Selten hat es am Anfang eines neuen Jahres so viele und so große Unsicherheiten gegeben. Eine besonders wichtige Frage ist in diesem Zusammenhang, welchen Wirtschaftskurs der künftige US-Präsident Trump am Ende tatsächlich einschlagen wird. Zusätzliche Unsicherheiten sind der Ölpreis und der Ausgang vieler wichtiger Wahlen in Europa.
Vor wenigen Tagen hat sich die OPEC zum ersten Mal seit fast zehn Jahren wieder auf eine Erdöl-Förderkürzung geeinigt. Das Ziel ist vor allem, die übervollen globalen Lagerbestände abzubauen. Diese lasten schon seit Längerem auf dem Rohölpreis. Allein die Ankündigung wirkte sofort: Die Aussicht auf ein verringertes Öl-Angebot hat die in den Vorwochen kräftig gefallenen Rohölpreise wieder sprunghaft ansteigen lassen. Brent- und WTI-Rohöl kletterten in den ersten Dezembertagen um mehr als zehn Prozent auf zuletzt über 50 US-Dollar pro Barrel.
Rohölpreisveränderungen auf dem Weltmarkt schlagen sich üblicherweise recht schnell an den Zapfsäulen und bei den Heizölhändlern in Deutschland nieder. Bedeutet der jüngste Ölpreisauftrieb also, dass im kommenden Jahr auch bei uns wieder mit höheren Inflationsraten zu rechnen ist?
Generell schätzen wir die Inflationsgefahren für Deutschland und auch für die Wirtschaft im gesamten Euro-Währungsgebiet als sehr begrenzt ein. Daran wird auch der jüngste Ölpreisanstieg nichts ändern. Denn in den Euro-Ländern haben wir eine zwar langsam sinkende, aber noch immer hohe Arbeitslosigkeit. Diese wirkt einem größeren Preisauftrieb entgegen.
Aufgrund der robusten Entwicklung des deutschen Arbeitsmarkts könnte die Lohnentwicklung hierzulande zwar etwas stärker anziehen als in den anderen großen Euro-Mitgliedländern. Aber insgesamt ist auch hier kein größerer Lohndruck zu erwarten, nicht zuletzt weil aufgrund der jüngsten Migrationsbewegungen das Arbeitskräftepotenzial deutlich gestiegen ist. Das wirkt gerade in den unteren Lohnsegmenten einem stärkeren Lohnanstieg entgegen.
Für die Euro-Länder als Ganzes gehen wir von einem Anstieg der Inflationsrate, gemessen am harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI), von 0,2 Prozent in diesem Jahr auf +1,4 Prozent im nächsten Jahr aus. Die deutschen Verbraucherpreise dürften in derselben Zeit auch nur von +0,3 im Jahr 2016 auf +1,4 in 2017 anziehen.
Für den erwarteten, sehr moderaten Inflationsanstieg 2017 spielen die Energiepreise durchaus eine wichtige Rolle. Denn die massive Korrektur des Rohölpreises seit der Jahresmitte 2014, als der Ölpreis noch bei einem Niveau von über 110 US-Dollar stand, verschwindet nun allmählich aus den Statistiken. Der Basiseffekt, der vom Ölpreis auf die Preise von Energie im Warenkorb der Verbraucher ausgestrahlt hatte, läuft aus. Und auch wenn der Ölpreis zuletzt wieder auf über 50 US-Dollar angestiegen ist, erwarten wir nun keinen weiteren starken Auftrieb bei den Energiepreisen.
Es wirken mehrere, zum Teil gegenläufige Effekte auf den Ölpreis im kommenden Jahr: Auf der einen Seite könnte der jüngste OPEC-Beschluss für sich genommen dem Ölpreis stärkeren Auftrieb verleihen. Auf der anderen Seite bestehen in anderen wichtigen Erdölförderländern – besonders in den USA – genügend Kapazitäten, um bei deutlich steigenden Ölpreisen die Fördermenge wieder zu erhöhen. Diese Möglichkeiten zur Angebotsausweitung begrenzen das Preissteigerungspotenzial. Für den Ölpreis der für die europäischen Volkswirtschaften relevanten Sorte Bent heißt das aus unserer Sicht, dass er ausgehend vom aktuellen Niveau von rund 54 US-Dollar bis zum vierten Quartal 2017 nur leicht auf durchschnittlich rund 58 US-Dollar ansteigen dürfte.
Was Sie über den Ölpreis wissen müssen
Da Öl ursprünglich in Fässern abgefüllt wurde - Barrel im Englischen -, wird diese Maßeinheit in der Branche bis heute verwendet. Ein Barrel sind 159 Liter.
Die steile Talfahrt begann Mitte 2014, bis Anfang 2016 hatte sich der Preis mehr als gedrittelt. Seitdem hat sich der preis wieder erholt, bleibt aber weiter weit hinter früheren Niveaus zurück. Hintergrund ist ein knallharter Wettbewerb zwischen den klassischen Ölförderern wie Saudi-Arabien und neuen Konkurrenten, die Rohöl mit der aufwendigen Fracking-Methode aus Schiefergestein lösen, allen voran in den USA.
Rohöl ist nicht gleich Rohöl. Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Sorten – je nach Region. Alleine der Finanzinformationsdienst Bloomberg listet mehr als 100 Stück auf, wovon allerdings nur wenige große Bedeutung haben. Als Richtwert am Finanzmarkt gilt das US-Rohöl West Texas Intermediate (WTI). Eine weitere wichtige Sorte ist das Nordsee-Öl Brent.
Bei den Ölsorten gibt es gravierende Unterschiede bei der Qualität, was auch zu merklichen Preisunterschieden führt. So kann etwa die Sorte North Dakota Sour in der Raffinerie nur schwer verarbeitet werden, weil sie stark schwefelhaltig ist. Das schlägt sich auch im Preis nieder.
Für US-Öl und Brent-Öl werden die Preise über das Spiel von Angebot und Nachfrage gebildet. Aber auch diese Sorten können eine Vielzahl von unterschiedlichen Preisen haben, was daran liegt, dass sie in sogenannten Future-Kontrakten gehandelt werden. Der Käufer erwirbt dabei Rohöl mit unterschiedlichen Lieferdaten. Der am meisten gehandelte und damit für die Anleger wichtigste Future-Kontrakt läuft über einen Monat.
Auch die Ölsorten des Ölkartells Opec (Organisation erdölexportierender Länder) sind für die Weltwirtschaft von hoher Bedeutung. Von der Opec-Zentrale in Wien wird einmal täglich der sogenannte Opec-Korbpreis ermittelt. Hierfür melden alle Mitgliedstaaten des Ölkartells ihre jeweiligen Ölpreise, dann wird der sogenannte Korbpreis aller 13 Opec-Sorten errechnet. Dieser Durchschnittspreis wird allerdings immer mit einem Tag Verzögerung veröffentlicht und spiegelt daher nicht die neueste Entwicklung wider.
Wenn der OPEC-Effekt allerdings schnell wieder verpuffen sollte, kann es beim Ölpreis durchaus auch wieder in die andere Richtung gehen. Er könnte dann Ende 2017 wieder deutlich niedriger bei etwa 40 US-Dollar stehen, doch auch in diesem Fall sehen wir keinen neuerlichen Absturz der Inflationsrate. Sie würde dann zwar sowohl in Deutschland als auch im Euro-Raum in der zweiten Jahreshälfte 2017 wieder vorübergehend unter die Ein-Prozent-Marke sinken, aber damit sicherlich keinen Anlass für neu aufkommende Deflationsängste bieten.
Welche anderen externen Faktoren könnten die Inflationsrate im kommenden Jahr stärker beeinflussen? Sollte der designierte US-Präsident Donald Trump einige seiner Wahlkampf-Ankündigungen in die Tat umsetzen und etwa durch protektionistische Maßnahmen den internationalen Güteraustausch behindern, dann wäre mit einer Verteuerung importierter Waren aus den USA zu rechnen. Doch auch wenn unter Trump das eigentlich geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA wohl nicht weiterverhandelt wird, dass darüber hinaus bestehende Handelsvereinbarungen zwischen den großen Wirtschafsräumen dies- und jenseits des Atlantiks aufgekündigt werden und dadurch abrupte Verwerfungen im Güteraustausch entstehen, ist aus unserer Sicht sehr unwahrscheinlich.
Andere Wahlkampfideen haben aber durchaus das Potenzial, die Inflationsrate anzuschieben, zumindest in den USA. Trumps geplante Konjunkturmaßnahmen könnten sich im Jahresverlauf 2017 positiv auf das Wirtschaftswachstum und die Inflation auswirken. Die ohnehin schon sehr robuste Arbeitsmarktentwicklung in den Vereinigten Staaten hatte zwar bislang kaum einen höheren Lohndruck zur Folge. Der geplante zusätzliche Konjunkturstimulus könnte aber über eine zusätzliche Ausweitung der Beschäftigung zu Engpässen in Teilbereichen des Arbeitsmarkts und damit zu einem stärkeren Lohnanstieg in den USA führen. Insgesamt dürfte die Inflationsrate in den USA im kommenden Jahr deutlich stärker anziehen als in der Europäischen Währungsunion, wir erwarten einen Anstieg von 1,3 Prozent in diesem Jahr auf 2,3 Prozent im Jahr 2017.
Eine entscheidende Rolle für die Übertragung externer Inflationsentwicklungen nach Europa oder Deutschland spielt der Wechselkurs. Eine massive Abwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar könnte die heimische Inflationsentwicklung über verteuerte Importe antreiben. Für eine solche deutliche Wechselkursbewegung bedarf es aber einer grundsätzlichen Neubewertung der wirtschaftlichen Lage. Die USA müssten noch stärker als sicherer Anlagehafen wahrgenommen werden. Auf europäischer Seite könnten Wahlsiege populistischer Parteien bei den kommenden Wahlen in den Niederlanden oder in Frankreich zu einer größeren Verunsicherung der Anleger führen. Das sind aus unserer Sicht aber nur Risikoszenarien. Unsere Euro/US-Dollar-Prognose geht bis Ende 2017 von einem Wechselkurs von 1,12 US-Dollar je Euro aus.