Weltwirtschaftsforum Mario Draghi verklärt die Welt

Der EZB-Präsident lässt sich in Davos als Retter der Euro-Zone feiern. Dass er Sparer und solide Politik bestraft, blendet er aus. An einer Stelle aber bricht er eine Lanze für Deutschland.

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Mario Draghi nahm in Davos Stellung zur EZB-Krisenpolitik. Kritik wischte er zur Seite. Quelle: World Economic Forum / swissimage.ch

Mario Draghi nimmt Deutschland in Schutz. Unglaublich? Nein, es ist tatsächlich passiert. Am Freitagabend diskutierte der Präsident der Europäischen Zentralbank mit dem Schweizer Banker Philipp Michael Hildebrand, der für den US-Vermögensverwalter Blackrock arbeitet, über den Zustand der Euro-Zone. Hildebrand zitierte aus einer OECD-Studie zur Wettbewerbsfähigkeit, wonach in den vergangenen Monaten die Krisenländer Griechenland, Spanien, Portugal und Irland die meisten Reformen vollzogen hätten. An letzter Stelle rangiere Deutschland, so der Schweizer, der anschließend allen Ernstes fragte: „Mario Draghi, müssen wir uns in zwei Jahren keine Sorgen mehr um die Südeuropäer machen, sondern um Deutschland?“

Auf die Idee des Schweizer Bankers muss man erst einmal kommen. Deutschland, zuletzt für seine Exportstärke kritisiert, zählt in mehreren unabhängig voneinander liegenden Studien bei der Wettbewerbsfähigkeit zu den besten Ländern der Welt. Das weiß auch Mario Draghi, der eine Lanze für die Bundesrepublik brach und erklärte: „Deutschland ist Letzter in der Studie, weil sie all die nötigen Reformen schon vor zehn Jahren gemacht haben“, so der Italiener. Deswegen brauche Berlin heute keine Generalüberholung machen.

Die Rolle der EZB nach dem Maastricht-Vertrag

Mario Draghi erkannte früh, dass er mit Hildebrand leichtes Spiel haben werde, zumal nach der Einführung von Weltwirtschaftsforum-Gründer Klaus Schwab, der den Italiener als einen der besten Zentralbanker der Welt bezeichnete. So nutzte der EZB-Präsident die Gelegenheit, um sämtliche Zweifel an der Euro-Zone, an der Zentralbank und an sich selbst wegzuwischen.

„Wir hatten eine anstrengende Zeit hinter uns, aber die Mühen haben sich gelohnt: Es gibt deutlich Anzeichen für eine Erholung in der Euro-Zone“, so Draghi zufrieden. Die Aktienmärkte seien auf Rekordjagd, die Zinsen für die Krisenstaaten rückläufig und die Volkswirtschaften auf Wachstumskurs. „Die BIP-Entwicklung ist vielerorts noch schwach, in Europa ungleich verteilt und getrieben vom Export, aber es ist eine Erholung spürbar“, so der Notenbanker.

Dass die Arbeitslosigkeit in den Krisenländern hoch ist, wird erwähnt, Konzepte dagegen gibt es offenbar aber keine. Dafür griff der EZB-Präsident all jene an, die Kritik an der Geldpolitik der Notenbank üben.

Kalte Enteignung par excellence

„Entgegen aller Sorgen hat die Europäische Zentralbank die Inflationsrate immer um die Zielmarke von zwei Prozent gehalten“, gibt Draghi dem Schweizer Banker und Fragesteller zu Protokoll. Er sehe nicht, dass das bald anders sein solle, es drohten weder Inflation noch Deflation. „Es gibt branchen- und länderübergreifend keine fallenden Preise. Wir beobachten die Situation, aber es gibt keinen Grund zu Sorge“, sagt der Italiener.

Dem könnte man getrost widersprechen. Es stimmt: Die Inflation ist niedrig, die Europäische Zentralbank hat allen Unkenrufen zum Trotz ihre Zielmarke stets eingehalten. Aber: Das ist nur der Status quo. Dass dies nach dem Gelddruckrausch der Notenbanken in Europa, Japan und den USA auch in den kommenden Jahren so sein wird, ist längst nicht gewiss. Zumal die Inflation derzeit auch durch die hohe Arbeitslosigkeit in Südeuropa und der Wirtschaftskrise in fast allen Euro-Ländern gebremst wird.

Die Folgen der EZB-Niedrigzinspolitik

Hinzu kommt: Sparern hilft das alles herzlich wenig. Wie schon Historiker Frederick Taylor Anfang Dezember im Gespräch mit WirtschaftsWoche Online erklärte, braucht es keine hohe Inflationsrate, um Vermögen zu zerstören. „Wenn Sie nur 0,5 Prozent Zinsen auf Ihre Ersparnisse bei der Bank bekommen, die Inflationsrate aber 1,5 oder 2,0 Prozent beträgt, dann verlieren Sie schleichend Geld“, so der Brite. Keine Frage: Die Notenbanken und Regierungen betreiben seit dem Ausbruch der Schuldenkrise kalte Enteignung par excellence.

All den Betroffenen hatte Marion Draghi in Davos nichts zu sagen. Auch kein Wort zu den Vorwürfen, die EZB nehme mit ihrer Politik den Reformdruck von den Pleitestaaten. Griechenland, Italien, aber auch Spanien wollen 2014 zum Jahr des Richtungswechsels machen. Sie wollen den Fokus mehr aufs Wachstum legen, wie sie sagen. Konkret heißt das: Höhere Ausgaben für die Wirtschaft, höhere Sozialausgaben und Lohabschlüsse, weniger Wettbewerbsfähigkeit. Finanziert wird das Ganze mit Schulden. Bei den derzeit gültigen Fast-Null-Realzinsen kostet es ja fast nichts.

Und so nimmt sich auch die Bundesregierung, einer der letzten Kritiker der lockeren Geldpolitik der EZB, ein Vorbild am Süden. Schließlich hat auch die Große Koalition das Sparen größtenteils aufgegeben. Mütterrente, Ruhestand mit 63 Jahren und Mindestlohn: Die Wahlkämpfer haben viel versprochen und machen sich nun ans Umsetzen der teuren Geschenke. So lange Mario Draghi und die EZB den Regierungen den Rücken freihalten, können solche Projekte auch ruhigen Gewissens finanziert werden.

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