Wie die Briten auf den Brexit wetten „Wetten, dass Johnson eher gehen muss als der ManU-Chef?“

Brexit-Wetten im April Quelle: imago images

In Großbritannien kann auf alles gewettet werden, natürlich auch auf den Brexit. Ob und wann er kommt und wer als nächstes die EU verlässt. Auch vor der Halbwertszeit der Politiker machen die Buchmacher nicht Halt.

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Wenn in Großbritannien politische Entscheidung anstehen, verweisen politische Berichterstatter oft darauf, wie die Buchmacher des Landes die Dinge einschätzen. Dabei erwähnen sie oft kryptisch klingende Bruchwerte, die Wahrscheinlichkeiten ausdrücken sollen. Die sind für ausländische Beobachter meist völlig unverständlich, scheinen sich aber vielen Briten sofort zu erschließen. Kein Wunder: Schließlich ist Wetten in Großbritannien seit Jahrhunderten eine der beliebtesten Freizeitbeschäftigungen. In allen Gesellschaftsschichten wird gezockt, die Industrie ist milliardenschwer. Gewettet werden kann auf alles Erdenkliche – und somit natürlich auch auch den Brexit.

Die großen Wettanbieter bieten in diesen Tagen ganze Brexit-Rubriken an. Beim Anbieter Betfred etwa kann man darauf wetten, wann Großbritannien die EU verlassen wird. Und da wird schnell klar, dass sich auch die Buchmacher des Landes auf keine verlässlichen Einschätzungen einlassen möchten. So steht die Wettquote für einen Brexit bis Ende des Jahres derzeit bei 13/8. Das heißt, dass man für 8 gewettete Pfund 21 Pfund herausbekommen (inklusive des Einsatzes), wenn Großbritannien die EU tatsächlich in diesem Zeitraum verlassen sollte. Die Wahrscheinlichkeit, die sich daraus berechnen lässt, liegt demnach bei 38,1 Prozent. Für einen Brexit in der ersten Jahreshälfte 2020 bekäme man für jedes gesetzte Pfund 3 Pfund zurück. Die Wahrscheinlichkeit dafür liegt aber bei nur noch 33,3 Prozent. Auch die Wahrscheinlichkeit, dass es „nicht vor 2022“ zu einem Brexit kommt, schätzt der Anbieter mit 26,7 Prozent noch immer relativ hoch ein.

Wer darauf setzt, dass es irgendwann 2021 zum Brexit kommt, und das bewahrheitet sich, kann damit richtig Kasse machen: Da würde man bei einer Wettquote von 33/1 für jedes gesetzte Pfund ganze 34 Pfund zurückbekommen. Die Wahrscheinlichkeit, dass das geschieht, liegt aber bei unter 3 Prozent.

Nicht viel zu holen gibt es, wenn man darauf setzt, dass es in diesem Jahr kein zweites EU-Referendum mehr geben wird. Da wäre bei einem Einsatz von 50 Pfund gerade mal ein Gewinn von einem Pfund zu erwarten (und man bekäme den Einsatz zurück). Die Wahrscheinlichkeit, dass es kein Referendum gibt, liegt bei 98 Prozent.

Spannend wird es bei der Frage, ob Großbritannien die EU am 31. Oktober oder vorher verlässt – wie Premier Boris Johnson es versprochen hat. Die Chancen, dass das geschieht, schätzt der Anbieter mit 28,6 Prozent relativ niedrig ein. Die Wahrscheinlichkeit, dass das nicht geschieht: 76,9 Prozent.

Das ist insofern aufschlussreich, da Wettanbieter ihre Quoten auch dem Wettverhalten ihrer Kunden anpassen. Eine dermaßen eindeutige Quote deutet somit darauf hin, dass die Mehrzahl der Briten nicht glaubt, dass das Land bis Ende Oktober die EU verlassen haben wird.

Einige der Brexit-Wetten beim Anbieter Paddypower sind abenteuerlicher als bei der Konkurrenz. So kann man darauf wetten, dass es wegen des Brexits noch in diesem Jahr Engpässe bei den Verhütungsmitteln geben wird. Mit 12,5 Prozent wird die Wahrscheinlichkeit dafür aber eher gering eingestuft. Könnte es passieren, dass noch in diesem Jahr an mindestens sieben aufeinanderfolgenden Tagen keine Züge durch den Kanaltunnel fahren werden? Die Wahrscheinlichkeit dafür: 9,1 Prozent.

Aufschlussreich sind auch die Wettquoten zur Frage, wie ein zweites EU-Referendum in diesem Jahr ausgehen würde. Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Briten für einen Verbleib in der EU stimmen, liegt laut Paddypower bei 33,3 Prozent. Die Chance eines wiederholten Leave-Votums setzt der Anbieter allerdings auf 16,7 Prozent an.

Brexit und Fußball

Paddypower gelingt es sogar, eine unerwartete Brücke zwischen dem Brexit und Fußball zu schlagen, und zwar mit der Frage: Wer verliert zuerst seinen Job, Boris Johnson oder Manchester United-Manager Ole Gunnar Solskjaer? Die Wahrscheinlichkeit, dass Johnson zuerst seinen Hut nehmen muss, liegt bei 66,6 Prozent. Dass es Solskjaer zuerst trifft, ist zu 40 Prozent wahrscheinlich.

Und auch Fastfood-Freunde haben Grund zur Sorge: Denn die Wahrscheinlichkeit, dass Kentucky Fried Chicken aufgrund von Engpässen bei der Fleischversorgung noch in diesem Jahr Filialen schließen muss, liegt mit einer Wahrscheinlichkeit von 26,7 Prozent noch vergleichsweise hoch.

Neben dem Brexit kann man bei allen Anbietern auch weiterhin auf den Ausgang anderer politischer Entwicklungen wetten. So liegt laut dem Anbieter William Hill die Wahrscheinlichkeit dafür, dass es bei Neuwahlen zu keinem klaren Ergebnis kommt, bei 61,9 Prozent. Diese Einschätzung erscheint realistisch. Denn sowohl die Tories als auch Labour dürften Stimmen an kleinere Parteien verlieren – vorausgesetzt, sie gehen nicht zuvor Allianzen mit diesen kleineren Parteien ein. Das könnte am Ende tatsächlich zu einem Patt im Unterhaus führen.

Der Brexit-Zeitplan

Die Chancen für eine konservative Mehrheit liegen laut dem Anbieter bei 38,1 Prozent. An eine Labour-Mehrheit glaubt der Anbieter offenbar nicht, die Wahrscheinlich dafür liegt bei 9,1 Prozent. Wer möchte, kann auch auf eine Mehrheit der Brexit-Party oder der Liberaldemokraten wetten. Sollte es dazu kommen, bekäme man für jedes gesetzte Pfund 34 Pfund heraus. Nur liegt die Wahrscheinlichkeit dafür derzeit bei nur 2,9 Prozent.

Eine weitere Wette, die man bei William Hill abschließen kann: Welche Land verlässt wohl als nächstes die EU? Spitzenreiter ist da Italien (33,3 Prozent), gefolgt von Griechenland (20 Prozent). Luxemburg dürfte der EU wohl noch eine Weile erhalten bleiben. Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass das passiert, setzt der Anbieter auf 0,7 Prozent an.

Auch auf die spannende Frage, wer der nächste Premierminister wird, kann man Geld setzen. Und da liegt Labour-Chef Jeremy Corbyn an erster Stelle (36,4 Prozent), gefolgt vom langjährigen (und kürzlich von Johnsons aus der konservativen Fraktion geworfenen) Tory-Schwergewicht Ken Clarke (9,1 Prozent) und der Chefin der Liberaldemokraten, Jo Swinson (6,7 Prozent). Wer unbedingt, möchte, kann auch darauf setzen, dass Ex-Premier Tony Blair wieder in die Downing Street einzieht. Die Wahrscheinlichkeit, dass das passiert, liegt aber laut dem Anbieter nur bei 0,5 Prozent.

Auf die wesentlichen Fragen im Brexit-Drama haben auch die Wettanbieter keine klaren Antworten. Das überrascht kaum, schließlich scheint auch keiner der führenden Politiker zu wissen, wie sich die Dinge in den kommenden Wochen und Monaten entwickeln werden.

Zumindest kann man zuversichtlich sein, dass es zu keinem Luxit kommt.

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