Wirtschaft im Weitwinkel
Der Politik fehlt es hierzulande leider noch immer am Willen, die immer deutlicher werdenden Probleme des demografischen Wandels klar anzugehen. Quelle: dpa

Beim demographischen Wandel ist Finnland Vorbild

Die deutsche Politik vernachlässigt noch immer die Probleme durch den demografischen Wandel. In Finnland hingegen hat die Regierung bereits viele wichtige Maßnahmen zur Zukunftssicherung beschlossen und umgesetzt.

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Die Bevölkerung in den einzelnen Mitgliedsländern der Europäischen Währungsunion wird zunehmend älter. Von der voranschreitenden Alterung sind dabei alle Volkswirtschaften in unterschiedlicher Dynamik betroffen. Dieser demografische Prozess vollzieht sich zwar langsam, aber stetig. Und ist der Prozess erstmal in Gang gekommen, ist er nur schwer umzukehren. Hinter dem Alterungsprozess steht in den meisten Fällen eine steigende Lebenserwartung bei gleichzeitig sinkenden Geburtenziffern. In manchen Ländern beschleunigt die Abwanderung von jungen Arbeitskräften zusätzlich die Vergreisung der Gesellschaft.

Auf alle Staaten kommen mittel- bis langfristig daher gewaltige Herausforderungen zu. Zum einen sind alters- und gesundheitsbedingte Ausgabensteigerungen zu erwarten, die die Staatsfinanzen unter Druck setzen. Mit einer alternden und schrumpfenden Erwerbsbevölkerung stellt sich zudem die Frage, wie auch zukünftig der Lebensstandard gehalten werden kann. Hier gilt es, über die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen das Potenzial für ein nachhaltiges Wachstum in den kommenden Jahren zu sichern. Wenn die Erwerbsbevölkerung sinkt, bleibt als alternative Stellgröße für das Wachstum letztendlich nur eine höhere Produktivität, um das Wohlstandsniveau zu halten.

Finnland ist die Gesellschaft in Europa, die mit am stärksten dem demografischen Wandel ausgesetzt sein wird, noch stärker als in Deutschland. Schon jetzt beläuft sich das Verhältnis der über 60-Jährigen zu der Gruppe der 20- bis 59-Jährigen auf knapp 55 Prozent. Zehn Jahre zuvor lag das Verhältnis noch bei rund 42 Prozent. Und dieser Trend dürfte sich weiter fortsetzen.

Finnland handelt, Deutschland döst

Der finnischen Regierung sind die Herausforderungen bewusst. Neben höheren privaten und öffentlichen Ausgaben in den Bereichen Forschung und Entwicklung muss auch das gemäß den Pisa-Studien regelmäßig als sehr gut bestätigte Ausbildungsniveau des finnischen Bildungssektors gesichert werden. Ziel ist es, der zukünftig sinkenden Zahl an potenziellen Arbeitskräften einen vergleichsweise hohen Bildungsstand zu ermöglichen. Dadurch soll die Qualität des Faktors Arbeit verbessert werden, um über Produktivitätssteigerungen den Effekt der sinkenden Zahl der Arbeitskräfte zumindest zu kompensieren.

Zum anderen will die Regierung im Bereich der Staatsfinanzen schrittweise einen Puffer schaffen, um mit den altersbedingten Ausgabensteigerungen fertig zu werden. In diesem Bereich ist die finnische Regierung bereits auf einem guten Weg. In den vergangenen zwei Jahren wurde die Konsolidierung maßgeblich über die Ausgabenseite des Staates vorangetrieben. Der Anstieg der Schuldenstandsquote konnte nicht nur gebremst werden, sie bewegt sich wieder in Richtung der 60-Prozent-Grenze. Die Neuverschuldung in Relation zum Bruttoinlandsprodukt liegt inzwischen unter der Marke von ein Prozent - mit abnehmender Tendenz.

Weitere Schritte sind geplant. Eine umfassende Reform des staatlichen Gesundheitswesens soll ab 2020 stärkere Kostensteigerungen begrenzen, ohne dabei die Qualität der Gesundheitsversorgung zu reduzieren. Konkret sollen Dienstleistungen aus den Bereichen Gesundheit und Pflege auf regionaler Ebene stärker gebündelt werden. Die Hauptverantwortung für das Angebot und die Kostenentwicklung der Gesundheitsdienstleistungen sollen dabei die Landkreise tragen. Bislang lag diese auf der Gemeindeebene. Die Landkreise, die künftig die Verantwortung tragen, werden im Rahmen einer Gebietskörperschaftsreform neu geschaffen.

Ob die geplanten Reformen die erwünschten Ziele auch vor dem Hintergrund der demografischen Herausforderung erreichen werden lässt, sich noch nicht abschätzen. Aber immerhin erkennt die finnische Regierung den Handlungsbedarf und ergreift erste Maßnahmen. Andere Länder lassen ähnliche Schritte bislang vermissen.

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