Eine Erklärung für die verhaltene Kreditdynamik liegt in einer grundsätzlichen Zurückhaltung der Banken. So kämpfen in Folge der Wirtschaftskrise insbesondere südeuropäische Banken mit einer Vielzahl an faulen Krediten. Verschärfend kommt hinzu, dass von Seiten der Bankaufsicht die Anforderungen an die Geldinstitute zuletzt deutlich gestiegen sind. Die höheren Kapitalanforderungen könnten eine mögliche weitere Erklärung für die Zurückhaltung der Geschäftsbanken bei der Kreditvergabe sein.
Demgegenüber deutet eine Umfrage der EZB unter klein- und mittelständischen Unternehmen nicht darauf hin, dass es auf gesamteuropäischer Ebene einen Engpass an Unternehmenskrediten gibt. So betrachten die befragten Firmen den Zugang zu Kreditmitteln derzeit als ihre geringste Herausforderung. Vielmehr bereitet den Unternehmen vor allem das Neukundengeschäft Kopfzerbrechen. Angesichts der verhaltenen konjunkturellen Dynamik und bestehender Unterauslastungen ihrer Kapazitäten halten sich die Unternehmen generell mit Neuinvestitionen zurück.
Dies nährt grundsätzliche Zweifel am eingeschlagenen Kurs der Notenbank. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass damit einhergehende Risiken grundsätzlich zunehmen. So macht das Niedrigzinsumfeld den Geschäftsbanken zusehends zu schaffen. Darüber hinaus fördert das billige EZB-Geld Fehlinvestitionen und Übertreibungen in einzelnen Vermögensgütern.
Geldpolitik der EZB: Entlastungen durch Niedrigzinsen
Verbraucher sparen bei Darlehen, ob für den neuen Fernseher oder für die eigenen vier Wände. Hausbauer können sich zu historisch günstigen Konditionen Geld leihen. Nach Angaben des Bankenverbandes BdB sind Hypothekendarlehen mit zehn Jahren Zinsbindung derzeit zu Effektivzinsen von durchschnittlich etwa 1,4 Prozent zu haben. 2007 lagen sie noch bei mehr als fünf Prozent.
Billiger ist es auch geworden, das eigene Konto zu überziehen. Vor fünf Jahren lagen die Dispozinsen nach Angaben der Finanzberatung FMH im Schnitt noch bei 11,26 Prozent. Mittlerweile sind es demnach durchschnittlich 9,51 Prozent.
Seit Jahren ist günstiges Notenbankgeld der zentrale Treibstoff für die Börsen. Aktionäre können von steigenden Kursen profitieren. Zuletzt wagten sich die eher börsenscheuen Deutschen wieder stärker an den Aktienmarkt. Knapp 9,01 Millionen Menschen besaßen nach Angaben des Deutschen Aktieninstituts im vergangenen Jahr Aktien und/oder Anteile an Aktienfonds - das ist der höchste Stand seit 2012.
Mit der Ausgabe von Anleihen finanziert die öffentliche Hand - neben Steuereinkünften - einen Großteil ihrer Ausgaben. Am Montag fiel die sogenannte Umlaufrendite, die ein durchschnittliches Maß für die „Verzinsung“ von Staatspapieren mit einer Laufzeit von drei bis 30 Jahren ist, in Deutschland erstmals seit der Gründung der Bundesrepublik in den negativen Bereich. Der Bund „verdient“ in einer solchen Situation somit an seiner eigenen Schuldenaufnahme, anstatt den Gläubigern - den Käufern der Anleihen - einen Zins zu zahlen.
Stand: 7. Juni 2016
Dennoch liefern die europäischen Währungshüter derzeit keine Hinweise, tiefgreifende Kurskorrekturen vornehmen zu wollen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die EZB zur September-Sitzung am Donnerstag auf ein Mehr der gleichen Medizin setzt und den geldpolitischen Stimulus über eine Verlängerung der Anleihekäufe nochmals erhöht. Es ist nicht davon auszugehen, dass die EZB ein Enddatum kommunizieren wird. Vielmehr dürfte über den Fortgang des Ankaufprogrammes entschieden werden.
Um die Durchführbarkeit des Programms zu ermöglichen, müssen die Währungshüter zudem Regelungen beschließen, die sicherstellen, dass über das bisherige Programmende hinaus ausreichend Wertpapiere - insbesondere finnische, portugiesische und deutsche Staatsanleihen - gekauft werden können. Eine Stellschraube wäre hier unter anderem eine weitere Senkung des Einlagensatzes. Doch angesichts der negativen Auswirkungen auf den Bankensektor, scheinen die Vorbehalte innerhalb der EZB gegenüber einem solchen Schritt zugenommen zu haben.
Weitere Handlungsoptionen wären der Verzicht auf eine Renditeuntergrenze für einzelne Anleihekäufe, die Anpassung des Ankaufschlüssels zugunsten von Ländern mit hoher Staatsschuld oder eine Anhebung des Emissionslimits. Letztere Option würde auf den geringsten Widerstand unter den Kritikern führen, aber auch nur einige zusätzliche Zeit verschaffen. Das längerfristige Funktionieren des APP hängt also weiterhin davon, ob die Inflation und damit die Renditen zulegen und so das ankaufbare Universum wieder expandiert. Trotzdem hat die EZB in der Vergangenheit auch immer wieder mit unerwarteten Lösungsansätzen überrascht.