Der öffentliche Schuldenberg des italienischen Staates war schon vor Beginn der Währungsunion zu hoch. Bereits in den 1970er und 1980er Jahren war er zu schnell gewachsen. Auch der Vergleich mit den anderen großen Mitgliedsländern des Euro-Raums wie etwa Frankreich und Spanien belegt das. Der hohe Schuldenberg stellt für den italienischen Staatshaushalt über die Zinslasten eine dauerhafte Belastung dar. Er entzieht der Gesamtwirtschaft Ressourcen, die nicht anderweitig, etwa für Investitionen in die Infrastruktur oder zum Ausbau des Bildungswesens, verwendet werden können.
Italiens Wachstumsschwäche ist daher vor allem eine Folge des fehlenden Reformwillens der italienischen Regierungen. Um Italien auf einen höheren wirtschaftlichen Wachstumspfad zu bringen, müssten die ärgsten Problemfelder endlich angegangen werden, also das ineffiziente Bildungssystem, die geringen Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie in die Infrastruktur, die Schieflage im Finanzsystem, der hohe Anteil kleiner Firmen mit einem kleinen Anteil an Hochtechnologieprodukten, das Ausmaß der Schattenwirtschaft und der Korruption sowie die schwache öffentliche Verwaltung und das langsame Justizsystem. Alles das hat mit dem Euro nichts zu tun.
Die Pläne von einem Austritt aus dem Euro oder auch der Einführung einer Parallelwährung haben letztendlich das Ziel, die geldpolitische Souveränität wiederzuerlangen. In Italien, wo sich in Punkto Strukturreformen und Sparpolitik praktisch jahrzehntelang nichts bewegt hat, wurde in der Zeit vor der Währungsunion die Wettbewerbsfähigkeit in der Regel über eine schwache Währung erhalten. Die italienische Lira wertete regelmäßig gegenüber anderen Währungen ab, was den Export preislich förderte. Die Kehrseite der laxen geldpolitischen Zügel waren höhere Inflationsraten und höhere Zinsen für den Staat, die Privatwirtschaft und die privaten Haushalte.
Viele Probleme, die mit einem Euroaustritt verbunden wären, tauchen in der aktuellen Diskussion kaum auf. So würde wohl die Bereitschaft, dem italienischen Staat neue Kredite zu gewähren, gegen Null sinken, zumindest in der kurzen Frist. Damit wäre die Möglichkeit zur Refinanzierung am Kapitalmarkt nicht mehr gegeben. Der Staat wäre zu drastischen Einsparungen gezwungen und müsste Haushaltsüberschüsse erwirtschaften. Dies könnte zwar den Altschuldenabbau beschleunigen, würde aber die Konjunktur massiv schädigen. Zudem dürfte die Inflationsentwicklung deutlich anziehen. Der niedrigere Außenwert der neuen Lira würde Importe massiv verteuern.
Zwar könnte dadurch die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der Exporte und der einheimischen Erzeugnisse erhöht werden. Ob der positive Exporteffekt überwiegt, bleibt aber sehr fraglich.
Es scheint, als ob die Politik in Italien die Augen vor den wirklichen brennenden Themen verschließt. Die ausgeprägte Wachstumsschwäche in Italien ist ein Problem, welches in zahlreichen strukturellen Fehlentwicklungen begründet ist. Deren Wurzeln liegen aber zu großen Teilen schon in der Zeit vor der Einführung des Euro. Der Euro ist nicht das Problem Italiens, er hat aber die Strukturschwäche seit Beginn der Finanzkrise schonungslos offengelegt.