Von Frankreichs Sozialisten lernen Welche Fehler die SPD vermeiden sollte

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SPD ist die Gefahr des Auseinanderbrechens bewusst

Einbinden, um ein versöhnliches Zeichen an die Enttäuschten draußen zu senden, und gleichzeitig Vermittler zu sein zwischen Regierung und Kritikern bei zu erwartenden schwierige Entscheidungen? In Frankreich klappte das überhaupt nicht. Als linkes Gewissen der Partei wusste Arnaud Montebourg schon als Industrieminister stets alles besser als sein Präsident und Premier und machte auch nie einen Hehl daraus. Als Montebourg im Frühjahr 2014 nach verlorenen Kommunalwahlen zum Wirtschaftsminister aufrückte und mit Benoît Hamon, zuständig für Erziehung und Wissenschaft, ein weiterer Gegner des Reformkurses die linke Seele der Partei und Bevölkerung streicheln sollte, nahm das Unheil seinen Lauf.

Zum Teil sei die Kakophonie der Erklärungen sogar gewollt, um verschiedene Bevölkerungsgruppen zufrieden zu stellen, sagte damals Frankreich-Expertin Claire Demesmay von der Deutschen Gesellschaft für auswärtige Politik. Das Problem dabei sei jedoch, dass keine Richtung erkennbar sei. Im August 2014 knallte es: Montebourg und Hamon schieden aus dem Kabinett aus. Für Montebourg kam der liberale Emmanuel Macron. Voriges Jahre stieß das politische Ziehkind Hollandes den Präsidenten vom Thron und verpasste der bereits weidwunden PS mit seinem Sieg bei den Präsidentenwahlen den Gnadenstoß.

Von Vorteil für Deutschland sei, dass der politische Streit in der SPD nicht zwischen ähnlich extremen Polen wie bei den französischen Sozialisten geführt werde, sagt der Berliner Politikwissenschaftler und SPD-Experte Gero Neugebauer. „In der Breite findet die ideologische Auseinandersetzung in Deutschland nicht statt.“ Zudem gebe es in der Partei ein Bewusstsein für die Gefahr des Auseinanderbrechens. Allerdings warnt auch er: „In der Partei sind sich etliche nicht grün. Das lässt sie als uneinig und handlungsunfähig erscheinen, was sie Wählerstimmen kostet.“ Allerdings hätten die Führungsgruppen das verstanden und seien bemüht, ein Image der Geschlossenheit zu erzeugen. „Es wird erwartet, dass zum Prozess der Erneuerung auch eine innerparteiliche Kommunikation gehört, die auf Transparenz und gegenseitigem Respekt beruht. Der Weg muss noch gefunden werden.

Das Kabinett im WiWo-Check
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Manche Sozialdemokraten scheinen ihrer Parteispitze derzeit alles Böse zuzutrauen. Die Forderung nach einer Urabstimmung über den Partei-Vorsitz ist nur ein Ausdruck dieses tiefen Misstrauens.

„Die Debatte darüber, ob man eine linke Regierung braucht, ist auch in Deutschland nicht vorbei,“ ist Frank Baasner, Leiter des deutsch-französischen Instituts in Ludwigsburg, überzeugt. „Das traditionelle Versprechen der SPD, dass es den Kindern besser gehen wird als den Eltern, nimmt ihr kaum ein Wähler mehr ab. Das Gefühl der Empörung, das man deshalb ja haben kann, muss jetzt kanalisiert werden.“ Allerdings fällt Baasner im Augenblick keine Gruppierung ein, „die darauf eine intellektuell schlüssige Antwort bietet“. Auch bei den GroKo-Gegnern wird er nicht fündig.

In Frankreich werden die PS-Mitglieder - lediglich rund 102.000 sind es noch - in zwei Wahlrunden an diesem Donnerstag und am 29. März über den neuen Vorsitzenden der Sozialistischen Partei abstimmen. Am 7. April soll er dann bei einem Parteitag offiziell im Amt bestätigt werden. Mit Stéphane Le Foll wagt es nur ein bekanntes Gesicht aus der ehemaligen Hollande-Riege, das Erbe des Ex-Präsidenten annehmen zu wollen. Viel ist es ohnehin nicht mehr. Sogar den ehrwürdigen Parteisitz in der Rue de Solferino in der Pariser Innenstadt musste die PS verkaufen. Mit nur noch 28 Abgeordneten im Parlament reicht das Geld hinten und vorne nicht mehr.

Wenn die SPD das Willy-Brandt-Haus erhalten will, sollte sie geschickter agieren.

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