
Die Regierung von Ministerpräsident Enrico Letta besteht weiter fort. Das ist das Ergebnis der Vertrauensabstimmungen in beiden Kammern des italienischen Parlaments vom Mittwoch. Im Senat stimmten 235 Parlamentarier für den Premier, 70 gegen ihn. Am Abend folgte die Abstimmung im Abgeordnetenhaus, auch hier gab es eine überwältigende Mehrheit für die Regierung: 435 Abgeordnete sprachen Letta das Vertrauen aus, 162 stimmten mit Nein.
Nach wochenlangen Drohungen gegen die Exekutive lenkt Silvio Berlusconi auf Druck der Überläufer doch noch ein. Seine Partei "Volk der Freiheit" (PdL) gleicht einem Scherbenhaufen.
Es ist kurz nach Mittag im italienischen Senat. Silvio Berlusconi erhebt sich von seinem samtbezogenen Sessel. Der Gründer des PdL ergreift in der Aula des Palazzo Madama das Wort. Ans Revers seines Zweireihers hat er bereits die Plakette seiner neuen, alten politischen Bewegung "Forza Italia" geheftet, die die bisherige Partei ersetzen soll. Dann dringen Sätze aus seinem Mund, die ein paar Stunden zuvor kaum jemand für möglich gehalten hätte. "Nicht ohne innere Wehen haben wir entschieden, dieser Regierung unser Vertrauen auszusprechen." Den Bruchteil einer Sekunde, die dem Unglauben gehört, ist es still.





Dann brandet Applaus in den Reihen hinter Berlusconi auf. Seine Nebenleute schütteln dem 77-Jährigen die Hand, der seit zwei Monaten die italienische Politik in Atem hält und offenbar keineswegs vorhat, seinen Würgegriff zu lösen. Allerdings erlebt Berlusconi an diesem Tag ein seltenes Gefühl der Machtlosigkeit. Am Vormittag gehen 23 PdL-Abgeordnete aus der Berlusconi-Allianz an die Öffentlichkeit und kündigen ihr "Ja" für Letta an. Die Regierung kann auch ohne den vierfachen Ex-Premier weiter bestehen, das steht zu diesem Zeitpunkt bereits fest. Auf Berlusconi und die Seinen kommt es nicht mehr an.
So erklärt sich auch das beinahe höhnische Lächeln von Ministerpräsident Letta auf der Regierungsbank, als Berlusconi sein Vertrauen ankündigt. "Grande!", entfährt es ihm ironisch, "ein Großer!". Neben ihm sitzt PdL-Parteisekretär Angelino Alfano mit ernster Miene, die auf schwere Spannungen der letzten Stunden hindeutet. Er stand lange im Schatten seines politischen Übervaters, wirkte oft hilflos und wie eine Marionette Berlusconis. Jetzt sind er und die anderen Überläufer das Zünglein an der Waage. Letta und sein Vizepremier, Innenminister Alfano, bilden nun die neue Allianz der italienischen Regierung. Sie wurde vor fünf Monaten in einem Bündnis von Sozialdemokraten, PdL und der Partei "Bürgerwahl" von Ex-Premier Mario Monti ins Leben gerufen. Wie stark das alte Bündnis mit neuen Kräfteverhältnissen wirklich ist, muss sich erst noch zeigen.