Terrorismus, gegen den Dschihadismus, gegen den radikalen Islamismus“.
Der Premierminister nannte dazu Zahlen: Rund 1000 Franzosen hätten sich den Islamisten in Syrien und im Irak angeschlossen. Etwa 600 von ihnen seien noch immer dort, rund 150 ums Leben gekommen und 250 nach Frankreich zurückgekehrt. Viele Kämpfer für die Terrormiliz Islamischer Staat kämen aus Europa, nicht nur aus Frankreich oder Belgien. „Es ist bekannt, dass die Kämpfer oft nach Sprachen gruppiert werden, um zu trainieren und sich auf terroristische Anschläge vorzubereiten.“
Valls kündigte an, die geplante Verfassungsänderung solle vom 3. Februar an zunächst in der Nationalversammlung und anschließend im Senat diskutiert werden. Dabei zeigte er sich zuversichtlich, die notwendige Mehrheit von drei Fünfteln der Kongressmitglieder zu bekommen. „Ich habe Vertrauen in die Verantwortung der Regierungsmehrheit wie der Opposition“, sagte der Regierungschef.
Der mutmaßliche Terrorist von Lyon hat sich im Gefängnis erhängt. Der 35-jährige Yassin S. sei am Dienstagabend tot in seiner Zelle gefunden worden, berichtete die französische Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf die Gefängnisverwaltung von Fleury-Mérogis nahe Paris. Yassin S. war im Juni beim Versuch überwältigt worden, Gasbehälter in einem Werk für Industriegase zu sprengen. Zuvor hatte er im Werk seinen Chef getötet und enthauptet. Er gestand die Tat, leugnete jedoch einen islamistischen Hintergrund und sprach von einem Konflikt mit seinem Vorgesetzten und Eheproblemen.