Wahl in Spanien Die nächste Zerreißprobe für Europa

Seite 2/2

2. Gefahr für die Währungsunion

Neben der politischen Unruhe könnte ein starker Pablo Iglesias auch ökonomische Verwerfungen auslösen. Käme Unidos Podemos an die Macht, hätte das wohl auch Folgen für den Stabilitätspakt und die Währungsunion. „An den Märkten könnte es dann ziemlich unruhig werden“, sagt Kai-Olaf Lang von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Der Grund: Die Erzählung wirksamer Sparreformen in Spanien käme an ihre Grenzen.

Diese Erzählung handelt davon, dass überschuldete Länder den harten Weg des Sparens gehen müssen: Sozialleistungen kappen, unbeliebte Reformen durchdrücken, ihre Bürokratie zurechtstutzen. Als Lohn dafür erholt sich die Wirtschaft, finden mehr Menschen einen Job, ruckelt das Land sich zurecht. „Rajoy steht für genau diesen Reformpfad“, sagt Lang. „Tritt er zurück, oder kommt gar Podemos an die Macht, gerät die gesamte Erzählung ins Wackeln.“

Plötzlich hieße es nicht mehr: Sparen bringt die Wirtschaft voran. Sondern: Sparen bringt Populisten an die Macht. Oder noch schlimmer: Sparen blockiert die Regierungsbildung ganz. „Das könnte sich auch auf Griechenland auswirken“, befürchtet Lang. Zwar seien die Probleme des Landes mittlerweile einigermaßen isoliert – doch eine populistische Regierung in Spanien könnte die alten Probleme wieder aufwärmen. „Wenn Podemos in der Regierung drin ist, gibt es auf jeden Fall eine Welle der Verunsicherung“, meint Lang.

Sein spanischer Kollege Fernando Vallespín warnt vor einem weiteren Problem: „Podemos will mit Portugal, Italien und Frankreich eine Südachse bilden und so die Sparpolitik torpedieren.“ Das Schreckensbild des tief gespaltenen Europas – es wäre wieder da.

3. Ein schwaches Spanien schwächt Europa:

Für Europa sind das Warnsignale. Ökonomisch, weil Spanien dem Euro-Rettungsschirm ESM weiterhin 35 Milliarden Euro schuldet, die das Land nur zurückzahlen kann, wenn die Wirtschaft wächst. Politisch, weil sich Euroskeptiker und Populisten in Frankreich, den Niederlanden und Dänemark schon jetzt mit Forderungen nach einem Frexit, Nexit oder Dexit überbieten.  

Kommt nach dem Brexit der Nexit? In den Niederlanden und Frankreich haben die EU-Gegner jetzt Oberwasser und fordern eigene Referenden.

Fernando Vallespín betont, wie wichtig die Wahlen für Spanien sind. „Nach viereinhalb Monaten brauchen wir endlich wieder eine handlungsfähige Regierung“, sagt er. Nur so können Reformen beendet und neue Ideen umgesetzt werden. Vor allem die Jugend brauche wieder eine Perspektive – nach Jahren ohne Job und Zukunft im eigenen Land.

Der Brexit könnte die verworrene Situation in Spanien nun sogar entflechten. Zwar schlagen die Märkte nun deutlich extremer aus. Doch gerade diese Unsicherheit könnte die Wähler in Spanien zu Mariano Rajoys Partido Popular treiben – und die Regierungsbildung erleichtern. Das glaubt zumindest Fernando Vallespín aus Madrid. „In unsicheren Situationen wählen die Menschen eher konservativ“, sagt er.  „In diesem Fall also Mariano Rajoy.“

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%