Die europäische Integration stilisieren viele Politiker zu einer Frage von Krieg und Frieden hoch. Den Euro betrachten sie als Katalysator, der die Konvergenz fördere und dafür sorge, dass der bunte Haufen von Ländern wirtschaftlich zusammenwächst. Kanzlerin Angela Merkel („Scheitert der Euro, scheitert Europa“) hat die gemeinsame Währung gar zur Kernfrage für den Erfolg des europäischen Projekts erklärt.
Doch ist es mit der beschworenen Integration und Konvergenz nicht allzu weit her. In einer aktuellen Studie haben die Göttinger Ökonomen Renate Ohr und Jörg König einen EU-Integrationsindex entwickelt, der den Grad des Zusammenwachsens der EU-Länder seit 1999 misst. Der Gesamtindex für jedes Land besteht aus 25 Teilindizes, die die Integration in vier Kernbereichen messen. Je höher der Gesamtindex, desto stärker ist ein Land in die EU integriert. Es zeigt sich, dass die Integration zwar zugenommen hat.
Deutschland auf dem fünften Platz
Doch die Spannbreite zwischen dem am wenigsten integrierten Staat Griechenland und dem am stärksten integrierten Land Belgien hat sich kaum verändert. Klammert man die Nicht-Euro-Länder Dänemark und Großbritannien aus, zeigt sich, dass ausgerechnet die Krisenländer Spanien, Italien, Portugal und Griechenland am wenigsten mit der EU verflochten sind. Deutschland liegt auf Platz fünf.
Wichtige Kenngrößen wie Pro-Kopf-Einkommen, Löhne, Preisniveau und Steuersätze haben sich gar auseinanderentwickelt. Mit Ausnahme von Irland, Belgien, Italien und Deutschland weisen alle Länder aktuell einen niedrigeren Teilindex für die Homogenität auf als 1999. Die Autoren schließen daraus, dass „Marktverflechtungen und auch der Euro nicht automatisch zu Konvergenz führen, sondern auch mit Divergenz einhergehen können (oder vielleicht sogar hervorrufen)“.
Weit entfernt von Homogenität
Auch die Kapitalmärkte laufen auseinander. Nicht nur, dass die nationalen Notenbanken mittlerweile unterschiedliche Regeln für die Sicherheiten bei der Refinanzierung der Geschäftsbanken anwenden und Staatsanleihen der Krisenländer nur noch im Süden Abnehmer finden. Analysten des Bankhauses M.M.Warburg haben herausgefunden, dass auch der Gleichlauf der Aktien- und Rentenmärkte seit 2009 dramatisch zurückgegangen ist.
Inzwischen liegt die Korrelation nur noch bei knapp 0,4 (ein Wert von 1 entspricht völligem Gleichlauf). Bei Einführung des Euro-Bargelds 2002 war der Wert mehr als doppelt so hoch. Von einem homogenen Wirtschaftsraum – der zentralen Voraussetzung für das Überleben des Euro – ist Europa weit entfernt.
Fazit: These stimmt kaum