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Verfassungsreform in Italien Italienischer Senat entmachtet sich selbst

Eine Verfassungsreform soll den italienischen Staat effizienter machen. Regierungschef Renzi möchte durchregieren. Für beides war die Abstimmung im Senat die entscheidende Hürde und die ist jetzt genommen.

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Matteo Renzi – der "Verschrotter" Italiens
Mit nur 34 Jahren bestieg Matteo Renzi den Bürgermeisterstuhl der toskanischen Kunstmetropole Florenz. Mit gerade einmal 38 kürte man ihn zum Chef der sozialdemokratischen Regierungspartei PD. Nur ein paar Monate später - inzwischen hat er seinen 39. Geburtstag gefeiert - sägte Renzi lange genug am Stuhl des Ministerpräsidenten, der immerhin sein Parteifreund in der Partito Democratico ist: Nach einem flammenden Plädoyer für einen Neuanfang ohne Letta und tiefgreifendere Reformen für das Krisenland Italien stellte sich die Partei hinter ihn. Letta blieb nur der Rückzug. Quelle: REUTERS
Bekanntgeworden ist Renzi als radikaler „Verschrotter“, vor allem durch seine Mitteilungen über den Internet-Kurznachrichtendienst Twitter. Um junge Anhänger zu erreichen, prägte Renzi den Slogan #rottamare (verschrotten): Renzi sagt, er wolle eine Generation Politiker loswerden, die „an ihren Stühlen kleben“. Quelle: dpa
Auch gegenüber seiner eigenen Demokratischen Partei (PD) ist Renzi gnadenlos - seit seiner Wahl zum Vorsitzenden im Dezember forderte er von Letta Reformen und zuletzt sogar, den Weg für eine neue Regierung freizumachen. Quelle: REUTERS
Seinem Ziel - dem Regierungspalast Chigi in Rom - dürfte Renzi damit ganz nahe gekommen sein. Seinen Machtanspruch hatte der Aufsteiger aus der Toskana zuletzt noch einmal massiv untermauert. Quelle: REUTERS
Doch für dieses radikale Vorgehen erntete er auch Kritik: Ihm wurde immer wieder vorgeworfen, nur seinen eigenen Ehrgeiz zu bedienen und sich illoyal zu verhalten. Einige Parteifreunde halten ihn zudem für einen Populisten und wollen seinen radikalen Reformkurs nicht mittragen. Quelle: REUTERS
Mit großer Mehrheit war Renzi im Dezember zum Chef der PD gewählt worden - und hatte seitdem immer wieder gegen Letta geschossen. Ein Jahr zuvor war sein Griff nach der Macht noch gescheitert. Renzi verlor damals in der Urwahl der PD gegen den deutlich älteren Pier Luigi Bersani. Renzi wurde nicht Spitzenkandidat seiner Partei für die Parlamentswahlen, doch er gab nicht auf. Quelle: dpa
Für den Großteil seiner Landsleute ist der Jurist ein Hoffnungsträger. Ihm trauen die Unterstützer des Mitte-Links-Bündnisses zu, im Lager des früheren Regierungschefs Silvio Berlusconi um Stimmen zu werben. Quelle: REUTERS

Der italienische Senat hat eine Verfassungsreform verabschiedet, mit der Größe und Kompetenzen der zweiten Parlamentskammer in Rom drastisch beschnitten werden. Für das von Ministerpräsident Matteo Renzi vorangetriebene Reformpaket stimmten am Dienstag 179 Senatoren bei 16 Gegenstimmen und 7 Enthaltungen. Zahlreiche Senatoren der Opposition hatten vor der Abstimmung den Saal verlassen.

Mit der Reform wird die Zahl der Senatoren von 315 auf 100 verringert. Fünf von ihnen werden vom Staatspräsidenten direkt ernannt, die übrigen vertreten die Regionen und Städte. Der Senat darf jetzt nur noch über eine eng begrenzte Zahl von nationalen Gesetzen mitentscheiden. Er wird auch nicht mehr gefragt, um der Regierung das Vertrauen auszusprechen.

Daten zu Italiens Wirtschaft

Bisher hatten Abgeordnetenhaus und Senat in Italien die gleichen Kompetenzen. Dieses „perfekte Zwei-Kammer-System“ wurde als ineffizient kritisiert, da Gesetzesvorhaben oft endlos lange zwischen beiden Kammern hin und her wanderten, bis sich Ober- und Unterhaus einig waren.

Mit der Verfassungsreform werden auch Kompetenzen in den Bereichen Verkehr, Energie und Infrastruktur von den Regionen an die italienische Zentralregierung rückverlagert. Dies soll Genehmigungsverfahren bei Investitionsprojekten erleichtern. Kritiker meinen, dass dadurch der Föderalismus in Italien geschwächt wird.

Über die Reform war lange kontrovers diskutiert worden. Der linke Flügel von Renzis Demokratischer Partei (PD) hatte lange Zeit opponiert. Mit dem Senatsvotum vom Dienstag gilt die entscheidende Hürde bei der Reform als genommen. Nach einer Drei-Monats-Frist müssen jetzt beide Kammern noch in dritter Lesung abstimmen, dabei gilt eine absolute Mehrheit als sicher. Da höchstwahrscheinlich keine Zwei-Drittel-Mehrheit zustande kommt, kann die Opposition noch ein Referendum erzwingen.

Die Verfassungsreform ist Teil der Bemühungen Renzis, Italien zu modernisieren und seine viel kritisierten Defizite in der Staatsverwaltung zu überwinden. Renzi hatte sie als „die Mutter aller Reformen“ bezeichnet.

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