Verfassungsänderung Frankreich will Terroristen Staatsbürgerschaft entziehen

Der Ausnahmezustand soll in Frankreichs Verfassung. Die Regierung verspricht sich davon rasches Handeln in Zeiten des Terrors. Seit den jüngsten Anschlägen gab es fast 3000 Durchsuchungen ohne richterlichen Beschluss.

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So soll der Kampf gegen den Terror verschärft werden
Innenminister Quelle: dpa
Eifelturm Quelle: dpa
Italien Quelle: dpa
G20-Vertreter Quelle: dpa
Schweden Quelle: dpa
Belgien reagierte auf den Terror in Paris mit Pass- und Fahrzeugkontrollen an der Grenze zu Frankreich Quelle: dpa
SpanienIn Spanien wurde erwartet, dass an der 656 Kilometer langen Grenze zu Frankreich deutlich mehr Sicherheitskräfte eingesetzt werden. Schon nach Anschlägen in Tunesien und Kuwait hatte Madrid im Juni den Alarm auf die zweithöchste Stufe 4 angehoben. Seitdem gelten für Flughäfen und Bahnhöfe, Atomanlagen und Botschaften verschärfte Schutzmaßnahmen. Quelle: AP

Nach den jüngsten Terrorattacken von Paris mit 130 Toten will die französische Regierung das Recht für den seitdem geltenden Ausnahmezustand in der Verfassung verankern. Zudem soll verurteilten Terroristen mit zwei Nationalitäten die französische Staatsangehörigkeit entzogen werden können. Regierungschef Manuel Valls sprach am Mittwoch in Paris von einer „symbolischen Maßnahme“.

Frankreich rechnet weiter mit der Gefahr islamistischer Anschläge. Erst am Dienstag war bekannt geworden, dass Angriffe in Orléans auf Einrichtungen von Militär, Gendarmerie und Polizei vereitelt wurden. Zwei Franzosen im Alter von 20 und 24 Jahren seien festgenommen worden, die Kontakt zu einem Mann in Syrien gehabt hätten.

Frankreich und der Terror

Die Frage der Staatsbürgerschaft ist Teil der Änderungen im Kampf gegen den Terrorismus, die Präsident François Hollande vor dem aus beiden Parlamentskammern bestehenden Kongress angekündigt hatte. Widerstand dagegen gab es vor allem vom linken Flügel der regierenden Sozialisten bis hin zu Justizministerin Christiane Taubira. Sie wies am Mittwoch nach dem Kabinettsbeschluss darauf hin, das „letzte Wort“ habe der Staatschef gehabt.

Die Regierung verspricht sich vom Verfassungsrang für den Ausnahmezustand eine bessere Grundlage für rasche Entscheidungen. Seit den Anschlägen herrscht ein Ausnahmezustand bereits auf der bisherigen gesetzlichen Grundlage.

1000 Franzosen haben sich IS angeschlossen

Auf Grundlage des Ausnahmezustands können Innenministerium, Polizei oder Präfekturen zum Beispiel die Bewegungsfreiheit von Personen einschränken oder sogar Hausarreste verhängen. Auch Durchsuchungen ohne richterlichen Beschluss sind möglich. Nach jüngsten Angaben des Innenministeriums gab es seit November 2898 solcher Durchsuchungen.

„Die Bedrohung ist niemals so groß gewesen“, sagte Valls. Frankreich sei konfrontiert mit einem „Krieg gegen den Terrorismus, gegen den Dschihadismus, gegen den radikalen Islamismus“.

Der Premierminister nannte dazu Zahlen: Rund 1000 Franzosen hätten sich den Islamisten in Syrien und im Irak angeschlossen. Etwa 600 von ihnen seien noch immer dort, rund 150 ums Leben gekommen und 250 nach Frankreich zurückgekehrt. Viele Kämpfer für die Terrormiliz Islamischer Staat kämen aus Europa, nicht nur aus Frankreich oder Belgien. „Es ist bekannt, dass die Kämpfer oft nach Sprachen gruppiert werden, um zu trainieren und sich auf terroristische Anschläge vorzubereiten.“

Valls kündigte an, die geplante Verfassungsänderung solle vom 3. Februar an zunächst in der Nationalversammlung und anschließend im Senat diskutiert werden. Dabei zeigte er sich zuversichtlich, die notwendige Mehrheit von drei Fünfteln der Kongressmitglieder zu bekommen. „Ich habe Vertrauen in die Verantwortung der Regierungsmehrheit wie der Opposition“, sagte der Regierungschef.

Der mutmaßliche Terrorist von Lyon hat sich im Gefängnis erhängt. Der 35-jährige Yassin S. sei am Dienstagabend tot in seiner Zelle gefunden worden, berichtete die französische Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf die Gefängnisverwaltung von Fleury-Mérogis nahe Paris. Yassin S. war im Juni beim Versuch überwältigt worden, Gasbehälter in einem Werk für Industriegase zu sprengen. Zuvor hatte er im Werk seinen Chef getötet und enthauptet. Er gestand die Tat, leugnete jedoch einen islamistischen Hintergrund und sprach von einem Konflikt mit seinem Vorgesetzten und Eheproblemen.

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