
Das Verspechen, das der amtierende französische Staatschef Nicolas Sarkozy gestern im Herzen von Paris gab, wird Angela Merkel ärgern: „Wenn die Europäische Zentralbank das Wachstum nicht stützt, haben wir kein Wachstum“, sagte Sarkozy bei einer Rede vor mehreren zehntausend Anhängern. Den engen Handlungsrahmen der EZB, den der Vertrag von Maastricht setzt, bedauerte er.
Wenn die EZB allerdings direkt in die Wirtschaft der Eurozone eingreift, wäre es vorbei mit der Unabhängigkeit der Eurobank, auf die Berlin viel Wert legt. Denn die EZB darf Staaten oder große Infrastrukturprojekte nicht direkt mit Krediten unterstützen. Dass sich das ändert, dafür will Sarkozy „mit aller Macht kämpfen.“
Letzte Schübe
Einzig: Viel Macht, um für seine Idee zu kämpfen, wird Sarkozy wahrscheinlich nicht bleiben. Zwar liegt er in den Umfragen zum ersten Wahlgang am 22. April gleichauf mit seinem sozialistischen Herausforderer François Hollande. Im zweiten Wahlgang am 6. Mai führt Hollande in der Gunst der Wähler allerdings mit deutlichen 7 bis vernichtenden 15 Prozent.
Um doch noch aufzuholen und seiner Kampagne einen letzten Schub zu geben, hatte Sarkozy seine Anhänger gestern auf den Place de la Concorde geladen. Es war eine Reaktion auf das zur selben Zeit stattfindende Treffen von Hollande ein paar Kilometer weiter vor dem Schloss Vincennes, einem spätgotischen Königssitz aus dem 14. Jahrhundert.
Auf den Veranstaltungen ließ sich einmal mehr das Paradox erleben, das den französischen Wahlkampf in den vergangenen Wochen geprägt hat. Im Herzen von Paris war ein Präsident zu hören, der es wie kaum ein zweiter Politiker in Frankreich versteht, eine Menge mitzureißen und zu motivieren. In Vincennes dagegen sprach ein Kandidat, der sympathisch ist, aber dem jegliches Charisma fehlt. Sprich: Starker Präsident gegen schwachen Herausforderer.
Hollande vor Sarkozy
Diese Konstellation spricht eigentlich für Sarkozy. Dennoch liegt Hollande vorn. Aber nicht weil die Franzosen ihn wirklich wollen; sondern weil viele ihren Präsidenten wirklich nicht mehr wollen.
Als Hollande um kurz vor vier Uhr auf die riesige Bühne vor dem Schloss steigt wirkt er beinahe verloren. Über den Köpfen seiner Zuhörer: dunkle Regenwolken und starker Wind. Aufbruchsstimmung verbreitet das Wetter nicht. Ein Helfer will gerade die Papiere mit der Rede auf das Pult legen, als eine Böe sie wegfegt. Der Fauxpas ist ihm sichtlich peinlich vor den rund 100.000 Menschen und 500 Journalisten, die sich laut den Organisatoren versammelt haben.
Auf dem weißen Pult vor Hollande stehen zwei Gläser Wasser. Eines davon wird er während seiner 45-minütigen Rede beinahe leeren. Mehrere Male wird er so heißer, dass man Angst haben muss, ihm versagt die Stimme. Die Häme der Medien und der Spott der Gegner wären riesig. Bei einer seiner letzten Veranstaltungen hatte der Wind seine Haare so aufstehen lassen, als hätte der Kandidat in eine Steckdose gefasst. Die Zeitungen druckten die Struwwelpeter-Bilder genüsslich ab.
Diesmal trägt Hollande viel Pomade im Haar, auch die Stimme hält bis zum Schluss. Seine Versprechen: mehr Gerechtigkeit, höhere Steuern, keine Kürzung der Staatsausgaben und der Kampf gegen „unmoralische“ Bereicherung. „Wir sind stärker als die Finanzmärkte, wir haben mehr Macht als das Geld“, ruft er in die Menge.