




Italien stimmt am 4. Dezember über die geplante Verfassungsreform des Ministerpräsidenten Renzi ab. Ziel dieser Reform ist es, zukünftig das Regieren zu erleichtern. Denn jedes Gesetz muss bislang in den beiden Kammer des Parlaments – dem Abgeordnetenhaus und dem Senat - in jeweils drei Lesungen verabschiedet werden. Da sich selten eine Regierung in beiden Kammern auf eine eigene Mehrheit stützen konnte, wurden Gesetzesvorhaben häufig blockiert oder verwässert. Dieses perfekte Zwei-Kammer-System hat das Regieren in Italien ungleich schwierig gestaltet und letztlich zu häufigen Regierungswechseln geführt. In dem Ringen um politische Mehrheiten haben sich Regierungen in der Vergangenheit regelmäßig aufgerieben. Insgesamt weist Italien seit dem Ende des zweiten Weltkriegs 65 Regierungen auf.
Zukünftig sollen im Rahmen der Reform die Rechte der zweiten Kammer, also des Senats, erheblich begrenzt werden. Der neue Senat soll künftig 95 Mitglieder umfassen und aus entsendeten Vertretern der Regionen sowie Bürgermeistern von Großstädten bestehen.
Dazu kommen zwei vom Präsidenten auf Lebenszeit ernannte Senatoren und die ehemaligen Staatspräsidenten. Derzeit sitzen 315 Personen im Senat, die direkt in den Regionen gewählt werden. Bei einer erfolgreichen Zustimmung der Italiener zum Verfassungsreferendum, wären der Umfang und die Zuständigkeiten der zweiten Kammer deutlich beschnitten.
Der Senat wäre noch für Europafragen, den Minderheitenschutz und Referenden zuständig, sowie bei Verfassungsänderungen zustimmungsberechtigt. Die Gesetzgebung in allen anderen Fragen fällt dann in den Zuständigkeitsbereich der Abgeordnetenkammer.
Fakten zum Italien-Referendum
Durch eine Verfassungsänderung soll das Regieren in Italien leichter werden. Die zweite Kammer, der Senat, wird quasi abgeschafft. So müssen nicht mehr alle Gesetze von beiden Kammern verabschiedet werden - was die für Italien typischen politischen Dauerblockaden auflösen soll. Kritiker sagen, dass die Regierung so zu viel Macht bekommt und die Reform nicht die wirklichen Probleme des Landes löst.
Ministerpräsident Matteo Renzi hat angekündigt, bei einer Niederlage in der Volksabstimmung zurückzutreten. Wenn also das „Nein“-Lager gewinnt, könnte ein Regierungssturz oder eine Regierungskrise folgen. Und auf politische Instabilität reagieren auch die Finanzmärkte. Es könnte auch zu Neuwahlen kommen, bei denen die eurokritische Fünf-Sterne-Bewegung punkten könnte. Auch das löst Verunsicherung aus, in unsicherem politischen Klima investieren Anleger ungern.
Die italienische Notenbank warnte bereits für den Tag nach dem Referendum vor Turbulenzen. Finanzminister Pier Carlo Padoan sagte: „Die Märkte sind in Sorge, dass der Reformprozess unterbrochen werden könnte.“ Er betonte aber auch, dass er keine schwere Krise erwarte, weil Italien mittlerweile wirtschaftlich besser dastünde. Auch Premier Renzi beschwichtigte: Am Tag nach dem Referendum würden nicht „die Heuschrecken“ kommen.
Der „Spread“ ist ein wichtiger Indikator für eine Krise, in diesem Fall ist er so etwas wie die Fieberkurve Italiens. Die Zahl misst, wie es um das Interesse der Anleger an italienischen Staatsanleihen bestellt ist. Je größer der „Spread“, desto schlechter wird Italien im Vergleich zu Deutschland aus Sicht der Investoren bewertet.
Denn mit der Größe ist die Differenz (Spread) zwischen den Renditen gemeint, die italienische und deutsche Staatspapiere mit zehn Jahren Restlaufzeit gerade abwerfen. „Wir erwarten, dass der „Spread“ bei einem Nein hochgehen wird, das müsste sich aber nach ein paar Tagen beruhigen, es wird ein Sturm im Wasserglas sein“, glaubt Tatjana Eifrig, Analystin der italienischen Bank Finnat.
Das Land leidet unter einer geringen Produktivität, Vetternwirtschaft und Korruption. Die Wirtschaft lahmt seit Jahren, das Wachstum für 2017 soll bei nur 0,9 Prozent liegen. Zudem ist Italien mit 133 Prozent des Bruttoinlandsproduktes das am zweithöchsten verschuldete Mitglied der Eurozone - gleich nach Griechenland. Seit Jahren schwelt eine Bankenkrise, die bisher nicht wirklich gelöst wurde. Die Geldhäuser sitzen auf faulen Krediten von 300 Milliarden Euro.
Sorgenkind ist vor allem die Krisenbank Monte dei Paschi di Siena. Derzeit würden die Probleme im Euroraum allerdings durch die lockere Geldpolitik überdeckt, sagt der Chefvolkswirt der DZ Bank, Stefan Bielmeier. Sobald die Europäische Zentralbank (EZB) die Zügel wieder straffer ziehe, könnten die Probleme stärker sichtbar werden.
Italien ist die drittgrößte Volkswirtschaft des Euroraums. Gerät sie weiter ins Trudeln, könnte das andere Länder mitreißen. Ein europäisches Rettungspaket wie für Griechenland würde für Italien wohl nicht funktionieren, weil das Land zu schwergewichtig ist.
Einige Experten sprechen sogar vom möglichen Euro-Ausstieg Italiens. So sagte Wirtschafts-Nobelpreisträger Joseph Stiglitz in einem Interview: „Den Italienern wird gerade klar, dass Italien im Euro nicht funktioniert.“ Und der deutsche Ökonom Hans-Werner Sinn meinte: „Die Wahrscheinlichkeit, dass Italien dauerhaft Teil des Euro bleibt, fällt von Jahr zu Jahr.“ Auch die Wirtschaftszeitung „Financial Times“ urteilte vor kurzem, dass das Referendum in Italien der „Schlüssel für die Zukunft des Euros“ sei.
Mit Blick auf Italien sagt Analystin Eifrig: „Einen Austritt aus dem Euro können wir uns derzeit gar nicht vorstellen.“ Zwar mehren sich in Italien auch die Euro-Gegner. Wenn es wirklich zu Neuwahlen kommen sollte und dabei die derzeit stärkste Oppositionspartei „Movimento 5 Stelle“ (Fünf-Sterne-Bewegung) gewinnen sollte, dann wird das Thema heißer. Denn die Protestpartei will ein Referendum über den Euro.
Aber: „Ein Referendum über einen Euro-Ausstieg kann gar nicht gemacht werden, das ist gegen die Verfassung. Das kann nur das Parlament bestimmen“, erklärt Eifrig. Sie sieht in der Schwarzmalerei eine Strategie der Befürworter der Reform, nach dem Motto: Je düsterer das Szenario, desto mehr Menschen werden aus Angst mit „Ja“ stimmen. Und generell gilt zumindest theoretisch das Prinzip: Wer den Euro einmal hat, der behält ihn auch. Wie ein Euro-Austritt überhaupt im Detail durchgeführt werden könnte, ist völlig unklar.
Damit eine Regierung in Zukunft einfacher Regieren kann, wurde zudem schon mit der Reform des Wahlrechts – unter großer Kritik der Opposition und auch aus den eigenen Reihen – von der Regierung Renzi die Grundlage gelegt. Das neue Wahlrecht sieht unter anderem einen Mehrheitsbonus für den Sieger vor.
Demnach soll die stärkste Partei zusätzliche Sitze erhalten, wenn sie auf mehr als 40 Prozent kommt. Konkret wird ihr Sitzanteil im Abgeordnetenhaus automatisch um 15 Prozent aufgestockt, sodass sie 55 Prozent der Sitze erhält. Sollte keine Partei im ersten Wahlgang die Marke von 40 Prozent erreichen, entscheidet eine Stichwahl zwischen den beiden stärksten Parteien, wem der Bonus zufällt.
Die Regierung Renzi und seine Minister haben kräftig die Werbetrommel gerührt, um die Bevölkerung zu überzeugen. Allerdings zeigt sich, dass aus der anfänglich breiten Zustimmung unter der Bevölkerung zur Verfassungsreform ein Kopf-an-Kopf-Rennen geworden ist. Mehr noch, die Opposition gegen die Reform hatte zuletzt sogar die Nase leicht vorne. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass der Anteil der unentschlossenen Italiener je nach Befragung zuletzt rund ein Drittel ausgemacht. Der Wahlausgang ist also offen.
Damit Renzis großer Wurf der Reform der politischen Entscheidungsebene gelingt, ist die Zustimmung der italienischen Bevölkerung zur Verfassungsreform zwingend notwendig. Die politische Opposition hatte schon die Reform des Wahlrechts heftig kritisiert. Gerade die kleineren Parteien protestierten, da sie sich zukünftig um die Chance der Regierungsbeteiligung in einer Koalition gebracht sehen. Aber auch in den eigenen Reihen wächst der Widerstand. Daher gewinnen die Ablehner der Verfassungsreform immer mehr Zulauf, ihr Stimmenanteil hat zuletzt deutlich zugenommen.