Solche Probleme hätten Italien und Griechenland gerne. Die beiden notorischen Euro-Sorgenkinder haben harte Sparprogramme und zahlreiche Reformansätze hinter sich – und wähnten sich auf einem guten Weg. „Keiner in Europa“ spreche mehr über einen „Grexit“, also dem Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro-Raum, erklärte Samaras im Februar in der „Bild“-Zeitung. Stattdessen rede man jetzt von „Grecovery“, also einer Erholung der griechischen Wirtschaft. Die Reformen kämen gut voran. „Wir übertreffen mit unseren Fortschritten schon jetzt alle Erwartungen“, sagte Samaras. Dazu trage auch eine verbesserte Wettbewerbsfähigkeit bei. Nun müsse es noch gelingen, neue Arbeitsplätze zu schaffen.
Glaubt man der IMD-Studie, betreibt Samaras Augenwischerei. Denn konkurrenz- und wettbewerbsfähig ist sein Land noch lange nicht. Griechenland kommt in dem aktuellen Vergleichsranking nur auf Rang 57, und liegt noch hinter Jordanien (Rang 53) und Bulgarien (Rang 56). Die Infrastruktur ist unterdurchschnittlich, die Behörden furchtbar ineffizient und der Binnenkonsum quasi nicht existent.
Griechenlands Schwächen
Griechenlands Ruf hat in der Euro-Krise arg gelitten. Nur zwei der 60 getesteten Staaten haben ein schlechteres Image als der Pleitestaat. Die Folge: Investoren meiden das Land, die Kreditwürdigkeit ist mies.
Nur 5,7 Prozent der gefragten Experten bescheinigten Griechenland, eine kompetente Regierung zu haben. In der Tat hat es Athen nicht geschafft, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen (Rang 60), für Wachstum zu sorgen (Rang 60) und die öffentlichen Finanzen auf Vordermann zu bringen.
Auch bei der Bildung und Weiterbildung der Bürger hat Griechenland großen Nachholbedarf. Fortbildung von Angestellten gibt es quasi nicht (Platz 58), auch die Qualität der Universitäten ist schlecht (Rang 51). Demzufolge gibt es auch wenige Forscher und Wissenschaftler (Rang 49). Besser schneidet der Krisenstaat bei der Frühförderung ab: Es gibt eine Vielzahl von Lehrern, die Klassen sind sehr klein (Rang 2).
„Die Peripherieländer lassen sich nicht über einen Kamm scheren. Während es in Spanien, Irland und auch Portugal erste Anzeichen der Besserung gibt, hat sich in Griechenland die Wettbewerbsfähigkeit in der Tat noch einmal verschlechtert“, unterstreicht Bris. Gleiches gelte für Italien.
Zwar wird dem Land bescheinigt, über qualifizierte Arbeitskräfte zu verfügen und durchaus produktiv zu sein. Doch das reicht heutzutage nicht aus, um sich im globalen Wettbewerb beweisen zu können. Im ersten Quartal schrumpfte Italien um 0,1 Prozent – und auch im IMD-Ranking ging es im Vergleich zum Vorjahr bergab, Rom fiel von Rang 44 auf Platz 46, hinter Portugal, Indien und der Slowakei. Für die drittgrößte Volkswirtschaft im Euro-Raum ein Armutszeugnis.
Drei Aufgaben nennen die Schweizer Studienautoren, die die italienische Regierung dringend erledigen muss: Die Steuern auf Arbeit müssten runter, öffentliche Ausgaben besser geprüft und sinnvoller gestaltet werden – und das Justizsystem sollte dringend reformiert werden, da die Verfahren zu lang und intransparent seien.
Italiens Regierungschef Matteo Renzi ist mit starken Worten gestartet. Er versprach, die Steuern für Unternehmen zu senken und die Bürokratie einzudämmen. Es ist dringender, denn je. Im nächsten Jahr, mit dem Erscheinen des 2015er-IMD-Ranking, wird sich zeigen, ob Renzi geliefert hat – oder ob er nur eine Fußnote in der Diskussion um die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit in Europa gesetzt hat. Wie so viele Politiker aus den Euro-Ländern in den vergangenen drei Jahren.
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