Wer sitzt beim Brexit am Steuer? May geht in Florenz in die Offensive

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May unter Druck

May hat alle Mühe ihre Landsleute davon zu überzeugen, dass sie am Steuer sitzt. „Diese Regierung wird von vorne gesteuert“ und „Boris ist Boris“, sagte sie auf dem Weg zur UN-Vollversammlung nach New York diese Woche. Nicht wenige glauben, ein Rausschmiss wäre angemessener gewesen. Doch dazu sei May nach der misslungenen Neuwahl zu schwach, meint der konservative Abgeordnete und EU-Befürworter Ken Clarke. Stattdessen machen Gerüchte die Runde, Johnson drohe mit Rücktritt, sollte May sich nicht seinen Wünschen zum EU-Austritt beugen.

Johnson war der prominenteste Brexit-Befürworter vor dem Referendum im Juni 2016. Kaum jemand zweifelt daran, dass er in den Regierungssitz Downing Street einziehen will. Doch ob Johnson tatsächlich ein Interesse daran hat, May noch vor dem EU-Austritt im März 2019 zu stürzen, ist zweifelhaft. Eine Neuwahl wäre kaum zu vermeiden und die Konservativen müssten mit einer Niederlage rechnen.

In Brüssel sieht man das Wirrwarr um die britische Regierungslinie weitgehend ratlos. Bis zu Johnsons Artikel habe man den Eindruck gehabt, die britische Position kläre sich langsam, sagen europäische Diplomaten - „bis dann der Nebel wieder aus den Wiesen stieg“.

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Die Haupterwartung an Mays Rede lautet denn auch: „Größere Klarheit und mehr Substanz, um endlich Fortschritte bei den Verhandlungen möglich zu machen.“ Dies gilt auch für die Frage, welche Rechte die 3,2 Millionen EU-Bürger in Großbritannien wohl künftig haben werden und wie die neue EU-Außengrenze zwischen der Republik Irland und dem britischen Nordirland aussehen könnte.

Die Verhandlungen schleppen sich schon seit Juni in bislang drei mehrtägigen Verhandlungsrunden dahin - ohne greifbare Ergebnisse. Knackpunkt für die EU ist das Geld: Sie will endlich eine klare Zusage aus London, dass man finanzielle Verpflichtungen begleicht, auch über das Austrittsdatum 2019 hinaus.

Ein Signal in die Richtung erhofft sich die EU von Mays Rede und Eckpunkte, wie sie sich die Übergangszeit nach dem Austritt vorstellt. Ob May das nun liefern kann, nachdem Johnson sie mit seiner harten Brexit-Linie unter Druck gesetzt hat? In Brüssel ist man sich da nicht sicher und fürchtet eine weitere zähe Runde, wenn die Brexit-Unterhändler ab Montag weiterreden.

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