Währungsunion Der Euro im Faktencheck

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These 3: Der Euro verstärkt die Integration und Konvergenz in Europa

Nationalisten schwimmen auf der Euro-Welle
„Die EU ist ein impotentes Imperium, das Frankreich ausgeplündert hat.“Frankreich steht vor ungemütlichen Wochen. Der rechtspopulistische Front Nation von Parteichefin Marine Le Pen ist Umfragen zufolge die derzeit populärste Partei in Frankreich. Nach Siegen bei Regionalwahlen hoffen die Euro- und Europa-Kritiker nun, auch bei der Europawahl im kommenden Jahr punkten zu können. Aggressiver als alle anderen Politiker hat Le Pen die Ängste vor der Globalisierung und vor den Folgen der Krise verdichtet: An allem sei die EU und die Banken schuld, in deren Auftrag die europäischen Funktionäre handelten. Le Pen will Europa zerschlagen, damit Frankreich wieder Herr im eigenen Hause ist. Quelle: REUTERS
"Ich beuge mich nicht dem Diktat unnützer Forderungen aus Brüssel"Die Regierungskoalition in den Niederlanden ist Ende April 2012 zerbrochen, weil sich Geert Wilders - der die europafreundliche Minderheitsregierung von Mark Rutte duldete - nicht länger dem "Spardiktat" und "unnützen Forderungen" aus Brüssel beugen wollte. Wilders Partei verlor daraufhin bei den Parlamentswahlen deutlich an Stimmen. Nun hofft Wilders bei den Europawahlen 2014 punkten zu können. Quelle: REUTERS
„Wir sagen Nein zu allem. Wir sind für den Umsturz“Schuldendesaster und Rezession bewegen immer wieder griechische Politiker zu scharfen Tönen gegenüber der Europäischen Union. Die Regierung von Antonis Samaras ist derzeit zwar stabil, doch keiner weiß, ob bei einer Zuspitzung der Krise die radikalen Kräfte ein Comeback feiern können. Offen europafeindlich geben sich die stalinistischen griechischen Kommunisten (KKE). „Wir sagen Nein zu allem. Wir sind für den Umsturz“, sagte KKE-Generalsekretärin Aleka Papariga (Foto). Quelle: Handelsblatt Online
„Wir sollten erwägen, mit möglichst geringem Schaden die Euro-Zone zu verlassen“Nur knapp bei den letzten Wahlen musste sich Kabarettist Beppe Grillo geschlagen geben. Aufgegeben hat er längst nicht. Er macht lautstarke Opposition. Gegen die Regierung und gegen die Europäische Union. Quelle: AP
"Deutschland und Frankreich zwingen der EU ihre rigorose Sparpolitik auf"Die Schuldenkrise und der Sparkurs waren die Hauptgründe dafür, dass die Spanien im November 2011 die sozialistische Regierung abwählten und der konservativen Partido Popular das beste Ergebnis ihrer Geschichte bescherten. Doch ihr Stimmenanteil ist in Umfragen von 45 Prozent auf inzwischen rund 38 Prozent geschrumpft. Premier Mariano Rajoy (im Bild) bekommt den Unmut der Wähler zu spüren. Vor allem die Arbeitsmarktreform mit der Lockerung des Kündigungsschutzes oder die jüngsten Einsparungen im Gesundheits- und Bildungssystem lassen seine Zustimmungswerte sinken. Quelle: REUTERS

Die europäische Integration stilisieren viele Politiker zu einer Frage von Krieg und Frieden hoch. Den Euro betrachten sie als Katalysator, der die Konvergenz fördere und dafür sorge, dass der bunte Haufen von Ländern wirtschaftlich zusammenwächst. Kanzlerin Angela Merkel („Scheitert der Euro, scheitert Europa“) hat die gemeinsame Währung gar zur Kernfrage für den Erfolg des europäischen Projekts erklärt.

Doch ist es mit der beschworenen Integration und Konvergenz nicht allzu weit her. In einer aktuellen Studie haben die Göttinger Ökonomen Renate Ohr und Jörg König einen EU-Integrationsindex entwickelt, der den Grad des Zusammenwachsens der EU-Länder seit 1999 misst. Der Gesamtindex für jedes Land besteht aus 25 Teilindizes, die die Integration in vier Kernbereichen messen. Je höher der Gesamtindex, desto stärker ist ein Land in die EU integriert. Es zeigt sich, dass die Integration zwar zugenommen hat.

Grafik EU-Integrationsindex für verschiedene Ländergruppen

Deutschland auf dem fünften Platz

Doch die Spannbreite zwischen dem am wenigsten integrierten Staat Griechenland und dem am stärksten integrierten Land Belgien hat sich kaum verändert. Klammert man die Nicht-Euro-Länder Dänemark und Großbritannien aus, zeigt sich, dass ausgerechnet die Krisenländer Spanien, Italien, Portugal und Griechenland am wenigsten mit der EU verflochten sind. Deutschland liegt auf Platz fünf.

Wichtige Kenngrößen wie Pro-Kopf-Einkommen, Löhne, Preisniveau und Steuersätze haben sich gar auseinanderentwickelt. Mit Ausnahme von Irland, Belgien, Italien und Deutschland weisen alle Länder aktuell einen niedrigeren Teilindex für die Homogenität auf als 1999. Die Autoren schließen daraus, dass „Marktverflechtungen und auch der Euro nicht automatisch zu Konvergenz führen, sondern auch mit Divergenz einhergehen können (oder vielleicht sogar hervorrufen)“.

Weit entfernt von Homogenität

Auch die Kapitalmärkte laufen auseinander. Nicht nur, dass die nationalen Notenbanken mittlerweile unterschiedliche Regeln für die Sicherheiten bei der Refinanzierung der Geschäftsbanken anwenden und Staatsanleihen der Krisenländer nur noch im Süden Abnehmer finden. Analysten des Bankhauses M.M.Warburg haben herausgefunden, dass auch der Gleichlauf der Aktien- und Rentenmärkte seit 2009 dramatisch zurückgegangen ist.

Inzwischen liegt die Korrelation nur noch bei knapp 0,4 (ein Wert von 1 entspricht völligem Gleichlauf). Bei Einführung des Euro-Bargelds 2002 war der Wert mehr als doppelt so hoch. Von einem homogenen Wirtschaftsraum – der zentralen Voraussetzung für das Überleben des Euro – ist Europa weit entfernt.

Fazit: These stimmt kaum

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