Wegen Wirecard-Pleite EU-Kommission knöpft sich BaFin vor

Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA soll nach dem Willen der EU-Kommission klären, ob die deutsche Finanzaufsicht BaFin bei der Kontrolle über Wirecard versagt hat Quelle: dpa

Die EU-Kommission nimmt die BaFin wegen der Wirecard-Pleite ins Visier. Die deutsche Aufsichtsbehörde könnte gezwungen werden, ihre Praktiken zu ändern.

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Nach dem Zusammenbruch des Zahlungsanbieters Wirecard geht es nun den Aufsichtsbehörden an den Kragen. Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA soll nach dem Willen der EU-Kommission klären, ob die deutsche Finanzaufsicht BaFin bei der Kontrolle über Wirecard versagt hat, wie Kommissionsvize Valdis Dombrovskis am Freitag ankündigte. Bundesfinanzminister Olaf Scholz stellte eine Reform der Aufsicht in Deutschland in Aussicht. An der Börse wollten Anleger nur noch raus aus den Wirecard-Aktien – sie rauschten um weitere 34 Prozent in die Tiefe. Weil die Titel noch immer im Leitindex Dax gelistet sind, können unter anderem einige Anbieter von Indexfonds (ETFs) nicht aussteigen.

„Wir müssen klären, was schief gelaufen ist,“ sagte Dombrovskis in einem Interview mit der „Financial Times“. „Wir werden die ESMA bitten, zu prüfen, ob es aufsichtsrechtliche Versäumnisse gegeben hat, und wenn ja, eine mögliche Vorgehensweise festlegen.“ Bis Mitte Juli erwarte er eine Antwort von der ESMA. Dombrovskis könnte die Ergebnisse der Analyse nutzen, um eine formelle Untersuchung einzuleiten und die BaFin verpflichten, der ESMA Informationen zur Verfügung zu stellen. Wenn ein Verstoß festgestellt wird, könnte die BaFin von Brüssel angewiesen werden, ihre Praktiken zu ändern – eine höchst peinliche Situation für eine nationale Aufsichtsbehörde.

Scholz kündigte an, die Strukturen bei der Finanzaufsicht BaFin zu durchleuchten, um mögliche Fehler zu finden. Die aktuelle Arbeitsweise müsse überdacht werden. „Die BaFin muss künftig in der Lage sein, Sonderprüfungen möglichst kurzfristig, schnell und effizient durchführen zu können“, sagte der SPD-Politiker am Donnerstagabend in Berlin. Wirecard sei ein Skandal, der seinesgleichen suche. Das müsse ein Weckruf sein. Kritische Fragen seien jetzt an das Wirecard-Management, aber auch die Wirtschaftsprüfer zu richten.

von Georg Buschmann, Karin Finkenzeller, Lukas Zdrzalek, Melanie Bergermann, Volker ter Haseborg

BaFin-Chef Hufeld muss Rede und Antwort stehen

Der Insolvenzantrag habe dem Finanzplatz Deutschland schwer geschadet, sagte Katja Hessel (FDP) der Funke Mediengruppe. Benötigt werde eine schnelle und lückenlose Aufklärung. „Hierbei wird im Mittelpunkt stehen inwieweit die Aufsicht versagt hat und welche Konsequenzen dies für BaFin und BMF haben muss.“ Sie müssten rasch gezogen werden, um das Vertrauen in den Finanzplatz zurückgewinnen zu können. BaFin-Chef Felix Hufeld soll am Mittwoch im Finanzausschuss Rede und Antwort stehen.

Wirecard hat am Donnerstag Insolvenz angemeldet, weil in der Bilanz 1,9 Milliarden Euro fehlen und die Überschuldung droht. Es ist eine der größten Pleiten der Bundesrepublik, die das Vertrauen in den Finanzplatz Deutschland erschüttert. Erstmals in der mehr als 30-jährigen Geschichte des Dax kollabiert ein Mitglied des deutschen Leitindex. Die Wirtschaftsprüfer von EY, die die Zahlen des Finanzdienstleisters aus dem Münchener Vorort Aschheim seit Jahren testiert hatten, sprachen von einem ausgeklügelten, weltumspannenden Betrugssystem.

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Der Zahlungsdienstleister Wirecard ist insolvent. Rund zwei Milliarden Euro fehlen, die es wohl nie gab, ein bedeutender Teil des Umsatzes könnte vorgetäuscht sein. Wirtschaftsprüfer, Aufseher und Investoren haben über Jahre Alarmsignale ignoriert.

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