Videogipfel zwischen Berlin, Paris und Peking Worüber Merkel und Macron wirklich mit Xi beraten haben

Quelle: imago images

Offiziell sollte es bei dem Austausch am vergangenen Freitag um Klimapolitik gehen. Doch im Mittelpunkt standen bessere Beziehungen zwischen Europa und China nach den jüngsten Sanktionen.

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Es war eine dieser Video-Schalten, die in der Pandemie zum Alltag für Staats- und Regierungschefs gehören. Am vergangenen Freitag wählten sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in ein virtuelles Treffen mit mit Chinas Präsident Xi Jinping, alle staatsmännisch positioniert, die jeweilige nationale Flagge im Rücken. Offiziell stand das Gespräch im Zeichen der Klimapolitik. In Wirklichkeit ging es nach Informationen der WirtschaftsWoche darum, das angespannte Verhältnis zwischen Europa und China zu glätten. Seit Peking Ende März europäische Sanktionen mit rabiaten Gegensanktionen beantwortet hatte, herrscht zwischen den beiden Blöcken eine angespannte Stimmung.

Frankreich Präsident Macron hatte die Videokonferenz angestoßen. Chinas Regierung hatte im Anschluss damit einige Irritation ausgelöst, weil sie die virtuelle Begegnung zum Klima-Gipfel hochjubelte und den Eindruck erweckte, dass es sich um eine Gegenveranstaltung zum US-Klimagipfel an diesem Donnerstag und Freitag handele. Beobachter zeigten sich überrascht, dass Chinas Präsident mit den europäischen Gesprächspartnern rede. Der US-Klimabeauftragte John Kerry bekam bei seiner Visite in Peking dagegen nur Klima-Chefunterhändler Zie Zhenhua zu sprechen. Protokollarisch war das völlig angemessen, aber aus der Ferne wirkte das wie ein Affront gegen die Amerikaner – und wie ein Versuch einen Keil zwischen Washington und die Europäer zu treiben.

Mit dieser Interpretation lagen Beobachter allerdings daneben, denn Präsident Xi hatte sich mit Merkel und Macron zusammengeschalten, weil es aus seiner Sicht, Dringenderes zu besprechen gab als das Klima. Xi will die Europäer davon überzeugen, wenigstens einen Teil ihrer Sanktionen zurückzunehmen und hat Merkel und Macron ein Gegengeschäft angeboten. Er will offenbar die Konvention der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zu Zwangsarbeit unterschreiben.

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von Max Haerder, Julian Heißler, Jörn Petring, Silke Wettach

Dazu passt, dass Peking nach dem virtuelle Treffen bekannt gab, Merkel habe Xi aufgefordert, gemeinsam daran zu arbeiten, das Investitionsabkommen (CAI) zwischen der EU und China so schnell wie möglich zu ratifizieren. Dass Peking die ILO-Konvention gegen Zwangsarbeit akzeptiert, ist dafür eine Voraussetzung. In der offiziellen Stellungnahme aus Berlin war von CAI nichts zu lesen. Der Tagesordnungspunkt fiel wohl eher unter die „Reihe internationaler und regionaler Themen“, die in dem Statement der stellvertretenden Regierungssprecherin aufgeführt waren.

Pekings harsche Antwort auf die europäischen Sanktionen hatte das politische Führungspersonal in Europa unerwartet getroffen. Mit einer Gegenwehr hatte man in Brüssel, Berlin und Paris gerechnet, nicht aber mit einer eskalierenden Reaktion, die mit dem Rat auch gleich noch eine EU-Institution traf. Aus Sicht von Merkel und Macron ist es verständlich, dass sie mit Chinas Präsident Xi im Gespräch bleiben wollen.

Hinzu kommt, dass gerade erst ein neues Problem im europäisch-chinesischen Verhältnis sichtbar geworden ist. Die Regierung Montenegros hat vergangene Woche die EU um Hilfe gebeten, weil sie einen Kredit Chinas über eine Milliarde Euro nicht abbezahlen kann. China baut in dem Land eine Autobahn als Teil des Seidenstraßenprojekts. Zum ersten Mal tritt nun der Fall ein, dass ein europäisches Land sich dabei überschuldet. Die erste Rate steht im Juli an, doch beim EU-Beitrittskandidat ist die Staatskasse leer, weil in der Pandemie die Touristen ausbleiben und die Wirtschaft darbt. Die Staatsverschuldung könnte in diesem Jahr nach Prognosen des Internationalen Währungsfonds auf 90 Prozent hochschnellen.

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Die EU-Kommission hat sich in einer ersten Reaktion ablehnend auf das Hilfsgesuch aus Montenegro gezeigt, weil sie dem Straßenbauprojekt von Beginn an skeptisch gegenüberstand. Experten wie Francois Heisbourg von der Denkfabrik International Institute for Strategic Studies (IISS) und früheres Mitglied der internationalen Balkankommission hält dies für einen Fehler. „Die EU-Kommission ist sehr gut bei der Rechnungsprüfung“, denke aber nicht strategisch. Europa habe ein Interesse, China aus Montenegro rauszuhalten. „Die EU sollte Montenegro Geld geben, damit das Land den chinesischen Kredit abbezahlen und sollte das mit strengen Konditionen zu Reformen im Land verbinden.“

Chinas Rolle auf dem Balkan wird auch in Zukunft Gesprächsstoff zwischen Europa und Peking liefern.

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