




Achselzuckend, fast entschuldigend, sitzt Barry Eichengreen auf dem weißen Drehsessel und lächelt. „Die Euro-Krise ist noch längst nicht überstanden“, sagt der renommierte US-Ökonom und Professor im Gespräch mit WirtschaftsWoche Online beim Weltwirtschaftsforum in Davos. „Es bedarf gewaltige Anstrengungen, um die enormen Probleme der Währungsgemeinschaft zu lösen.“
Eichengreen redet ruhig, lächelt viel und schaut in die Ferne. Der 61-Jährige ist keiner, der laut poltert. Zuhören sollte man ihm trotzdem. Schließlich hat er den Euro für unumkehrbar erklärt, lange bevor EZB-Präsident Mario Draghi die gleichen Worte in den Mund nahm und ankündigte, im Zweifel massiv auf den Staatsanleihenmärkten einzugreifen. Eichengreen war sich vor einem Jahr – anders als viele seiner Kollegen – ebenso sicher, dass Griechenland 2012 nicht aus dem Euro-Raum ausscheiden würde. Zu groß wären die Verwerfungen. Ob ein Griechenland-Aus zu Domino-Effekten geführt hätte, kann keiner sagen. Fakt aber ist: Der Euro ist noch da und Griechenland mischt weiter kräftig die Truppe auf.
„Griechenland“, sagt Eichengreen, seufzt und schüttelt den Kopf. „Das Land wird seine Schulden niemals begleichen können.“ Er wisse, dass gerade deutsche Steuerzahler das nicht gerne hören werden, aber: „Das Land braucht einen drastischen Schuldenschnitt. Deutschland wird auf viel Geld verzichten müssen.“ Doch damit nicht genug der schlechten Nachrichten: „Außerdem muss schnellstens eine Bankenunion errichtet werden“, sagt Eichengreen, der von lächelnd auf streng schauend umgeschwenkt hat. Europas Banken müssten streng und einheitlich kontrolliert werden, gleichzeitig muss die Gemeinschaft für die Spareinlagen aller geradestehen. „Ohne das Geld der Deutschen geht es nicht.“
Bankenunion und Schuldenschnitt? Die Bundesregierung lehnt diese Schritte bisher ab. Griechenland mache Fortschritte, heißt es aus Berlin. Und ehe man über Haftungs- und Garantiefragen spricht, müsse eine wirksame Kontrollinstanz aufgebaut werden.
Alles Wahlkampf, glaubt Barry Eichengreen. „Vor der Bundestagswahl wird es wohl keine Entscheidungen geben. Aber: Je länger Deutschland zögert, desto teurer wird es“, so der US-Ökonom. Auch die Chefin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, macht Druck. Die europäische Wirtschaft stehe von enormen Herausforderungen, die gemeinsam angegangen werden müssten. „Wir brauchen eine vertiefte Bankenunion und eine Haushaltsunion“, erklärte sie unmissverständlich.